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CRÉPUSCULE – L´ Hymne À La Vie

~ 2006 (Eigenproduktion) – Stil: (Neo) Prog ~


CRÈPUSCULE wurden vor über dreißig Jahren von den Brüdern Gérald Rouvinez und Franco Rouvinez gegründet. Anfangs versuchten sie noch über französische Chanson-Rock-Balladen die Sinnesreize der Hörer zu erwecken. Doch bereits in dem als Vorspiel zur aktuellen Tetralogie anzusehenden `Signe De Vie` ließen sie in akustischer Form ihren Einflüssen freien Lauf.

Mit `Hymne À La Vie´ kreierten sie im Jahre 2006 mit dem ersten Teil einer auf vier Alben angelegten Konzeptreihe das erste echte Werk. Doch CRÈPUSCULE beschränken sich nicht nur auf ihre Visionen von Musik und Text, sondern haben sogar mit einer Malerin zusammengearbeitet, die aus der Musik heraus passende Ölbilder erschaffen hat.

„In ´Hymne À La Vie´ wollten wir die Bedeutung von Ritualen in unserer Entwicklung als Mensch oder in der Gesellschaft oder in der Sexualität hervorheben“, beschreiben CRÈPUSCULE ihre Reise, deren Gefühle und Emotionen sie durch die Lieder ausdrücken und Angabe gemäß von Bands wie ANGE, MAGMA, PINK FLOYD oder KLAUS SCHULZE geprägt wurden.

In einer anderen Welt wird den Jugendlichen kurz vor dem Erwachsensein die Geschichte von Tahayi erzählt. Dieser ist ein Junge, der in einem Nomadenvolk in einer kargen Wüstenlandschaft lebt (´Prologue IR´). Das rastlose Volk sieht nur die fortwährende Bewegung, das nicht Sesshaft werden, als einzige Möglichkeit der Lebensführung (`Après Un Pas´).

Grundsätzlich spielen die sechs Musiker aus dem Raum Karlsruhe einen ruhigen Neo-Prog, der mit CLEPSYDRA und ANGE nicht ganz unzutreffend umschrieben ist. Die Nomaden wandern durch die Wüste, der Alltag besteht aus Ritualen und Traditionen, die unverrückbar erscheinen („On marche, après un pas, un autre pas, et puis un pas, poussant son pas, le délire nous attend un peu plus loin“). Tahayi entfernt sich von seinem Volk und wird sesshaft, seine Umgebung erscheint ihm fortan ruhelos (´L‘ Arbre De l‘ Arrêt´). Nicht nur die geradezu singenden Gitarren verzaubern den Hörer. Weil französisch gesungen wird, schwingt zudem durchgehend ein emotionaler Rhythmus, der keinen Zuhörer unberührt und regungslos zurück lässt, sondern auch eine im Verlauf sich erhöhende Melancholie mit. Das Saxofon von Josef Held holt die Träumer aus ihrer Lethargie heraus (´La Marée Du Coeur´) und der Mensch wird auf seine `Voyage´ geschickt.

Tahayi entdeckt Veränderungen in seiner Umwelt, er scheint nun in einer Welt, die von Frauen und Amazonen geprägt ist, gefangen (´Prologue RE`). Die Nähe zu frühen MARILLION wird hier kurz und zu CLEPSYDRA (´La Créature´) besonders spürbar. Tahayis muss die gewalttätigen Sitten an sich selbst erfahren, seine Kräfte schwinden, er verliert sein Bewusstsein. Vom Opferaltar wird er noch rechtzeitig gerettet. Die Keyboards dürfen kurz erbeben – CRÈPUSCULEs Musik ist aber zu jeder Zeit vollkommen geerdet und bricht nie in pompöse Keyboard- oder Sympho-Orgien aus – als das Schlachtengetümmel („Et l’armada se vomit sur vos terres, conquéreurs conquérant vos innocences, c’est le pillage des mâles“) aufbraust (´L‘ Armada´). Natürlich ist das Konzeptalbum kein ´Tales From Topographic Oceans´ oder `Theusz Hamtaahk`, sondern steht eher er in einer Reihe mit ´Lepidoptera´ (RAK) oder ´Master Magician I´ (MARYSON).

Der Einfluss von KLAUS SCHULZE macht sich direkt in ´Prologue EL´ bemerkbar. In einer anderen Welt, die Welt des Patriarchats, ist es genauso grausam, trostlos und bitter wie zuvor. Tahayis wird vor Gericht gestellt und als Verräter verurteilt. Zum Teil können sogar kurze Querverweise (`Le Tribunal`) zu `Mouse` (ARAGON) und SEVEN REIZH, ohne deren Folklore-Anteil, gezogen werden („Garde, apporte – moi le traître, le traître de l’homme, animal avoue, ne soit pas trop fi er ça coûte, ça coûte ta tête“). Nun harrt er in seinem Gefängnis, in seiner Zelle aus.

Zuletzt erklingt die Hymne auf das Leben („Du bist hier an der Schwelle deines Lebens, um deinen Stein zu erhalten, singe für die Götter die Lümne – der Schlüssel für das nächste Übergangs-Ritual für das Erwachsen sein, die Hoffnung und das Bindeglied zwischen den Geschlechtern – auf das Leben“).

Das Werk ist nicht nur in einer DVD-Box erschienen, sondern enthält auch ein großformatiges Booklet und „Das Seelenbuch des Dramen-Helden“. CRÉPUSCULE erschaffen nicht nur Musik zum Entdecken, sondern Musik zum Erleben.

(8 Punkte)

Unlängst ist bereits der zweite Teil der Tetralogie (`Virr`) erschienen …

http://www.crepuscule.de/