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CHRISTOPHER CROSS – Christopher Cross

1979/2025 (Seeker Music/Omnivore Recordings) - Stil: Yacht Rock

Manche Musik klingt wie ein Sonnenuntergang über der Bucht, ein leichter Wind, eine Cocktail-Sonnenschirmspitze, die im Glas wippt. Willkommen in der Welt von Yacht Rock – jener späten Siebziger- bis frühen Achtziger-Popästhetik, die sanft, seidig und doch messerscharf im Arrangement daherkommt. Wenn man an Yacht Rock denkt, tauchen sofort Namen wie Kenny Loggins, Michael McDonald oder Steely Dan auf. Doch der unangefochtene Kapitän dieses Easy-Seas-Genres ist Christopher Cross.

Sein selbstbetiteltes Debütalbum legt die Blaupause für alles, was danach unter dem Label „sanfter Pop für Segel- und Cabriofahrer“ läuft. Mit Hits wie ´Ride Like The Wind´ und ´Sailing´ katapultiert sich Christopher Cross in Windeseile an die Spitze der Charts – und gleichzeitig in die Herzen der Yacht Rock-Fans. Er präsentiert die perfekte Mischung aus scheinbarer Mühelosigkeit, virtuoser Studioarbeit, traumhaften Gesangsharmonien und einem Hauch von kitschigem Charme, den man einfach lieben muss.

Doch Christopher Cross ist keine One-Hit-Wonder-Karikatur, kein glatter Soundtrack für Cocktailpartys. Er ist der Gentleman des Genres, ein Musiker, der die subtilen Zwischentöne beherrscht, die diese Musik erst lebendig machen. Mit diesem Debüt setzt er Maßstäbe, die selbst 45 Jahre später noch unerreicht wirken. ´Christopher Cross´ ist ein Meisterwerk sanfter Melodik, in das man sich treiben lassen kann, ohne je auf den Untergang zu stoßen.

Christopher Cross’ selbstbetiteltes Debüt erscheint Ende 1979 und katapultiert den Texaner sofort in die Annalen der Musikgeschichte. Fünf Grammys, darunter alle vier großen Kategorien, fünf Mal Platin – eine Premiere, die bis heute unübertroffen ist. In einer Zeit, in der Disco noch die Tanzflächen dominiert und New Wave sich langsam anschleicht, bietet Christopher Cross ein Gegenprogramm: sanfte, präzise arrangierte Songs, die leichtfüßig und musikalisch brillant zugleich sind.

Die 2025er Vinyl-Edition bringt das Album nun auf Doppel-LP, remastert von Bernie Grundman und Michael Graves, und ergänzt um elf rare Demos und Bonus-Tracks, die den kreativen Prozess hinter den Hits offenbaren.

Denn bevor die Singles offiziell erscheinen, ist klar, dass Christopher Cross etwas Besonderes ist. Michael Omartian, zu jener Zeit Inhouse-Produzent bei “Warner Bros.”, erinnert sich, wie er Cross’ Demos von ´Sailing´ und ´Ride Like The Wind´ hört – und sofort weiß, dass hier große Hits schlummern. Im A&R-Meeting blickt er jedoch nur in ausdruckslose Gesichter. Als er fragt, ob das sonst niemandem gefalle, bleibt der Raum still – bis Lenny Waronker schließlich trocken sagt, wenn es ihm gefalle, solle er es doch produzieren.

Kurz darauf beginnt der Hype ohne Vorwarnung. Eine Radiostation in Miami spielt ´Ride Like The Wind´ einfach schon vor der offiziellen Veröffentlichung. Der Song galoppiert wie ein wilder Revolverheld durch die Hitlisten. Michael Omartian merkt an, dass man im Team zunächst gezweifelt hat, ob man auf diesen Uptempo-Hit gleich eine Ballade folgen lassen soll. Doch Warner-Boss Mo Ostin besteht auf ´Sailing´ als nächste Single – und behält, wie sich zeigen wird, vollkommen recht.

Diese Anekdote zeigt, wie Christopher Cross’ Weg an die Spitze teils von Intuition, teils von Glück bestimmt wird – und dass hinter der scheinbaren Leichtigkeit seiner Musik ein sorgfältig geplanter, aber von Überraschungen geprägter Aufstieg steht. Kein Wunder, dass er die Yacht Rock-Legende begründet. Schon vor der Veröffentlichung öffnete seine Musik jede Tür für seinen sanften, unverwechselbaren Charme.

Das Album startet mit ´Say You’ll Be Mine´, einem flotten Opener voller weicher und eingängiger Pop-Rock-Vibes. Christopher Cross’ Gesang schwebt über der melodischen Instrumentierung, während Jay Graydon am Gitarren-Solo glänzt und den Song unvergesslich macht. Selbst in die Hände klatschen und die Beine in Bewegung bringen sind dazu erlaubt.

Mit ´I Really Don’t Know Anymore´ betritt die erste Ballade die Bühne. Michael McDonald sorgt im Background für samtige Harmonien und Larry Carlton liefert ein brillantes Gitarren-Solo. Doch bereits der Gesang von Christopher Cross und das Arrangement machen den Song zu einem Highlight, das sofort Lust auf mehr weckt.

´Spinning´ öffnet eine verträumte Midtempo-Ballade, in der Valerie Carter den ersten Gesangspart übernimmt, bevor Christopher Cross einsetzt. Celeste, Vibraphon und subtile Piano-Flächen erzeugen eine fast Bacharach-ähnliche Atmosphäre, die den Song besonders elegant macht.

