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VOLKER KRIEGEL – Inside: Missing Link

~ 1972/2023 (MPS) – Stil: Fusion/Jazz ~


Volker Kriegel gehörte in den Siebziger- und Achtzigerjahren zu den bekanntesten Musikern des Jazzrock. Der in Darmstadt geborene Autodidakt an der Gitarre fasste in den Clubs von Wiesbaden und Mainz schnell Fuß und spielte bereits in den Sechzigerjahren in den Frankfurter Clubs mit Albert und Emil Mangelsdorff. Er musizierte alsbald im Quartett von Klaus Doldinger, bei den SWINGING OIL DROPS und der SOUND CONSTELLATION, ehe er mit dem bekanntesten deutschen Ensemble, dem DAVE PIKE SET, zum Berufsmusiker aufstieg. In seinem späteren Leben sollte der begabteste Gitarrist seiner Zeit noch Zeichner, Cartoonist, Schriftsteller, Autor, Filmregisseur, Radiomoderator und Plattenfirmenbesitzer werden.

Ende der Sechzigerjahre gründete Volker Kriegel das erste VOLKER KRIEGEL QUARTETT und galt seit seinem Auftritt mit dem VOLKER KRIEGEL TRIO auf dem 11. Deutschen Jazzfestival in Frankfurt sowie seinem 1968er Debüt ´With A Little Help From My Friends´ als „Deutschlands Jazz-Gitarrist Nummer eins“. Er konnte bahnbrechend und abenteuerlich, melodisch und folkloristisch aufspielen, er war der Souverän an der akustischen und elektrischen Gitarre. Als seine frühen Meisterwerke gelten unumstritten seine zweiten und dritten Studioaufnahmen unter eigenem Namen, ´Spectrum´ aus dem Jahre 1971 und insbesondere ´Inside: Missing Link´ aus 1972.

Die legendäre Doppel-LP ´Inside: Missing Link´ nahm Volker Kriegel vom 20. bis 23. März 1972 im Tonstudio Walldorf mit der Crème de la Crème deutscher und britischer Jazz-/Fusion-Künstler im Vorfeld des 13. Deutschen Jazz-Festivals Frankfurt auf.

 

 

Am 20. und 21. März 1972 fand die erste Session mit John Taylor (Hohner Electra Piano), Eberhardt Weber (Bass), Cees See (Percussion, Flöte, Effekte), John Marshall (Schlagzeug) sowie erstmals mit Bläsern, mit Heinz Sauer (Tenor-Saxofon), Alan Skidmore (Sopran- & Tenor-Saxofon) und Albert Mangelsdorff (Posaune) statt, und verwirklichte für das erste Vinyl eine grandiose Mischung aus viel Jazz und etwas Rock.

Das 13-minütige ´Slums On Wheels´ birgt ein heißes Wechselspiel zwischen den Bläsern und der filigranen Gitarrenarbeit. Wenn das Posaunen-Solo von Albert Mangelsdorff ansetzt und sich der jubelnde Sopran des Saxofonisten Alan Skidmore anschließt, lodert die Komposition erst so richtig auf, verfängt sich in kleinen Spielereien, auch von Bassist Eberhardt Weber, und wird von John Taylors E-Piano wieder zu den Bläsern geschoben. Zum lässigen Rhythmus von ´The „E“ Again´ erschaudert sodann fortwährend das Saxofon in wonniger Disharmonie, so dass sich gleichsam das E-Piano ausleben kann.

Ein Hauch von Weltmusik umweht das 10-minütige ´Zanzibar´, bei dem die Gitarre ihre Vorstellung von Melodie verbreitet und die Bläser zum tribalhaften Groove einsetzen, mit Tenor-Saxofon-Soli von Alan Skidmore und Heinz Sauer. Durch eine längere Improvisation beginnt sich der 12-minütige ´Missing Link´ zum Abschluss der B-Seite von Disc 1 erst langsam aufzubauen. Der Bass und die Bläser übernehmen derweil die Führung, ehe sich die Gitarre im Mittelpunkt suhlen kann. Nochmals spielen die Bläser dissonant auf, das Schlagzeug überschlägt sich und die Gitarre kommt abermals aus dem Nichts ins Blickfeld zurück, damit am Ende alle in sensationeller Instrumentaldarbietung die Titel-Melodie gemeinsam zelebrieren können.

 

 

Am 22. und 23. März 1972 fand die zweite Session mit John Taylor (Hohner Electra Piano), Eberhardt Weber (Bass), Cees See (Percussion, Flöte, Effekte) und Peter Baumeister (Schlagzeug) statt, und ermöglichte ohne Bläser für das zweite Vinyl die Gitarre von Volker Kriegel in den Mittelpunkt zu rücken und seine gewohnt natürlichen Anklänge an Folk und Beat zu integrieren.

Das schnelle ´Für Hector´ wird vom farbenreichen Gitarrenspiel geprägt und nur kurz vom souligen E-Piano in seiner Führungsrolle abgelöst. Noch leichter schwebt ´Remis´ durch diesen Jazz der frühen Siebzigerjahre samt der Leichtigkeit des Südens, demgegenüber das 10-minütige ´Tarang´ aus der Feder von Bassist Eberhardt Weber mit exotischen und indischen Tonschönheiten anbandelt, in denen sich die Gitarre frei entfalten kann.

Nochmals mit hohem Puls spielt die großartige Melodie eines ´Lastic Plemon´, samt Tastensolo durch John Taylor, richtig drängelnd auf und auch ´Plonk Whenever´ schnellt geradezu in aller Hektik im Free Jazz umher. Die melancholische Ballade ´Janellas Abertas´ des brasilianischen Songwriters Caetano Veloso strahlt wiederum Behaglichkeit aus. Bei aller Wonne enthüllt allerdings ´Definitely Suspicious´ zum Abschluss der B-Seite von Disc 2 eine besonders grandios flehende Melodie für einen echten Jazz-Standard.

´Inside: Missing Link´ füllt die gesamte Bandbreite vom pompösen und klassischen Jazz bis zum Fusion Rock und seinen Grenzüberschreitungen aus. Das 2023er, von den Original-Master-Tapes remasterte 180g Doppel-Vinyl dieses Meisterwerkes ist die erste offizielle Wiederveröffentlichung seit fünf Dekaden und für Fusion-, Jazz Rock- und Progressive Rock-Liebhaber unverzichtbar.

(Klassiker)

 

 

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