Livehaftig

HEAVY METAL MANIACS FESTIVAL

~ 21. & 22. Oktober 2022, P60 Amstelveen, Holland ~


Da ich bereits zum Heavy Metal Maniacs 2019 alles Wesentliche rund um dieses Festival geschrieben habe, steige ich zur Abwechslung mal gleich voll in das eigentliche Festival ein. Vorher nur noch kurz der Hinweis, dass auch im letzten Jahr ein kleines Festival u.a. mit BULLET aus Schweden, HAMMER KING aus Deutschland, SORTILEGE aus Frankreich und SACRILEGE aus dem Vereinigten Königreich stattfand, zu dessen Besuch ich mich allerdings nicht aufraffen konnte.

Das konnte ich aber wieder in diesem Jahr 2022, wo es zumindest auf dem Konzert- und Festival-Sektor nach zwei schweren Jahren der Pandemie wieder einigermaßen normal zugeht. (Darauf, dass viele kleine Festivals und Tourneen von Underground-Bands aufgrund schlechter Vorverkaufszahlen abgesagt werden müssen, will ich an dieser Stelle nicht eingehen. Die Gründe sind sicherlich vielfältiger Natur. Das Geld wird knapper, der Pandemieschock sitzt noch tief etc. Trotzdem appelliere ich an die Leser dieser Zeilen…kauft eure Karten, sofern es irgendwie geht, im Vorverkauf und erlaubt den Bands und Veranstaltern eine einigermaßen verlässliche Planung.)

 

 

In Zeiten von Social Media ist es eher ungewöhnlich, wenn man von einer jungen deutschen Band, die im Genre des Heavy Metal unterwegs ist, noch nichts gehört hat. Aber genau das ist beim Opener dieses Festivals der Fall. Eine Internetrecherche liefert dann aber dafür einen Teil der Erklärung, denn die erst im letzten Jahr in Leipzig gegründete Band FIRMAMENT hat scheinbar erst eine Single herausgebracht und das auch noch im digitalen Eigenvertrieb.

 

 

In Anbetracht dieser Tatsache ist man (also ich) dann doch ob der gehobenen Qualität des Fünflings überrascht. Gräbt man noch etwas tiefer, so bekommt man auch dafür eine Erklärung, denn drei Fünftel der Band führen das Erbe der in diesem Jahre zu Grabe getragenen und ebenfalls aus Leipzig stammenden TENSION fort. Schlagzeuger Jonas Zeidler kann zusätzlich auch noch für sich verbuchen, mit den Dresdenern ANGEL BLADE (jetzt ACID BLADE) auf deren Split mit VENATOR vertreten zu sein.

 

 

Wer mit den genannten Bands etwas anfangen kann, der weiß, wohin die Reise geht. Ein sehr solider Auftritt, der Spaß macht und musikalisch zwischen Hardrock aus den 70ern und dem NWoBHM zu verorten ist, worauf auch die langen Koteletten und der (derzeit scheinbar wieder in Mode befindliche) Schnurbart des Bassers Stefan Deutsch hindeuten. Auch die an diesem Abend gespielte Coverversion von ´Outlaw´ ist ein Fingerzeig in die richtige Richtung. Wenn schon RIOT V diesen Song nicht mehr auf ihrer Setlist führt (zumindest war das beim diesjährigen Keep It True Rising II der Fall) dann muss dieser eben von einer Band aus Leipzig nachgeliefert werden.

 

 

Da der erste Festivaltag de facto nur ein halber ist, beginnt bereits nach dem Tagesopener das große Finale bestehend aus dem Doppelpack, dessen kleine Tour durch Deutschland und die Beneluxstaaten hier und heute beginnt. SATAN waren zwar bereits vier Wochen zuvor auf der zweiten Ausgabe des Keep It True Rising zu sehen gewesen, aber bei PORTRAIT ist es in der Tat schon eine ganze Weile her, dass ich sie live genießen durfte. Allerdings kommt es mir bereits von Anfang an so vor, als wäre es erst gestern gewesen.

 

 

Sänger Per Lengstedt legt gleich los wie die Feuerwehr und auch der Rest der Band, darunter der Neuzugang Karl Gustafsson an der Gitarre, lässt nichts anbrennen und spielt äußerst tight auf.