´Never Be The Same´ gehört zu den strahlendsten Soft-Rock-Stücken des Albums. Die komplexen Harmonien und melodischen Wendungen zeigen Christopher Cross’ Talent für filigrane Arrangements, die nie überladen wirken. Jay Graydon glänzt erneut mit einem Gitarrensolo, das harmonisch mit den Chorparts verschmilzt.

´Poor Shirley´ ist ein poppiges, aber raffiniertes Stück, das an Beach-Boys-Harmonien erinnert. Christopher Cross’ Gesang wird dabei vom treibenden Piano getragen und beweist seine Fähigkeit, selbst unscheinbare Tracks zum Leuchten zu bringen.

Mit ´Ride Like The Wind´ liefert Christopher Cross einen echten Klassiker. Ein treibender Rhythmus, akustische Gitarren und ein unvergesslicher Michael McDonald im Hintergrund machen den Song unverkennbar. Das energetische Gitarrensolo und das makellose Arrangement sind Paradebeispiele für perfekten Pop. Der Song über einen flüchtigen Revolverhelden wurde dem Sänger/Gitarristen Lowell George gewidmet, den Mitbegründer von Little Feat.

´The Light Is On´ ist eine sanfte Samba-artige Nummer, die Versöhnung und Nähe thematisiert. Larry Carlton sorgt für ein herausragendes Gitarrensolo, während Don Henley und JD Souther die Background-Vocals bereichern.

´Sailing´, der Signature-Track des Albums, schwebt leicht und beinahe himmlisch dahin. Christopher Cross’ Gesang, die akustischen Gitarren und subtile Keyboardflächen von Michael Omartian tragen dazu bei, dass dieser Song die Yacht Rock-Legende begründete. Die Percussion von Victor Feldman unterstreicht den ruhigen Fluss des Songs, ohne je aufdringlich zu sein.

Den Abschluss bildet ´Minstrel Gigolo´. Eric Johnson liefert ein exzellentes Gitarrensolo, das dem Stück eine leichte Funkiness verleiht, während Christopher Cross’ Gesang und das Saxophon von Tomas Ramirez einen charmanten, eleganten Ausklang für Side B schaffen.

Die Bonus-Tracks bieten spannende Einblicke in Christopher Cross’ Songwriting. Besonders hervorzuheben ist ´Mary Ann´, geschrieben für das “Yamaha Music Festival” 1980, das viel von seiner eigenen Kindheit widerspiegelt. Als sogenannter „Army brat“, also als Kind eines Militärangehörigen, wächst er ständig in neuen Städten und Schulen auf, lernt früh, Abschied zu nehmen und sich anzupassen. Diese Erfahrungen von Aufbruch, Neuanfang und Fernweh durchziehen seine Songs wie ein roter Faden – ob in ´Mary Ann´, in der er von Abschied und der Suche nach dem eigenen Weg singt, oder in den sanften Melodien von ´Sailing´, die Sehnsucht und Freiheit vermitteln.

´Parade´ ist hingegen eine leichte, sommerliche Hommage an Highschool-Bands, Schönheitswettbewerbe, Limonade und das Kleinstadtleben. ´Passengers´ liefert einen melancholischen Rückblick auf verpasste Chancen und Begegnungen, während ´What Am I Supposed To Believe´ als emotionale Klavierballade über Liebesverlust, Durchhaltevermögen und Hoffnung dient.

Die Demo-Versionen zeigen zumindest, wie ausgereift die Songs bereits vor dem Studio-Aufenthalt waren, und Christopher Cross’ Fähigkeit, diese perfekt durchdachten Demos in die endgültigen Aufnahmen zu übertragen, erklärt die zeitlose Qualität des Albums.

Die 2025er Pressung präsentiert Christopher Cross’ Debüt in warmer, analoger Klangästhetik. Bernie Grundman und Michael Graves haben die ursprüngliche digitale Aufnahme in einen runden, harmonischen Klangraum überführt, der Christopher Cross’ Songs eine neue, organische Tiefe verleiht. Gatefold-Artwork und die Liner Notes von Gene Sculatti runden diese Ausgabe perfekt ab.

Denn Christopher Cross ist weit mehr als ein Yacht Rock-Phänomen – er ist ein Meister des melodischen Pop. Er absorbiert Einflüsse von FLEETWOOD MAC, STEELY DAN, DOOBIE BROTHERS, Carole King und Boz Scaggs und formt daraus etwas gänzlich Eigenes. Jeder Hit auf diesem Album sitzt: ´Ride Like The Wind´ ist energiegeladen, ´Sailing´ schwebt traumhaft, während Albumperlen wie ´Spinning´, ´Never Be The Same´ und ´Minstrel Gigolo´ die Tiefe und Konsistenz des Albums unterstreichen. Christopher Cross’ Gitarrenarbeit, unterstützt von den Session-Giganten Larry Carlton, Eric Johnson und Jay Graydon, zeigt, dass Yacht Rock durchaus Biss haben kann.

´Christopher Cross´ ist ein Zeugnis der späten Siebzigerjahre, ein zeitloser Klassiker mit wenigen bis keinen Schwächen. Die 2025er Vinyl-Edition liefert warmes Vinyl, Bonus-Demos, perfektes Mastering und ein Gatefold-Design, das in jeder Sammlung glänzt. Für Fans von Soft Rock, Yacht Rock und meisterhaft produzierter Popmusik ist dieses Album Pflicht. Ein absoluter Klassiker, der auch nach 45 Jahren nichts von seiner Magie verloren hat.

https://www.facebook.com/ChristopherCrossOfficial

 

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