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MISSISSIPPI JOHN HURT – Today!

1966/2025 (Vanguard/Craft Recordings) - Stil: Blues

Mississippi John Hurt, geboren als John Smith Hurt im Jahr 1893, wuchs in der Nähe von Avalon, Mississippi, auf. Dort war der Boden rot und das Leben alles andere als einfach. John verbrachte seine Kindheit auf den Feldern, umgeben von Baumwolle und Bohnen, wo man sich anstrengen musste und die Seelen ruhig waren. John arbeitete später in verschiedenen Jobs, als Pflücker, Eisenbahnarbeiter, und auf den Feldern.

Doch die Musik war für ihn allzeit ein guter Freund, kein Job. Mit neun Jahren schnappte er sich heimlich die Gitarre eines Untermieters, William Henry Carson, und brachte sich das Spielen selbst bei, Tag für Tag, die Finger auf den Saiten. 1928 bekam er die Chance, in Memphis und New York ein paar Lieder aufzunehmen. Doch leider wollte sie niemand kaufen. Mit der Depression verschwanden auch seine Träume wieder in den Feldern. Erst 1963, während des “American Folk Music Revival” wurde auch er wieder neu entdeckt.

Mississippi John Hurt war 70 Jahre alt, sanft wie immer, und sein Spiel war so warm wie eine alte Decke. Und dann begann die wirkliche Geschichte. Als ´Today!´ 1966 via “Vanguard” herauskam, war er 73 Jahre alt. Es war sein insgesamt drittes Album nach seiner Wiederentdeckung und das erste, das wirklich im Studio aufgenommen wurde. Ohne Rauschen und ohne Feldaufnahmen, einfach nur klar und echt.

Die zwölf Songs auf ´Today!´ sind keine Showeinlagen oder wütenden Tiraden. Sie erzählen Geschichten, mal mit einem Augenzwinkern, mal ganz ernst. Mississippi John Hurt spielt solo, nur seine Stimme und seine Gitarre, ganz ohne andere Instrumente. Einfach Mississippi John Hurt – so wie er ist.

Mississippi John Hurt singt einen fröhlichen Song, der davon handelt, wie gut es tut, wenn die Arbeitswoche zu Ende geht. Für ihn ist das eher ein stiller Jubel (´Pay Day´). Er singt ein einfaches Lied für müde Knochen, in dem John Hurt wie in einem Gebet bittet (´Make Me A Pallet On The Floor´) und ein traditionelles Lied, neu interpretiert, voller Liebe und Sehnsucht (´Corrinna, Corrinna´).

Er spielt einen hymnischen Titel, keinen typischen Blues, sondern einen ruhigen Dank ans Leben, auch wenn es hart ist (´I’m Satisfied´), einen Klassiker, der spielerisch, süß und doppeldeutig ist, also mehr als nur ein Lied über Süßigkeiten (´Candy Man´) und dann holt er die Slide-Gitarre heraus und erzählt von dem legendären Lokführer Casey Jones, eindringlich und nachdenklich (´Talking Casey´).

Mississippi John Hurt liebt seinen House Kaffee, was ihm echt Spaß macht. Er beschreibt das wie ein ruhiges Frühstück in Avalon (´Coffee Blues´). Er zeigt seine Spielfreude, fast wie beim Ragtime, fröhlich und beschwingt (´Hot Time In The Old Town Tonight´), seinen Schmerz, leise, aber stark (´If You Don’t Want Me, Baby´) und singt ein wunderschönes Lied über den Tod, ohne Groll. Er jauchzt, als hätte er Louis wirklich gekannt (´Louis Collins´). Er wärmt den Mythos von John Henry auf und lehrt Respekt für die Arbeit (´Spike Driver’s Blues´). Am Ende ist für den 73-jährigen die Sehnsucht nach Frieden und dem Jenseits groß (´Beulah Land´).

Anno 2025 gibt es ´Today!´ wieder auf 180g Vinyl, frisch gemastert und ohne Rauschen. Johns Stimme ist wie heißer Kaffee auf einem kalten Küchensessel. Es ist schön, dass dieses Album neu aufgelegt wird. Vielleicht hört ein Kind, das gerade Gitarre lernt, diesen Mississippi John Hurt und versteht, dass Blues nicht immer laut sein muss, sondern auch leise sein kann. Denn ´Today!´ ist kein wütender Blues oder eine laute Ansage. Es ist ein ruhiger Rückblick eines Mannes, der viel gesehen und wenig verlangt hat, aber trotzdem alles gegeben.

Mississippi John Hurt war kein Prediger, aber sein Spiel war wie eine Lehre – in sechs Saiten. Wenn du seinen Lebensrückblick auf die guten und harten Zeiten in den Zwanziger- und Dreißigerjahren im Süden des Landes nachempfinden willst, dann leg die Platte auf und hör gut zu.

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