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TAMAS – Kopf.Stein.Pflaster

~ 2016 (AUF!KEINEN!FALL!/Universal) – Stil: Rap-Metal/New Metal ~


Skandalnudel und ausgewiesen linke Bazille TAMAS war bis jetzt nur Eingeweihten der deutschen HipHop-/Gangsta-Rapper-Szene durch Mitwirken bei ´Deine LTan´ sowie ein paar Collabos/Features ein Begriff. Das hier ist jetzt sein Solo-Debut, bei dem er komplett auf HipHop-kompatible musikalische Untermalung seiner Parolen verzichtet, sondern nur die ganz harte Metal-Kante fährt. Vorab: Das hier ist Rap-Metal. Ja genau, wie zur Crossover-Hightime in den 90ern. Aber vergesst mal schnell die Assoziation mit LIMP BIZKIT, CLAWFINGER, RAGE AGAINST THE MACHINE und anderen Luschen. Leute, auf diesem Album wird abgeliefert. Und gekillt. Keine Gefangenen, kein Erbarmen. Brett! Brett! Brett!

Mal ganz im Ernst, TAMAS hat zusammen mit Christoph Hessler von THE INTERSPHERE sowas von auf den Punkt geschrieben, arrangiert, eingetrümmert und produziert, dass es kracht. Da sitzt jedes Gitarrenriff, jeder Drumfill, jeder Soundgimmick, jeder Rhyme. Genau da, vor es/er/sie hin soll. Da, wo’s weh tut. Man könnte jetzt als notorisch nörgelig veranlagter Zeitgenosse dem Ganzen zu viel „Vorhersehbarkeit“, „Kalkül“ oder „Das ist doch vom Metal-Reissbrett“-Gemaule vorwerfen. Aber, ganz ehrlich: Scheiss was drauf. Die Platte knallt so von vorne bis hinten was weg, das macht einfach einen (im wahrsten Sinn des Wortes) Höllenspass!! Bei mir als Alles-aber-auch-wirklich-alles-Crossover-Hörer, in dessen Brust sowohl ein Old-School- als auch modernen Klängen zugeneigtes Herz schlagen (auf Rap wie auch auf mein eigentliches Metier Metal bezogen), platzen einfach ein ums andere Mal die Eier, der Neck snappt ständig unkontrolliert vor und zurück und der innere Headbanger mosht sich ins Nirvana. Boom. Die Texte sind zwar über weite Strecken schon ganz schön krank und grenzwertig – an einigen Stellen könnte man gut und gerne mit „Volksverhetzung“ oder „Aufruf zur Gewalt“ (gegen den Staat) um die Ecke kommen -, und bei manchem bekomme auch ich bei aller Freude über das Gesamtpaket ein leicht mulmiges Gefühl („Darf man echt sowas gut finden?“), aber, wie oben schon mal geschrieben: Scheiss was drauf. Es macht Laune. Es ist halt Kunst. Und die darf einiges. Eben auch mal vollkommen überzogen und extrem sein.

Noch ein paar Worte zur Musik: Runtergestimmte Gitarren, viel Geschrei und „Rap“-Gebrüll, aber Riffing und Songwriting pendeln in einer schönen Balance zwischen eher „traditionellem“ Metal und einer Modern-Metal-Kiste, auf der z.B. MACHINE HEAD oder DISTURBED drauf stehen (um Mal ein paar Koordinaten abzustecken). Noch ne Kelle voll KORN-mäßige New-Metal-Riffs und -Grooves dazu, ein paar passend eingesetzte Synthie-Streusel für ne Handvoll Gothic-Vibes oben drauf, fertig ist ein bunter Strauß Stahlträger, die dir direkt in die Fresse hauen. Musikalisch und textlich sicherlich die härteste deutschsprachige Platte auf meinem Radar. Herrschaften, dagegen sind RAMMSTEIN echt Kindergeburtstag!

Ja, ich weiss, es gibt ein paar Sachen gerade im Bereich Metalcore, die musikalisch sicher noch „härter“ sind, aber dieses ganze Genre lässt mich inzwischen ziemlich kalt. Da haut der gute Aggro-Proll TAMAS viel mehr in meine Kerbe. Schon nach dem geilen, hardcore-mäßigen Trümmer-Intro (Feedback-Gejaule, danach 25 Sekunden lang hi-speed in die Kauleiste getreten) bringt mich das Eröffnungs-Triple aus ´Biester der Nacht´, ´Einigkeit und Recht und Krieg´ und ´Jesus schießt´ vollkommen um den Verstand. Auch im weiteren Verlauf reiht sich ein Hit an den anderen. Mich erinnert das vom Feeling her an die erste Weissglut-Platte ´Etwas kommt in deine Welt´ in den 1990ern, die ich damals so wie diese Scheibe hier monatelang rauf und runter gehört habe und die für mich bis heute eine der drei besten deutschsprachigen Metal-Platten überhaupt ist.

Ich bin in der aktuellen Euphorie fast geneigt, 10 Punkte rauszuhauen, aber da die normalerweise für Alben wie LED ZEPPELINs ´VI´ oder IRON MAIDENs ´Killers´ vorbehalten sein sollten, gibt’s ne fette 9. Mahlzeit. Fröhliches Stahlfressen, ihr Zombies!

(9 Punkte)