
LIGHTNIN’ HOPKINS & SONNY TERRY – Last Night Blues
1961/2024 (Bluesville/Acoustic Sounds Series) - Stil: Blues
Klappriger Hocker, staubige Abendsonne. Tief durchatmen und die Ohren vom Druck befreien. Dann hörst du ihn wieder, diesen Sound, diese Lieder von ´Last Night Blues´. Alte Erinnerungen werden wieder wach, denn diese Lieder sind wie eine Erinnerungsreise. An Männer, die ihre Wunden nicht erklären müssen. An Nächte, in denen der Whiskey bitter schmeckte und das Herz schwer war. Zwei alte Originale – Lightnin’ Hopkins und Sonny Terry – treffen sich, wie zwei streunende Hunde vor einer Bar im Süden.
Lightnin’ Hopkins war nie der redseligste Typ, doch wenn er sprach, hörte man hin. Geboren 1912 in Centerville, Texas, an einem Ort so heiß und so vergessen wie die Musik. Lightnin’ Hopkins spielte Gitarre, als würde er mit ihr reden. Locker und direkt, wie jemand, der zu oft im Schatten seines Lebens stand, um noch groß zu beeindrucken. Sein Blues war sein Tagebuch, über einen Haufen Geschichten aus Zigarettenasche, Schuld und zu viel Liebe.
Sonny Terry, ein Jahr älter als Hopkins, war der andere Typ. Mit seiner Mundharmonika erzählte er Geschichten, die dir ins Herz gingen. Er verlor sein Augenlicht mit 16 und fand Zuflucht in der Musik. Sein Stil war wild und leidenschaftlich. Als würde ein Zug durch dich hindurchrasen, wenn er loslegte. Sonny Terry hatte diese fieberhafte Energie, die einen zum Schreien, Lachen oder Weinen brachte – alles gleichzeitig. Wenn Lightnin’ Hopkins der Geschichtenerzähler war, dann war Sonny Terry derjenige, der im Hintergrund alles kommentierte.
Dann gab es diesen Tag im Oktober 1960. Lightnin’ Hopkins und Sonny Terry trafen sich im Studio in New Jersey, Rudy Van Gelder am Mischpult war auch dabei. An diesem Tag gab es keinen Jazz, nur Blut, Schweiß und Holz. ´Last Night Blues´ wurde aufgenommen. Acht Songs. Keine Spielereien, keine Tricks. Einfach zwei Kerle in Begleitung einer Rhythmusgruppe aus Bass und Drums, Leonard Gaskin und Belton Evans. Dabei entstand ein Sound wie ein alter Pickup, der sich trotzdem seinen Weg durch den Schlamm bahnt. Sonny Terry pfiff, bellte und weinte auf seiner Harp, als würde er den Himmel um Regen anflehen. Lightnin’ Hopkins’ Stimme klang trocken und ehrlich, seine Gitarre wie ein Herz, das viel durchgemacht hatte, unwahrscheinlich traurig, aber klar und voller Charakter.
Titel wie ´Rocky Mountain´, ´Got To Move You Baby´ oder ´Take A Trip With Me´ sind keine einfachen Songs. Das sind Geschichten aus einem Leben ohne Filter. ´So Sorry To Leave You´ ist der Moment, wenn der letzte Zug nachts abfährt und du alleine dastehst. ´Lightnin’s Stroke´ lässt Hopkins für einen Augenblick vergessen, dass der Blues traurig sein soll. Das Ding groovt, als hätte man zu viel Rum und zu wenig Reue. Und ´Hard To Love A Woman´ lässt jeden wenigstens ein bisschen mitnicken, oder du wurdest nie geliebt oder nie verlassen.
´Last Night Blues´ beweist, dass zwei Männer mit Lebenserfahrung mehr Gefühl herbringen können als eine ganze Spotify-Playlist. Genauso persönlich und gut wie ein Gespräch um Mitternacht, wie ein Kribbeln im Fuß, wenn der erste Akkord kommt. Und anstatt einer Spotify-Playlist gibt es die Scheibe gepresst auf schwerem 180g Vinyl, wo sie bei „Quality Record Pressings“ keine Platten machen, sondern Kunstwerke.
All-analog bearbeitet von Matthew Lutthans, der nicht auf Lautstärke, sondern auf Gefühl setzt. Kommt im traditionellen Cover, nicht in diesem Glanzpapier, das man nach ein paar Monaten wegwirft. Das ist Musik, die du auflegst, wenn du mal alleine bist. Oder betrunken. Oder ehrlich.
Du holst die Scheibe raus und es riecht nach dem Soundstore im Sommer ’71. Dann legst du die Nadel auf und da ist er wieder, der Dreck, der Schweiß, das Glasklirren im Hintergrund. Lightnin’ Hopkins’ Gitarre klingt frisch, und Sonny Terrys Harp schneidet durch die Luft. Da ist ein schmerzhafter Ton mehr wert als zehn perfekte, die nichts bedeuten.
Aktuell wird ´Last Night Blues´ in der neuen, von „Craft Recordings“ und „Acoustic Sounds“ aus der Taufe gehobenen „Bluesville Acoustic Sounds Series“ wiederveröffentlicht.
Das Vinyl erscheint samt Obi-Streifen für den Sammler in einer unglaublich beeindruckenden Pressung.