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RÄUBERZIVIL – Tiefenschärfe

~ 2015 (SPV Recordings) – Stil: Singer/Songwriter ~


Wieviele Lieder muß man noch schreiben, die doch nichts als offne Fragen sind

Heinz Rudolf Kunze, den die Mehrheit des Volkes allein auf seinen Ohrwurm ´Dein ist mein ganzes Herz´ reduziert, hat bereits vor zehn Jahren mit RÄUBERZIVIL eine weitere musikalische Spielwiese erschaffen, um sich in diesem Bandprojekt mit Blues-, Country- und Folk-Rock-Elementen eher dem Singer-Songwriter-Stil zu widmen.

Begannen die Räuber ihren Weg einst mit der Veröffentlichung eines Live-Albums, servieren Kunze und seine Mitmusiker Ralph König, Peter Pichl sowie Hilko Schomerus diesmal sogar ein Doppel-Album, auf dem es keinerlei Ausfälle zu beklagen gibt. Die Musik verfängt sich dabei in längst vergessen geglaubten Zeiten, einer Songwriter-Kunst, die nicht aus der Mode zu kommen scheint und auf ewig zeitlos klingt. Textlich ist Kunze jedoch am Puls der Zeit geblieben, anklagend und die Wunden der Gesellschaft deutlich offen legend, trägt er mehr als nur brillante Texte vor. Selbst wenn die musikalischen Ideen öfters zu gefällig wirken, die Lyrik ist meistens unübertrefflich.

Mehrfach erklingt auf der musikalischen Wiese eine leichte Country Note, manchmal etwas flotter (´Papa hat Geld´) oder wie im mit einer tragischen Geschichte aus den letzten Tagen des Zweiten Weltkrieges ausgestatten Opener eher gleichförmig (´Robert Limpert´). Hier sogar mit fast kräftigem Hit-Appeal (´General Lee´) oder dort mit etwas abgedroschener Würze (´Drunter und drüber´). Manchmal wie Bob Dylan (´Samarkand´) oder auch die MONKEES (´Mein Anwalt und ich´). Andererseits ist der amerikanische Einfluss ebenso offensichtlich vorhanden (`Komme nicht aus Alabama´), wie der eher deutsche (`Brot aus Gold´). Und wenn die Band im Bonanza-Trailer `Ponderosa´ oder bei ´Ich möchte scheitern´ vom Groove gepackt wird, geht der Sound fast in alte Deutsch Rock-Zeiten á la ELEKTRA zurück. Mit ´Greif schon zu´ könnten sie zudem in den Straßen oder gar auf alten Märkten prächtig aufspielen.

Dunklen Liedern wie `Lügner´ stehen offenherzige Songs wie ´Rosmarin´, der fast aus Kunzes Frühwerk stammen könnte, gegenüber. Ein kleiner Tango (´Es ist schwierig´) eignet sich dagegen zum Gesangvortrag prächtiger als ein Bossa-Nova (`Der beste Schurkendarsteller´). Es gibt natürlich schöne Lieder, die nur mit Akustikgitarre vorgetragen (´So Wie Du Bist´) oder mit leichtem (´Am Meer stehen´), wuchtigem (´30 Prozent´) oder pathosgetränktem Klavieranschlag (´Ein Nichtsnutz´ und ´Tu nur was Du nicht lassen kannst´) versehen sind – einmal sogar fast wie der große Udo Jürgens (´Nichts als offene Fragen´).

Viele Fragen bleiben haufenweise offen, dennoch haben Kunzes Räuber hier den Nerv getroffen

(8 Punkte)