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WYTCH HAZEL – Prelude

~ 2016 (Bad Omen Records) – Stil: Heavy-Rock/Folk/NWoBHM ~


Mit dem Leibhaftigen lässt sich heutzutage ja längst kein Kleinkind mehr hinterm Tablet hervorlocken – in metallischen Haushalten sowieso nicht. WYTCH HAZEL aus der Grafschaft Lancashire im Nordwesten Englands haben (auch deshalb) einen anderen Ansatz gewählt: Die jungen Herren preisen den Lord, als wäre der Papst mit seiner Schweizergarde hinter ihnen her. Schwarz oder weiß, Schwefel oder Weihrauch? Musikalisch komplett schnurz. Wer beim Hören dieses Debütalbums nicht innerlich auf die Knie sinkt und dem bevorzugten Vorgesetzten dankt, darf seine Liebe zur elektrischen Gitarrenmusik gerne mal wieder grundsätzlich hinterfragen.

Ein Vorspiel braucht auf ‚Prelude‘ niemand. Schon mit den ersten Takten der doppelläufigen Gitarrenmelodie im eröffnenden ‚Freedom Battle‘ erwecken WYTCH HAZEL ein Gefühl der feierlichen Erhabenheit. Frühe WISHBONE ASH und JETHRO TULL kommen einem angesichts der Harmonien in den Sinn, auch THIN LIZZYs ‚Emerald‘ schimmert  durchs feine Songgewebe. Sänger/Gitarrist Colin Hendra hat eine angenehm-unaufdringliche Stimme, das Zusammenspiel mit Sechssaiten-Kollege Matt Gatley zeugt von seiner klassischen Musikausbildung (Herzensthema: Renaissance) und einer profunden Kenntnis der New Wave of British Heavy Metal.

‚Fight‘, Song Nummer zwei, und Fans in der Rohfassung bereits von der 2012er-EP bekannt, setzt den geschmackvollen Drive der Startnummer kongenial fort. Im Galopp geht’s über die Bridge, ehe die Gitarren im Stile der geistesverwandten CORSAIR ihre Pirouetten drehen dürfen. ‚Mighty King‘ glänzt mit seiner Menuett-Rhythmik und einem Refrain, wie ihn auch LORDIAN GUARD nicht anmutiger hinbekommen hätten. ‚More Than Conquerors‘, ‚Wytch Hazel‘ und das abschließende, sich sanft in die Hirnwindungen schmiegende ‚We Will Be Strong‘ sind Fünf-Sterne-Deluxe-Hymnen mit Tiefenwirkung. Dazwischen wärmt die Lagerfeuer-Ballade ‚Psalm‘ samt ihren mannasüß vom Himmel schwebenden Gitarrenharmonien das Gemüt. O du köstliches Minutenglück! Auch beim verträumt beginnenden Titelsong geht die innere Sonne auf, ehe das an heimeligste JETHRO TULL-Momente erinnernde ‚He Shall Reign‘ den Gitarren Flügel wachsen lässt. Dass die zweite Akustik-Ballade, ‚Dark Ages‘, eine Spur zu konventionell geraten ist und damit nicht ganz das Niveau der Umgebung halten kann – geschenkt.

WYTCH HAZEL haben mit ‚Prelude‘ ein fast schon unverschämt reifes Werk geschaffen, das in ein paar Jahren als moderner Klassiker gelten wird. Wer’s nicht glaubt, muss hören.

(9,5 Punkte)