PlattenkritikenPressfrisch

SWANS – The Beggar

~ 2023 (Mute) – Stil: Post-Rock/No Wave/Doom/Experimental ~


Als 2020 aufgrund der Covid-19-Pandemie ihre Tournee abgesagt wurde, war es für die SWANS resp. Mastermind Michael Gira geradezu unumgänglich einen Neustart zu machen. Einerseits musste er neue Musiker um sich scharen, außerdem mangelte es vor allem an Geld, um seine neuesten Songs produzieren zu können. Um die Sessions zu finanzieren, veröffentlichte Gira schließlich letztes Jahr ein akustisches Demoalbum mit dem Titel ´Is There Really A Mind?´, im Zeitalter des Crowdsourcing hatte er also mit reiner Willenskraft ein weiteres SWANS-Album ermöglicht.

Mit ´The Beggar´ erhalten wir nun die endgültigen Versionen derselben Songs – und ganze 121 Minuten lang SWANS! Jedem, der ´The Beggar´ tatsächlich komplett durchsteht, gilt mein Respekt, aber gerade dieser abendfüllende Ansatz ermöglicht eben auch ungemein viel Raum für ausgedehntes Experimentieren, und man vernimmt Gira & Co. hierbei am fortwährenden Umherwandern und Erkunden.

Der Ton des Albums ist insgesamt ungemein düster, geheimnisvoll und nachklingend, und Songs wie der erste Doppelschlag mit ´The Parasite´ und ´Paradise Is Mine´ gleiten und kriechen in gemächlicher Art und Weise und nehmen Elemente aus Noir-Filmen, Ragtime-Jazz, Doom und No Wave auf. Giras klappriger Bariton ist so träge und schleppend wie eh und je, und als eine Kombination aus eindringlichem Erzähler und Vorbote des Untergangs zieht sich sein charakteristisches, unheilvolles Geschrei durch die scheinbar endlosen Lieder.

 

 

´The Beggar´ trägt jedenfalls mehr als jeder seiner Vorgänger ein Herz auf dem Ärmel und im reifen Alter von 69 Jahren wandelt sich Giras Beschäftigung mit dem Tod stetig vom Tagtraum zur Realität – was einst ein universelles Anliegen war, ist jetzt weit persönlicher, da für ihn das große Jenseits immer näher rückt. Giras existentielle Abrechnung wird somit eingesetzt, um ein relativ zusammenhängendes Ganzes zu erschaffen, und die daraus resultierende Flut an Musik ist einfach mal wieder überwältigend und einfach nur fantastisch!

´Michael Is Done´ etwa erwacht mit sanften, unsicheren Tremolo-Gitarren zum Leben und schafft einen relativ treffenden Übergang in den die Himmelstore öffnenden Mittelteil, der sich über viele herrliche Minuten erstreckt.

´The Beggar Lover (Three)´ ist dann eine 43-minütige Odyssee durch eine Art albtraumhaftes Ödland, komplett mit Kirchenglocken, Schreien, Drones, Trommelfeuer, Tod und Lärmböen versehen, und es ist das ehrgeizigste und filmischste Lied, das SWANS jemals geschrieben haben.

Wenn man es denn tatsächlich bis zum Ende des Albums geschafft hat, so wartet dort ein letzter Höllenritt in Form des Raga-Rock-Stücks ´The Memorious´ – und wenn unser Hirn nicht bereits durch die endlosen Wiederholungen, zufälligen Geräusche und seltsamen Terrains dieses zweistündigen Tauchgangs in die Tiefen des Hades verbrannt ist, bietet es den finalen Absturz in den Abgrund. Michael Gira ist eben nach wie vor The Real Devil`s Advocate!

(9 Punkte)

https://www.facebook.com/SwansOfficial