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IGGY POP – Every Loser

~ 2023 (Atlantic/Warner) – Stil: Punk/Rock ~


Während die Welt ohne Not im Chaos versinkt, hält sich Iggy Pop mit seinen 75 Jahren immer noch über Wasser und gibt ein mehr als erstaunliches, oberkörperfreies Lebenszeichen von sich. Sein 32-jähriger Produzent/Gitarrist Andrew Watt (Ozzy Osbourne, Justin Bieber, Miley Cyrus) schrieb mit ihm nochmals solche Lieder, die Muskeln wieder hart und Höschen feucht werden lassen. Daher ist das 19. Studioalbum des US-amerikanischen Proto-Punkers die äußerst geglückte Songsammlung eines wütenden und alten weißen Mannes geworden.

Der heimliche Titelsong ´Frenzy´ ist wild und zügellos, streckt gemeinsam mit Bassist Duff McKagan von GUNS ’N ROSES und Schlagzeuger Chad Smith von den RED HOT CHILI PEPPERS den blanken Hintern ganz hoch in die Luft und besitzt eine Ohrwurm-Melodie wie sie von den Alt-Rockern meist nur ALICE COOPER fürs Stadion im Gepäck dabeihaben, schlicht Aggro-Rock der Marke Iggy Pop.

Im hemmungslosen Rotz’n’Roll von ´Modern Day Ripoff´, mit Garagen-Gitarre und Stakkato-Klavier, bleibt er selbst im soundsovielten Jahr den STOOGES auf den Fersen. Für die kleine Spoken Word-Performance ´The News For Andy´ setzt Iggy sogar nach vielen Dekaden eine Idee von Andy Warhol um. Dieser hatte ihm vorgeschlagen, für einen Song einfach einen Artikel aus der Zeitung vorzulesen. Also liest Iggy in ´The News For Andy´ schlichtweg einige Sätze aus Werbeflyern vor, die im Studio für gewöhnlich herumfliegen.

In der Finsternis singt er dagegen mit dicker Lippe die Schritte eins, zwei und drei, mit denen sich ´Strung Out Johnny´ in die Scheiße reitet, in ´The Regency´ sogar beinahe wie Billy Idol zum Aggro-Pop, mit Taylor Hawkins am Schlagzeug und Gitarrist David Navarro von JANE’S ADDICTION, und versucht mit ´All The Way Down´ abermals das Biest in sich zu wecken, samt Gitarrist Stone Gossard von PEARL JAM. Die Welt aus der Sicht eines Punks, der alles als ´Neo Punk´ und Mainstream-Verwässerung ansieht, tönt dementsprechend im wilden Pop-Punk mit Travis Barker von BLINK-182 aus den Boxen.

Es gibt jedoch auch liebliche Melodien, etwa die melancholische Ode an Miami über ´New Atlantis´, die wunderbar niedergeschlagene und deprimierte Crooner-Ballade ´Morning Show´ oder das mit Taylor Hawkins fröhlich zur hyperventilierenden Pop-Melodie marschierende ´Comments´ über die Sozialen Medien und den allgemeinen Ausverkauf der Stars.

Der beste Iggy Pop seit ´American Caesar´ (1993) oder mindestens seit ´Post Pop Depression´ (2016) kennt allerdings keinen Schlussverkauf. Der „Godfather of Punk“ wird das Jahr 2023 unablässig rocken.

(Muskulöse 8 Punkte)

 

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