~ 2022 (Capitol/Universal Music) – Stil: Rock ~
Ungeachtet der Tatsache, dass die BEACH BOYS im Jahre 1971 wieder große Erfolge feiern konnten, schien die Gruppe in ihrem Innersten nur noch von den Interessen der einzelnen Bandmitglieder geleitet. Selbst zu Konzerten reisten sie getrennt an und nutzten verschiedene Bühneneingänge.
Da Dennis Wilson die Band fortwährend verließ, übernahmen Schlagzeuger Ricky Fataar und Gitarrist/Bassist Blondie Chaplin auch seine Aufgaben im Studio. Beide stammten von BEACH BOYS‘ ständiger Vorgruppe, den südafrikanischen THE FLAMES, die Carl Wilson in London entdeckt hatte. Zur Belebung der Bandsituation wurden sie schließlich im Februar 1972 offiziell in die Formation aufgenommen.
Zusammen mit Brian Wilson, Carl Wilson, Dennis Wilson, Mike Love und Al Jardine nahmen sie zwischen Dezember 1971 und April 1972 das 18. Studioalbum auf, überwiegend in Brian Wilsons Haus. Brian hing jedoch in der Zeit lieber mit Produzent Tandyn Almer ab und war mit der Produktion des Debüts von AMERICAN SPRING beschäftigt, seine Drogenabhängigkeit und seine Depressionen nahmen ebenfalls langsam überhand. Gleichwohl stammten drei der wohl wichtigsten Songs des Werkes aus seiner Feder.
Der Gruppenname BEACH BOYS tauchte allerdings bei der Erstveröffentlichung gar nicht auf dem Coverartwork auf. CARL AND THE PASSIONS stand auf diesem und zwar in Bezug zu Carls Highschool-Rockband, THE PASSIONS. Zudem spielte der Titel auch auf die stärkere Rolle von Carl Wilson im Bandgefüge an, der als einziger an allen Songs beteiligt war.
Aber seit ihrem Nicht-Auftritt beim „Monterey Pop Festival“ und dem Debakel um das Nichterscheinen von ´Smile´ schien ihnen die Öffentlichkeit immer weniger zugeneigt, so dass auch Carl And The Passions – „So Tough“ nicht mit Begeisterung aufgenommen wurde. Dennoch avancierte die Scheibe innerhalb der letzten Dekaden zu einem kultig verehrten Werk, dank solcher Höhepunkte wie ´You Need A Mess Of Help To Stand Alone´ und der Rolling Stones-Verehrung ´Marcella´, beide von Brian Wilson, dem kleinen Schmuckstück ´All This Is That´ von Carl Wilson, ´Here She Comes´ oder ´Cuddle Up´.
Der Wahnsinn nahm allerdings erst im Sommer 1972 so richtig Fahrt auf. Neuen Einfällen nachjagend, verteilten sich die Bandmitglieder der BEACH BOYS mit ihren Familien auf einige Dörfer in den Niederlanden und lernten Land und Leute kennen. Denn sie hatten bereits während ihrer letzten Europa-Tournee Ende 1970 das Land zu schätzen gelernt.
Ihre gesamte Studioeinrichtung aus Los Angeles ließen sie sich zerlegen und in den Ort Baambrugge bei Utrecht verschiffen, weil kein Studio in der Umgebung frei war. Dort in einer Scheune wieder aufgebaut, nahmen sie die ersten Ideen für das kommende Studio-Werk ´Holland´ auf, das sie jedoch nicht an Ort und Stelle vollendeten, sondern erst bei „Village Recorders“ in Los Angeles.
In Holland nahmen sie abermals weniger gemeinschaftlich auf. Brian verbrachte seine Tage lieber mit dem Trinken von Cider und dem Beobachten der Landschaft, und werkelte eher in der Nacht im hergerichteten Studio. Dennoch konnten sich die BEACH BOYS mit dem ersten Album ohne Bruce Johnston seit 1965 sowie dem zweiten und letzten mit Blondie Chaplin und Ricky Fataar nochmals steigern.
Angefangen beim fantastischen Opener ´Sail On Sailor´, einer hauptsächlich Brian Wilson/Van Dyke Parks zugesprochenen Komposition, bis zum Closer ´Funky Pretty´, ebenfalls in der Hauptsache von Brian Wilson, liefert das Werk einen kreativen Höhepunkt nach dem anderen. Die dreiteilige ´California Saga´ von Mike Love und Al Jardine gehört natürlich unbedingt dazu, mit Mike Loves wohl bester Gesangsleistung. Carl Wilsons großartiger Harmoniegesang auf ´The Trader´ kann ebenfalls nicht unerwähnt bleiben wie Dennis Wilsons Einzel-Beiträge, ´Steamboat´ und der Liebessong ´Only With You´. Ricky Fataar und Blondie Chaplin konnten dagegen nur ´Leaving This Town´ beisteuern.
Infolgedessen muss ´Holland´ als letztes großes Werk der BEACH BOYS angesehen werden, auch wenn alle Beteiligten kompositorisch und aufnahmetechnisch schon nicht mehr an einem Strang zogen. ´Love You´ aus 1977 war schließlich primär eine Soloscheibe von Brian Wilson.
50 Jahre später … Carl And The Passions – „So Tough“ sowie der Nachfolger ´Holland´ werden erstmals komplett remastered in dem Jubiläumspaket ´Sail On Sailor – 1972´ veröffentlicht.
Von Mark Linett und Alan Boyd produziert, enthält der Release nicht nur zahlreiche Bonus- und Live-Tracks, sondern auch die zu ´Holland´ gehörende Bonus-EP ´Mount Vernon And Fairway (A Fairytale)´.
Natürlich erscheint ein 5-LP+7“EP-Vinyl-Boxset, samt ungekürztem Carnegie-Hall-Konzert, eine 2-LP+7“-EP-Variante sowie eine 2-CD-Deluxe-Edition.
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