PlattenkritikenPressfrisch

GRAHAM NASH – Songs For Beginners

1971/2025 (Analogue Productions/Atlantic 75 Series) - Stil: Folk/Rock

Es gibt Platten, die hören sich an wie ein Tagebuch mit aufgeschlagenen Seiten. ´Songs For Beginners´ ist so eine. Graham Nash, der freundliche Engländer, der mit den HOLLIES die Hitparaden fütterte und mit CROSBY, STILLS & NASH (und manchmal Neil Young) die Hippie-Harmonien perfektionierte, stand 1971 alleine da. Die Liebe zu Joni Mitchell lag in Scherben, die politische Lage in den Staaten war am Kochen, und die Supergroup CSNY zerlegte sich mal wieder selbst. Aus genau diesem Scherbenhaufen formte Graham Nash sein erstes Soloalbum. Ein Werk, das heute klingt wie eine Mischung aus Lagerfeuer, Liebesbrief und Straßenprotest.

Die Gästeliste liest sich dabei wie ein halbes Telefonbuch des Laurel Canyon: Jerry Garcia, Phil Lesh, Dave Mason, David Lindley, Rita Coolidge, Crosby, Young (unter dem Decknamen „Joe Yankee“) – allesamt streuen sie Farbe auf Graham Nashs Skizzen. Aber die Platte gehört nur ihm. Seine Stimme, klar wie frische Luft am Morgen, trägt die Songs, die sich zwischen persönlicher Verletzlichkeit und politischer Dringlichkeit bewegen.

´Military Madness´ eröffnet das Album wie ein hochgehaltenes Plakat und ist eine Anklage gegen Kriege, gegen Generäle, gegen die ewige Spirale von Gewalt. Der Junge aus Blackpool, aufgewachsen zwischen den Ruinen des Zweiten Weltkriegs, sieht nun das Gleiche in Vietnam – und schreit es heraus. Ein Anti-Kriegslied, das auch heute nicht gealtert ist.

´Better Days´ setzt den Gegenpol, mit Piano, ein bisschen Sonnenschein und Hoffnung durch die Wolken. Graham Nash singt für sich selbst und für seinen Freund David Crosby, der gerade seine große Liebe verloren hatte. Am Ende steht kein Klagelied, sondern ein Aufruf, das Leben nicht aufzugeben. Ein Trostlied für Stephen Stills, dessen Beziehung ebenfalls zerbrach, ist ´Wounded Bird´, leise, zart, akustische Gitarre, verletzlich, fast wie ein geflüstertes Gebet.

Dann ´I Used To Be A King´, geschrieben im Chateau Marmont, mit gebrochenem Herzen, aber voller Würde, blickt Graham Nash auf seine Hollies-Vergangenheit (“King Midas in Reverse”) zurück und macht klar: der König mag gestürzt sein, aber er schreibt weiter Lieder, derweil Jerry Garcia dafür weite Linien auf der Steel Guitar zieht und Phil Lesh das Fundament legt. ´Be Yourself´, zum Abschluss des ersten Vinyl, baut sich langsam auf, bis der große Chor einsetzt – ein fast gospeliges Stück Ermutigung.

Das zweite Vinyl beginnt mit ´Simple Man´, dem zerbrechlichsten Stück der Platte. Geschrieben an dem Tag, an dem Joni per Telegramm Schluss machte. Graham Nash am Klavier, begleitet von Streichern und Rita Coolidge im Hintergrund. Schmerz pur, aber ohne Selbstmitleid. ´Man In The Mirror´ entstand dagegen auf Daivd Crosbys Segelboot “The Mayan”. Ein Song voller Selbstbefragung, der wie eine schwankende Fahrt zwischen Sonnenlicht und dunklen Wellen wirkt.

´There’s Only One´ hebt sich mit weiblichen Stimmen ab, die den Song in eine fast kosmische Richtung tragen. ´Sleep Song´ hingegen ist wieder ganz klein, fast ein Wiegenlied, bevor Graham Nash das Album mit zwei Fäusten in der Luft beendet. ´Chicago´, sein Protest gegen die Verurteilung der Chicago Eight, ist ein Ruf zur Solidarität. Und schließlich das kurze, helle ´We Can Change the World´, eine Minute Hoffnung, die wie ein offenes Fenster klingt.

Alles in allem ist ´Songs For Beginners´ kein großes Spektakel, keine Rock-Orgie, sondern ein ehrlicher, klarer Songwriter-Ritt. Graham Nash setzt auf Einfachheit, auf Worte, auf die Macht von Melodie und Haltung. Während Stills und Crosby sich in Studio-Exzessen verloren und Neil Young auf seiner eigenen Farm den Mythos erntete, zog Graham Nash den Hut, griff zur Gitarre und schrieb eine Platte, die bis heute wie frische Luft klingt – mit Rauch im Hintergrund und Herz im Vordergrund.

(Klassiker)

´Songs For Beginners´ erscheint derzeit im Rahmen des 75-jährigen Jubiläums von „Atlantic Records“ auf einem echten audiophilen Qualitätsstandard-Vinyl.

Denn „Analogue Productions“ haben sich dem Jubiläum angeschlossen und veröffentlichen Graham Nashs gefeiertes Solo-Debütalbum auf einem 180g schweren Doppel-Vinyl mit 45 rpm, natürlich gepresst bei „Quality Record Pressings“.

Grundlage ist der 2001 von Glyn Johns erstellte Remix mit gesteigerter Klarheit und Dynamik, neu gemastert von Bernie Grundman. Verpackt ist die Edition in einem klassischen, massiven, aufklappbaren Gatefold-Jacket im Tip-on-Old-Style von Stoughton Printing.

Interessanterweise ist auf dem Cover von „From the Original Master Tape“ die Rede – tatsächlich basiert diese Veröffentlichung jedoch auf dem 2001er Remix, der seinerzeit von Glyn Johns erstellt wurde. Bernie Grundman griff also auf das analoge Masterband dieses Remixes zurück, nicht auf das Original-Master der 1971er-Erstveröffentlichung.

Die bewährte Zusammenarbeit von „Acoustic Sounds“, „Analogue Productions“ und „Quality Record Pressings“ garantiert dennoch einen herausstechenden Klang, sofern man nicht den klassischen Original-Mix vorzieht.

Ähnliche Artikel

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"