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JOZEF VAN WISSEM – Nosferatu: The Call Of The Deathbird

~ 2022 (Incunabulum Records) – Stil: Neo Classical/Ambient/Drone ~


1922 erschien der Stummfilm „Nosferatu“ von Friedrich Wilhelm Murnau. In fünf Akten adaptierte er Bram Stokers „Dracula“-Roman und erzählte die Geschichte des Grafen Orlok, der als „Nosferatu“, Vampir aus den Karpaten, Schrecken über die Stadt Wisborg und ihre Bewohner bringt. Die Filmmusik schrieb Hans Erdmann. Er ließ allerdings keine unmissverständlich makabren Schockelemente einfließen, sondern eine gewisse Naturverbundenheit.

Da die Originalpartituren der Filmmusik nicht erhalten geblieben sind, verfasste bereits 2003 der Spanier José María Sánchez-Verdú einen neuen Soundtrack. Dagegen rekonstruierten Hans Brandner und Marcelo Falcão 2018 die Musik von Hans Erdmann aufs Neue. Wiederholt fanden auch Improvisationskonzerte zur Untermalung des Films statt.

 

 

2022 beauftragte „La Cinémathèque Française“ in Paris den niederländischen Avantgarde-Komponisten und Lautenisten Jozef van Wissem, eine neue Partitur für eine restaurierte Version von „Nosferatu“ zu komponieren. Seine weltweit anerkannte Reputation erlangte Jozef van Wissem durch seine Arbeiten mit dem Kultregisseur Jim Jarmusch. Er werkelte daneben bereits mit Zola Jesus und Tilda Swinton.

Da die Uraufführung der Neupräsentation von „Nosferatu“ ein derart großer Erfolg wurde, arbeitete Jozef van Wissem seine größtenteils improvisierten Vorträge aus und fasste sie als Studioalbum unter dem Titel ´Nosferatu: The Call Of The Deathbird´ zusammen, von Akt 1 bis Akt 5. Aufgrund der wiederholten Aufführungen entstanden zu den einzelnen Akten einzelne Kompositionen, angereichert mit Field Recordings und Beschwörungsritualen.

Jozef van Wissem verband sein barockes Lautenspiel mit den verzerrten Klängen von Vogelgesang, deren Ursprünge auf eine alte 7-Zoll-Single mit Aufnahmen von ausgestorbenen Vögeln zurückgehen, die er auf einem Rotterdamer Markt erstand. Dementsprechend ergab sich der Untertitel „The Call Of The Deathbird“, der einige Male im Film vorkommt.

Fliegt dann der Vogelgesang durch die Lautenkammer von ´Nosferatu: The Call Of The Deathbird´, hallen nur noch gespenstische Resonanzen durch den Klangraum. Die hart angeschlagenen Lautenklänge versetzen den Hörer bereits zu ´Akt 1´ in Hypnose, ehe zu den Lautenklängen in ´Akt 2´ das Vogelschwirren und Drones hinzutreten. Als weitere Triebfeder stößt im ´Akt 3´ in aller Leichtigkeit eine psychedelische Ader hinzu, ehe im ´Akt 4´ die Verzerrungen und Drones in aller Düsternis zunehmen und Wellen der Beklemmung auslösen. Der finale Akt tönt in seinem Intro noch in aller Friedfertigkeit, wenn die Saiten zu den Vogellauten erschallen, doch in ´Akt 5´ dröhnen die Klänge vollends im Kosmos des Unheils. Nach achtzehn Minuten, ein letzter Drone, ein letztes Zwitschern, ist der letzte Akt und das makabre Schauspiel vorbei.

Indem sich Jozef van Wissem ganz auf sein Improvisationsgespür verlässt, erschafft er etwas völlig Neues, das sich von seinen Vorläufern, von POPOL VUH bis James Bernard, abhebt. ´Nosferatu: The Call Of The Deathbird´ kommt Lautenklängen in einem Mysterium und Vogelstimmen im Grausen der Nacht sehr nahe.

 

https://jozefvanwissem.bandcamp.com/album/nosferatu-the-call-of-the-deathbird-2
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Pic: Teemu Nordland