
SYSTEM OF A DOWN – Mezmerize
2005 (American Recordings) – Stil: Nu Metal/Alternative Metal/Art Rock
20th Anniversary
Zu ihrer Blütezeit um die Jahrtausendwende waren SYSTEM OF A DOWN für mich weitgehend ein unbeschriebenes Blatt. Nu Metal spielte – bis auf wenige Ausnahmen – kaum eine Rolle, und obwohl ich einige Alben der Band kannte, reizte es mich nicht, sie live zu erleben.
´Mezmerize´ und ´Hypnotize´ erschienen beide 2005 und wurden in diesem Jahr 20 Jahre alt. Sie zählen zu meinen absoluten Lieblingswerken der vier Kalifornier und gelten mittlerweile als zentrale Werke der modernen Rockmusik, getragen von einer Band, die für Stammproduzent Rick Rubin lange als Lieblingsprojekt galt.
SYSTEM OF A DOWN nutzten diese Phase, um Genregrenzen nachhaltig zu verschieben und musikalisch wie inhaltlich neue Maßstäbe zu setzen.

Das Album eröffnet mit ´Soldier Side´, einem ruhig gezupften Intro, das Serj Tankians und Daron Malakians Gesang in perfekter Harmonie vorstellt. Kaum ist die melancholische Atmosphäre etabliert, stürmt ´B.Y.O.B.´ auf den Hörer in halsbrecherischem Thrash Metal-Tempo ein, wobei vor allem der Refrain – teuflisch humorvoll und stark vom R&B beeinflusst – einen sofort in seinen Bann zieht, während die Songstruktur von Pop-Melodien zu Blastbeats wechselt und immer wieder mit intelligentem Witz überrascht.
Die Band beweist auf ´Mezmerize´ von Beginn an jedenfalls eine seltene Mischung aus musikalischer Virtuosität und stilistischer Vielseitigkeit. ´Revenga´ wechselt dann innerhalb von Sekunden vom Metal-Galopp zu wahnwitzig schnellen BAD BRAINS-artigen Vocals und zurück zu einem nachdenklich-melodischen Refrain, während das anschließende ´Radio/Video´ die Promi- und Medienkultur unserer Zeit parodiert und Akkordeon-gestützte Passagen aus Ska und Polka den Song mit spielerischer Leichtigkeit veredeln.

Weitere Höhepunkte wie ´Question!´ und ´Lost In Hollywood´ zeigen die Fähigkeit von SYSTEM OF A DOWN, sowohl philosophisch-poetische Tiefe als auch messerscharfe Gesellschaftskritik zu vereinen. Texte wie „Why don’t the presidents fight the war? / Why do they always send the poor?“ sind dabei so prägnant wie zwingend.
Besonders bemerkenswert ist die Rolle von Malakian: Er schreibt den Großteil der Musik, brilliert an der Leadgitarre und übernimmt zunehmend Lead-Vocals, die seine höheren Register als Gegenpol zu Tankians majestätischem Tenor einsetzen.
Songs wie ´Cigaro´ oder ´This Cocaine Makes Me Feel Like I’m On This Song´ demonstrieren sowohl virtuos-abgefahrenes Gitarrenspiel als auch ein subtiles Gespür für Humor und Ironie, und ´Mezmerize´ verliert dabei nie seine Strenge: trotz der ausgefallenen Ideen bleibt das Album strukturiert, fokussiert und dauerhaft mitreißend.

Auch die Produktion und der Sound sind absolut makellos: Andy Wallace sorgt für einen klaren Mix, der die Komplexität der Arrangements transparent macht, ohne die rohe Energie zu schmälern. Malakians Gitarrenton erinnert dabei weniger an Nu Metal-Sludge als an Hardcore-Wurzeln, während die Rhythmusgruppe das Fundament für die oft atemlosen Tempowechsel liefert.
Tankians Gesang hypnotisiert, wütet und harmoniert gleichermaßen, während John Dolmayan die Schlagzeugparts mit einer Präzision meistert, die jeden Temposprung mühelos trägt.
Selten gelingt es einer Band, so originell zu klingen und gleichzeitig so unmittelbar zugänglich zu bleiben. Mit diesem Album haben SYSTEM OF A DOWN nicht nur ihre eigene Messlatte hoch gelegt, sondern auch einen neuen Standard für moderne Rockmusik gesetzt – es ist ein Meisterwerk, das jeden Moment, jede Wendung, jeden Schrei wert ist!
(Klassiker)
Favorites: ´Revenga´, ´Radio/Video´, ´Violent Pornography´, ´Sad Statue´, ´Lost In Hollywood´
https://www.facebook.com/systemofadown
Pics:
A shot of System of a Down playing at the Nikon at Jones Beach Theater in Wantagh, New York Wikimedia Commons
Shavo Odadjian et Serj Tankian au Rock en Seine 2013 Wikimedia Commons



