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DEATH ANGEL – The Evil Divide

~ 2016 (Nuclear Blast) – Stil: Thrash Metal ~


Hand aufs mittelalte Herz, liebe DEATH-ANGEL-Fans der ersten Jahre: Wie oft habt ihr die Alben der zweiten Phase nach der üblichen Anfangsbegeisterung noch aufgelegt?

Tja, geht mir genauso…

Es ist die Krux dieser beweglichsten – und live nach wie vor besten – aller Bay-Area-Bands, dass sie ihrer Zeit mit ‚Act III‘ (1990) so weit voraus war, dass sie sich auch selbst nicht mehr einholen konnte. Trotzdem muss man Mastermind Rob Cavestany zugute halten, dass er sich anders als SLAYER, EXODUS oder auch TESTAMENT nie mit einem Dasein als Selbstplagiat zufrieden gab und mit guten (‚The Art Of Dying‘, ‚The Dream Calls For Blood‘) oder sehr guten (‚Killing Season‘, ‚Relentless Retribution‘) Scheiben stets um kreative Relevanz bemüht war.

‚The Evil Divide‘, das achte Studiowerk der einstigen Wunderknaben, tendiert nach eingehender Beschäftigung zu den sehr guten Alben. Vielleicht wird es sich mit einigem Abstand sogar an der Spitze der fünfscheibigen DEATH-ANGEL-Diskographie der Neuzeit etablieren. Der Grund: Die Band hat es geschafft, wieder mehr zuzulassen. Mehr richtigen Gesang, mehr Dynamik, mehr Variation. Im Vergleich zum dritten Akt klingt ‚The Evil Divide‘ zwar immer noch sehr härtefixiert, trotzdem gibt Cavestany dem Großteil seiner Kompositionen Luft zum Atmen. ‚Father Of Lies‘ beispielsweise glänzt nach eher konventionellem Beginn mit einem entspannten, progrockigen Mittelteil, auch ‚The Electric Cell‘ zeigt dem Genre-Nachwuchs (VEKTOR mal ausgenommen) mit seinem mutig montierten Schmeichel-Refrain lächelnd die Rücklichter.

Das Highlight haben sich DEATH ANGEL dieses Mal für den Schluss aufgehoben. ‚Let The Pieces Fall‘ ist mit knapp sechs Minuten nicht nur der längste, sondern auch der einprägsamste Song des Albums: mächtige Midtempo-Ouvertüre, edle Sechssaiten-Intarsien, clever eingesetzte Gangshouts, dazu ein Refrain, der in seiner Melodieführung an EXODUS‘ Meisterstück ‚Chemi-Kill‘ erinnert und als Überleitung in US-metallische Gefilde jedes Mal aufs Neue begeistert. Mehr Stücke dieser Weltklasse und DEATH ANGEL hätten mit ‚The Evil Divide‘ eine echte Genre-Perle geschaffen.

Leider findet sich zwischen all den schweißtreibenden Rasereien (‚Cause For Alarm‘ und ‚Breakaway‘ schreien nach Bühnen-Einsatz!) auch eher uninspiriertes Geballer (‚Hell To Pay‘) und eine Powerballade namens ‚Lost‘, die von Mark Oseguedas starkem Gesang abgesehen nur kompositorische Klischees aufwärmt. Schade drum. Eine Kaufempfehlung gibt’s trotzdem.

(8 maßstabsgetreue Punkte)