
TANKARD – Disco Destroyer
1998/2024 (Reaper Entertainment Europe) - Stil: Thrash Metal
TANKARDs ´Disco Destroyer´ aus dem Jahr 1998 öffnet die Tür zu einer Nacht, die man besser nicht nüchtern betritt. Mit ´Serial Killer´ tritt man direkt in eine surreale Horror-Bar, wo die Gäste aus überdrehten Psychothrillern stammen, und der Bass wie ein beschwipster Wachhund stampft, während Gerres Stimme zwischen wütendem Schreien und punkigen Zischlauten den Raum erfüllt. Die Band nimmt alles Übertriebene, alles Abgründige und alles Lächerliche und mixt es in einen Cocktail aus Thrash, Ironie und schmutzigem Humor, der sofort das Herz der Nacht trifft.
Kaum hat man sich vom Schreck erholt, stürmt ´http://www.planetwide-suicide.com´ herein wie ein digitaler Sturm. Modemsummen wird hier zum Trommelfeuer des Wahnsinns, während Pixelmenschen durch virtuelle Straßen taumeln und die echte Welt wie ein leerer Bembel am Rand steht. TANKARD zeigen uns den Irrsinn des Internets, überzeichnet, aber dabei so treffend, dass man sich selbst ein kleines Lächeln nicht verkneifen kann. Zwischen den Datenströmen lauert die Ironie wie ein heimlicher Kneipenfreund, der einen noch einmal zum Nachdenken bringt.

´Hard Rock Dinosaur´ klopft wie ein rostiger Gigant an die Tür der Retro-Rock-Bar. Der Protagonist hasst die Disco, sehnt sich nach echten Gitarren und Whiskey, während die Band mit einem Augenzwinkern die Modeströmungen der Zeit verspottet. Es ist Purismus mit Punkattitüde, ein Moment, in dem man den Krug hebt und spürt, dass echte Musik nicht tot ist, solange TANKARD sie am Leben hält.
´Queen Of Hearts´ zieht uns plötzlich ins Pathos. Hier trifft sentimentaler Übermut auf ironische Selbstreflexion. Der Erzähler träumt von Königinnen, Stars und unerreichbarer Größe, doch TANKARD machen daraus ein groteskes Bild medialer Verehrung, das sowohl lächerlich als auch menschlich wirkt. ´U-R-B´ hingegen lässt die Neonlichter zur Punk-Melodie flackern und die Untoten tanzen, während Gerstensaft wie flüssiges Gold durch die Adern der Nacht läuft, und der Tod selbst zur Partyhymne wird.
Mit ´Mr. Superlover´ steigt man in die groteske Karikatur toxischer Beziehungen ein, wo die Überzeichnung so stark ist, dass die eigentliche Kritik zwischen den Zeilen sichtbar wird. In ´Tankard Roach Motel´ wird das urbane Nachtleben aus der Sicht einer Kakerlake erzählt, ein verkommenes Motel aus Bierdosen, Müll und kaputten Träumen, das brillant, absurd und komisch zugleich ist. ´Another Perfect Day´ verwandelt den Frust eines gescheiterten Tages mit Punk-Elementen in einen Trinkspruch, während ´Death By Whips´ das Thrash-Kino auf die Spitze treibt, überdreht, satirisch und voller Peitschen.
´Away!´ und ´Face Of The Enemy´ zeigen verletzliche, direkte Emotionen, ausgedrückt in rohem Thrash, wütend, bitter, aber mit einem Augenzwinkern versehen. ´Splendid Boyz´ entlarvt das Showbusiness, das Streben nach Ruhm und Geld wird zu einem Buffet aus Zynismus, das man am liebsten mit einem kräftigen Zug aus dem Humpen begleitet. Schließlich stürzt ´Disco Destroyer´ selbst wie ein lauter Krug Bier auf die Tanzfläche und zertrümmert Oberflächlichkeiten mit einer brutalen, humorvollen Direktheit.
Die musikalische Umsetzung ist so berauschend wie die Geschichten selbst. Andreas Bulgaropulos’ energiegeladene Gitarrenarbeit prägt die Tracks, die Basslinien grooven, die Drums treiben an, und Gerres Stimme bringt den Thrash, oftmals mit punkigen Melodien, auf den Punkt – mal schrill, mal schnörkellos, immer mit Humor gewürzt. Es ist eine Nacht voller rasender Riffs, ironischer Texte und schweißgetränkter Freude, in der jeder Song wie ein eigener kleiner Kurzroman erzählt wird.
Historisch ist ´Disco Destroyer´ ein Wendepunkt. Es ist das letzte Album mit Andreas Bulgaropulos, der den Alkohol erst später entdeckte. In einer Zeit, in der Post Grunge und Modern Rock die Charts dominierte und Thrash als unmodern galt, blieben TANKARD ihren Prinzipien treu und ließen Humor, Provokation und Bierkultur nie aus den Augen. Sprüche wie „From Frankfurt to Frisco we destroy every disco“ oder „At war with breakdancers“ sind Ausdruck dieser Haltung, während Songs wie ´Planetwide Suicide´ gesellschaftliche Absurditäten spitzzeichnen.

Die 2024er Wiederveröffentlichung von “Reaper Entertainment” bringt die Platte in neuem Glanz, remastert und auf 180g-“Glow-in-the-Dark”-Vinyl und lässt das Stück in allen Facetten erstrahlen. Die Musik selbst bleibt unverändert, roh, ironisch und energisch, und die Platte lädt dazu ein, sich hineinfallen zu lassen, zu lachen, mitzusingen und gleichzeitig die gesellschaftskritischen Untertöne aufzusaugen.
´Disco Destroyer´ ist wie eine Nacht mit Freunden, die man nicht vergisst, und nachdenklich genug, um den letzten Schluck Bier bewusst zu genießen. TANKARD haben einmal mehr gezeigt, dass sie Meister ihres Faches sind, dass sie über Jahrzehnte ihre Linie gehalten haben, und dass sie immer noch wissen, wie man eine Platte voller Spaß, Ironie und musikalischem Können serviert. Prost auf TANKARD, auf ´Disco Destroyer´ und auf die Bierkultur, die diesen Thrash Metal so unverwechselbar macht. 🍺
(8 Punkte)