 

 

Ich hatte mich nach der sehr guten letzten Scheibe, von der sie auch drei der insgesamt acht Stücke spielen, auf den Auftritt von PORTRAIT gefreut und werde nicht enttäuscht. Ein klasse Gig, der nun noch schwer zu toppen ist. Aber es kommt ja noch SATAN…

 

 

Wer SATAN in letzter Zeit gesehen hat, der weiß, dass die Band in der Form ihres Lebens ist und auch sichtlich Spaß auf der Bühne hat. Das muss auch so sein, denn ansonsten wären auch nicht vier so überaus starke Scheiben möglich gewesen, wie sie die Band in den letzten neun Jahren unter das Volk gebracht hat. Schaut man sich Russ Tippins mit seinen fast 60 Jahren an, so muss die Mitwirkung bei SATAN wie ein Jungbrunnen sein, oder sie sind wirklich mit dem Gehörnten im Bunde. Es ist wirklich kaum zu glauben, dass die Band in dieser Formation seit dem Debüt von 1983 zusammenspielt und der besagte Russ sowie Bassist Steve Ramsey sogar Gründungsmitglieder aus dem Jahre 1979 sind.

 

 

Ich bin durch ihren besagten und lediglich einen Monat zurückliegenden Auftritt einigermaßen auf das vorbereitet, was kommen sollte und ich werde nicht enttäuscht. SATAN sind heutzutage einfach eine Bank und ich kann im Nachhinein nicht einmal sagen, ob einer der beiden Gigs besser war als der andere. Was soll aber auch über dem „Non Plus Ultra“ kommen?

 

 

Der zweite Tag des Festivals wird von den mir bislang völlig unbekannten SHUULAK eröffnet, die sich 2014 in Breda zusammenfanden. Ersteres mag daran liegen, dass ihre ersten vier EPs ausschließlich digital erschienen sind und erst im letzten Jahr eigenverantwortlich ein physischer Tonträger in Form einer CD herausgebracht wurde. Diese enthält neben jenen vier EPs auch einen neuen Song namens `Rebis´, nach welchem das Album benannt worden ist.

Bei dem Bandnamen (Shuulak bezeichnet einen babylonischen Dämon) hätte man möglicherweise eine Vermutung darüber anstellen können, in welche Richtung ihre Musik tendiert und nachdem die Band die Bühne entert, wecken deren äußeres Erscheinungsbild und die ersten angestimmten Töne auch sofort eine gewisse Skepsis in mir. Allerdings wären die Maniacs nicht die Maniacs, wenn sie sich bei der Auswahl der Bands auf ihrem Festival nicht im Wesentlichen auf solche aus dem Bereich des klassischen Heavy Metal beschränken würden.

 

 

Und so entwickeln sich SHUULAK im Laufe ihres Auftritts zu einem mehr als interessanten Act, der zwar eindeutige okkulte Elemente beinhaltet und mit tiefgestimmten Gitarren aufwartet, im Wesentlichen aber im Bereich des klassischen Heavy/Power-Metal beheimatet ist. Einen nicht unwesentlichen Teil ihrer Individualität bezieht die Band aber aus ihren Mitgliedern, allen voran Sänger Bastien Baron, der nicht nur durch sein exaltiertes Auftreten und seine Körperbemalung im Vordergrund steht, sondern auch mit seiner Stimme zu überzeugen weiß.

 

 

Aber auch die beiden Damen an Leadgitarre und Bass agieren als Blickfang, wobei insbesondere die barfüßig auftretende und erst im letzten Jahr dazugestoßenen Bassistin Pien de Beer mit ihren auffälligen Tattoos dazu beiträgt. Kein Wunder, dass sie ebenfalls Eigentümerin eines Tattoo- und Piercingstudios ist. Es soll aber an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben, dass beide nicht nur Blickfang sind, sondern auch jeweils ihre Instrumente beherrschen, was ja als Musiker nicht ganz unwichtig ist.
In Summe also eine Band, bei der es sich lohnt, nochmals genauer in ihr Werk reinzuhören.

