
GODZILLIONAIRE – Diminishing Returns
2024 (Ripple Music) - Stil: Heavy Rock
Diese Band hier ist ja beileibe kein Newcomer mehr, hat seit 2016 zwei Alben und eine EP in Eigenregie veröffentlicht, bevor sie für das aktuelle Werk beim umtriebigen Heavy Rock-Label “Ripple Music” gelandet ist. Dennoch waren die Jungs mir bislang vollkommen unbekannt. Da ich aber ihre Plattenfirma für großartige Musik wertschätze, hat mich die Nachricht dieses neuen Albums einer mir bislang noch fremden Band durchaus aufhorchen lassen.
Und die ersten beiden Songs lassen es ganz klassisch angehen. Die Basis bildet der Hardrock zwischen 1974 und 1980. Fängt mit dem treibenden, wirbelnden ´Drowning All Night´ an, welches schon 76 bei diversen Amikapellen auf heutzutage heiligen Platten eine gute Figur gemacht hätte. Fäuste geballt und abgerockt auf der Tanzfläche, entschlossener Beat, pumpender Bass, kantige Riffs, die Dich peitschen, bluesig coole, angeraute Vocals und explosive Leadgitarren, das volle Programm zur Seelenöffnung. Dazwischen Momente der Besinnung mit tiefer Atmosphäre. Klar ist das Ganze auf gewisse Weise moderner, was den Gesamtklang betrifft, aber die Seele des Stücks ist 70s Powerrock pur.
Beim treibenden ´Boogie Johnson´ trifft ein funkiger Schwung in den Gitarren auf fast punkige Wut. Der Gesang ist merkwürdig schmutzig und verzerrt. Wieder wird die Brücke von den 70ern zur Neuzeit geschlagen, obschon die Neuzeit bereits in den 90ern ansetzt. Für mich als späten Teenager jener Ära immer noch Neuzeit. Für andere eventuell schon Oldierockgefühl. Hach…
Die versponnen träumerische Folkgrungeballade ´Spin Up, Spin Down´ spricht von regnerischen Tagen in Seattle statt Sonnenschein und Bourbonkonsum in Texas. Ich weine heimlich, still und leise in meinen Kaffee (Bier darf ich auf der Arbeit nicht trinken), weil ich mich nun richtig alt fühle. 1991 war solche Musik fett angesagt, 2025 ist sie immer noch eindringlich und schön. Aber auch hier ist die Schule alt. Die Soli sind erhaben und intensiv, sehr leidenschaftlich und betörend.
Drei Songs, dreimal alte Seele. Dreißig Jahre, fünfzig Jahre, aber keinen Deut jünger sind die Einflüsse der Band. Aber sie schaffen es, das Feuer jener Tage mit den musikalischen Inspirationen zusammen einzufangen.
Der ´Astrogarden´ ist eher dirty. Die Band lässt Dich auf Meskalin zwischen den Wüstenkakteen umherwandeln, brät Deinen Geist mit monotonem, schleppenden Getrommel, einem monoton hypnotischen Gesang, brummenden Basslinien und brodelnden Gitarren, die langsam melodischer werden, so wie die Gesangslinien auch. Dann kriegen sie das Walzen, auf die schwerste Art und Weise. Nur die darüber schwebende exzessive Leadgitarre rettet Dich vor der Totalzermalmung. Wie aus dem Totenreich erklingen Stimmen und erzählen was. Heavy stampft dann das Stück mit ekelhaft schmierigen Riffs und eher wütenden Schreien weiter. Angenehm unangenehm.
Der ´3rd Street Shuffle´ rockt und groovt im Anschluss an dieses Sludgemonster wieder funky und lässig im klassischen 70s Stil mit etwas modernerem Sound. Coole Nummer, nicht spektakulär, aber sympathisch. Geile entfesselte Sologitarre, das muss ich ihnen lassen. Und schon hat das Lied etwas von einer Hymne.
Kriegt man damit heute noch die großen Arenen voll? Schwerlich. Aber die kleinen Clubs und Bars, wo sich die letzten Standfesten, alt und jung, tummeln, werden sie damit in Brand stecken. Saugeil.
´Unsustainable´ hat am Anfang einen elektronischen Beat, ist das Trip Hop? Ich bin da eher überfragt. Darüber sphärische Sounds, eine sanfte, melancholische Gesangsmelodie mit Popcharakter, ein E-Piano, das sparsame Läufe spielt. Der Song fällt ganz aus der Rolle und ist sicher vom Spirit her die modernste Nummer. Aber schön gemacht.
´Common Board, Magic Nail´ ist dann wieder klassisch rockig, hat einen tänzelnden Rhythmus, eine lässig sleazige Gesangslinie, also den Stil, der uns in den späten 80ern begeisterte. Es steigert sich und bekommt eine 90er Note, behält aber seinen klassischen Anstrich.
Und als hätten sie das beste Stück für den Schluss aufbewahrt, gibt es mit ´Shadow Of A Mountain´ nochmal eine atmosphärische 90s Grunge Nummer, verwaschen, episch erhaben, erdig dabei. Und der Blues bleibt in der Seele. Ein dezentes Brodeln ist spürbar. Das kommt im weiteren Verlauf bestens zum Tragen. Die Intensität steigert sich, die Emotionen kochen über. Die Leadgitarren jault ekstatisch über den aufgewühlten Riffs. Aber die brütende Wüstenhitze drückt auch gerne wieder alles runter. Trippige Nummer, die eine echt gute Platte beschließt.
Dieses Album ist alles andere als innovativ, hat aber eine musikalische Storyline, ist wie ein cooler Roadtrip und ´Shadow Of A Mountain´ ist dann das Heimkehren in die vertrauten Gefilde.
Ich mag das Album, weil es vertraut wirkt und eine gewisse Geborgenheit vermittelt. Mehr will man als alter Rocker doch gar nicht.
(8 Punkte)