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HELL THEATER – S’Accabadora

~ 2022 (Wormholedeath) – Stil: Heavy Metal ~


Da ich in letzter Zeit relativ oft den KING und THEM gehört habe, fühle ich mich bei der Stimme von Victor Solinas, der Sirene von HELL THEATER sehr schnell heimisch. Zusammen mit Brian Steele (Rhythm & Lead Guitars), Bob Axx (Rhythm & Lead Guitars, Keyboards) und Unh Buryan (Drums) bildet er das im Veneto beheimatete Quartett. Dieses wird verstärkt durch Guh Luh, dem Live-Bassisten der norwegischen Black Metal-Truppe GORGOROTH. Die Combo existiert seit 2009. Nach dem 2012er ´Reincarnation Of Evil´ ist vorliegendes Werk das zweite Album.

Und was für eins. Auch wenn man hin und wieder an das Doppel ´Them´ und ´Conspiracy´ erinnert wird, sind die Italiener eigenständig genug, ihre eigene Spielart des Horror Metal zu spielen. Dabei spielen Epik und Theatralik eine gewisse Rolle. Das Ganze basiert auf einer Mischung aus klassischem 80er Metal mit einer Prise Thrash. dabei gehen HELL THEATER ziemlich abwechslungsreich und breaklastig zu Werke. Dann werden auch mal ein paar ruhige Momente eingebaut. Oder eine Orgel sorgt für Atmosphäre. Darauf thront dann Victor. Der schafft es, obwohl er gerne auch in diese Kopfstimmenregionen steigt, nicht als purer KING-Nachahmer zu wirken.

Insgesamt erzeugen die Theatermacher hier eine ziemlich gruselige Stimmung. Sie lassen Geister ziehen durch die ´Church Of St. Anthony´. Sie lassen sie tanzen in ´Mamuthones Dance´. (Verdammt, ich komme nicht drauf, woher ich das Riff kenne, ich grübel schon den ganzen Tag.) Und sie machen die Finsternis greifbar ´In The Dark Room´. Im ´Domus De Janas´ lassen sie dann den Höhepunkt stattfinden. Dieser Song ist der schwermetallische Gegenpart eines blutigen italienischen Horrorfilms als „Rosso Die Farbe des Todes“ war und ein Zombie am Glockenseil hing. Rasante Gitarrenduelle würzen das rasende ´Morte Be Thy Name´. Originell ist der 12-sekündige Track ´Traccia Vuota´. Nach dem ersten Hören, und wirklich erst danach, solltet Ihr Euch den Songtitel übersetzen lassen.

Worum es auf diesem Album geht? Eine ´S’Abbacadora´ ist eine legendäre Figur auf Sardinien. Ihr Name kommt vom sardischen „s’accabu“, „das Ende“. Eine S’Abbacadora ist eine Frau, die den Tod bringt. Liegt jemand im Sterben, ist jemand todkrank, dann kommt sie ins Haus. Schwarz gewandet, mit verhülltem Gesicht erscheint sie. Mit einem Hammer aus Olivenholz erschlägt sie ihr Opfer. Oder sie erdrosselt ihn. Bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts hielt man sie für real. Man machte mit ihr Angst, ähnlich wie zu meinen Kindertagen meine Oma noch vom Schwarzen Mann sprach. Andere Stimmen meinen, es ging um Sterbehilfe, gerade in abgelegenen Gegenden, um Menschen von ihrem Leiden zu befreien.

Allerdings fällt mir persönlich schwer, zu glauben, es gab sie wirklich. Sie waren wohl ähnlich real, wie Hexen im Mittelalter. Egal wie real sie waren, im Museo Etnografico Galluras in Luras kann der interessierte Besucher ihre Werkzeuge sehen und sich tiefer mit diesem Mythos befassen. Allerdings muss man dafür nach Sardinien reisen.

Oder, man genießt einfach dieses Album. Im vergangenen Oktober ist es in elektronischer Form erschienen und ist auf den meisten üblichen Portalen zu finden. Als CD wird ´S’Abbacadora´ noch im November erwartet. ´The Legend Will Never Die´. Und wenn Legenden, egal ob musikalisch oder filmisch oder literarisch, wiedergegeben werden, dann sterben sie erst recht nicht.

(8,5 Punkte)

https://www.facebook.com/helltheater

 

Accabadora im Museo Galluras, Luras