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P’COCK – The IC Years – The Prophet & In’cognito

~ 1980/1981/2023 (MiG Music) – Stil: Progressive Electronic ~


Nicht vom Tellerwäscher zum Millionär, sondern vom gefeierten Musiker zum Koch – das ist die verrückte Geschichte von Tommy Betzler, die 1975 mit Gründung der Gruppe PEACOCK beginnt.

Die junge Band tourt mit ihrem elektronischen Progressive Rock durch das erweiterte Rhein-Main-Gebiet und nimmt alsbald ein Demotape auf, das allerdings bei keiner Plattenfirma Anklang findet und somit zur Auflösung der Gruppe führt. Allein Klaus Schulze scheint begeistert. Der Elektronik-Pionier nimmt die Gruppe für sein neues Label „Innovative Communication“ unter Vertrag und produziert ihre ersten beiden Scheiben.

Die Mischung aus Rock-Elementen und Synthesizer-Klängen ist in jenen Tagen noch frisch. Da die Gruppe PEACOCK jedoch zu diesem Zeitpunkt nicht mehr besteht, muss sich Tommy Betzler (Drums, Percussion) neue Mitmusiker suchen, die er in Peter Herrmann (Keyboards, Synthesizer), Joachim Albrecht (Gitarre), Axel Krause (Bass) sowie Utz Bender (Gesang, Keyboards) findet.

Das erste Album ´The Prophet´ wird 1980 zeitgleich mit IDEAL im „Panne-Paulsen-Studio“ in Frankfurt-Bockenheim, das zweite Album ´In’cognito´ 1981 im Studio von Klaus Schulze in Winsen aufgenommen. Seit ihrem Debüt firmiert die Gruppe allerdings unter dem Namen P’COCK, weil eine Band mit ihrem Namen bereits existiert.

Zwischen diesen beiden Scheiben führt Tommy Betzler mit Klaus Schulze bei der „Ars Electronica“ die ´Linzer Stahlsinfonie´ vor und spielt mit Klaus Schulze sowie Manuel Göttsching an der Gitarre ein Konzert in Brüssel. Der große Erfolg für die innovativen P’COCK bleibt hingegen aus. Ein drittes, poppiges Album wird ohne Tommy Betzler und Produzent Klaus Schulze eingespielt, ehe sich die Pforten endgültig schließen.

Tommy Betzler geht als Roadie auf Tournee und tauscht bald seine Trommelstöcke gegen Kochlöffel ein. Er wird Koch und bewirtet als Caterer hinter der Showbühne berühmte Musiker aus aller Herren Länder. Den Weg zur Musik findet er dennoch wieder. Er wird von Thorsten Quaeschning (TANGERINE DREAM) zu dessen PICTURE PALACE MUSIC-Projekt eingeladen und gründet mit Michael Brückner P’FAUN. Bis heute ist er ein Bestandteil der jungen elektronischen Musikszene.

Seine beiden Alben mit P’COCK sind mit ihrer spacigen Elektronik und ihren proggigen Rock-Elementen natürlich längst zum Kult erkoren worden, so dass es nicht verwunderlich ist, die sogenannten „Innovative Communication“-Jahre von P’COCK ´The Prophet & In’cognito´ via „MiG Music“ wiederveröffentlicht zu sehen. Die spannende Mischung der Berliner Schule mit sinfonischem und progressivem Rock funktioniert bei allem Retro-Wahn selbst Dekaden später immer noch. Die Synthesizer schwelgen im Bombast und erhalten ihre Kraft durch den rockigen Rhythmus, damit darüber der Synth-Pop-Gesang bestehen kann.

Dennoch standen P’COCK von Beginn an zwischen den Stühlen, für den Progressive Rock waren sie zu poppig und für den Synth-Pop zu experimentell. Bewunderer des Old-School-Synthesizer-Sounds lieben P’COCK freilich noch heute.