 

 

Mit LIONS PRIDE betritt eine Band die Bühne, die zusammen mit Bands wie OSTROGOTH, CROSSFIRE oder ACID als belgisches Urgestein in Sachen Heavy Metal bezeichnet werden können, denn schließlich erschien bereits 1984 ihr Debüt ´Breaking Out´…natürlich auf „Mausoleum Records“. Ich vermute aber, dass ohne das kurz vor dem Festival durch „Lost Realm Records“ herausgebrachte Re-Release wohl kaum jemand diese Band auf dem Schirm hätte. Das wäre auch wenig überraschend, denn diesem Debüt folgte keine weitere Veröffentlichung und die Band löste sich bereits 1987 wieder auf. Nach einem kurzen Intermezzo 2012 im Original-Line-Up, tat man sich 2018 erneut zusammen und legte 34 Jahre nach dem Debüt ein Live-Album nach.

 

 

Von der Originalbesetzung stehen an diesem Abend aber nur noch Leadgitarrist Benito Boccasile und Sänger Willy Beckers auf der Bühne. Letzterer verfügt über eine kraftvolle tiefe Stimme, die gerne mit der von Ronnie James Dio verglichen wird, was mir jedoch völlig unverständlich ist. Ansonsten orientiert sich die Musik, da sie aus der ersten Hälfte der 80er entstammt, wenig überraschend am klassischen NWoBHM, also ohne Speed oder Poweranleihen, wie die oben genannten Bands aus dem gleichen Lande. Ordentliche Hausmannskost, die man sich sehr gut mit einem Bier in der Hand anhören kann, bei der einem aber direkt nach dem Gig nichts so richtig im Ohr hängen geblieben ist.

 

 

Keine Ahnung, ob es an der Uhrzeit liegt und ein Großteil der Besucher sich um ihr leibliches Wohl kümmern, oder ob der Power Doom der Schweden MEMORY GARDEN den vor allem auf klassischen Heavy Metal der 80er Jahre ausgerichteten Musikgeschmack der Maniacs nicht optimal trifft, aber als die Band kurz nach 18 Uhr die Bühne betritt, haben sich die Reihen nach den vorangegangenen Belgiern doch merklich gelichtet.

 

 

Auch wenn ich dadurch natürlich einen ungestörten und optimalen Blick auf die Bühne genieße, empfinde ich das als schade, bedauere es sehr und leide ein wenig mit der Band mit. Mit ihrer neuen, acht Jahre nach dem letzten Album erschienenen sehr starken Scheibe ´1349´ im Gepäck und ihrer individuellen Spielstärke, hätten sie wahrlich mehr Zuspruch vom Publikum verdient. Trotz aller Professionalität merkte man der Band, allen voran Sänger Stefan Berglund, dann nämlich doch die Enttäuschung über den recht leeren Saal an. Ich für meinen Teil gebe alles, was dieser mit einem Lächeln in meine Richtung quittiert. Ich wünsche der Band bei zukünftigen Auftritten volle Häuser. Sie haben es verdient.

 

 

Auch einem Auftritt von BAPHOMET konnte ich bereits vor wenigen Wochen auf besagtem Keep It True Rising II beiwohnen. Dort trat die Band de facto gleich zwei Mal auf, nämlich zusätzlich auch noch als TYTAN. BAPHOMET ist aber nur die Kurzform des Bandnamens, welcher korrekt und in voller Länge KEV RIDDLES BAPHOMET lautet. Besagter Kevin „Skids“ Riddles gehörte nun aber in grauer Vorzeit jener Formation als Bassist an, mit welcher ANGEL WITCH ihr erstes Demo im Jahre 1977 aufnahm und auf welchem sich auch ein Stück namens ´Baphomet´ befindet, welchem der Band ihren Namen verdankt. Auch auf dem legendären und gleichnamigen Debüt ist Kev noch zu hören, bevor er dann bereits im Jahr 1981 die Band verließ und TYTAN gründete. Deren aktuelle Besetzung stimmt praktischerweise, mit Ausnahme des dortigen Keyboarders, mit der aktuellen von BAPHOMET überein. Von ANGEL WITCH hat nun Kev das Recht erhalten, die Songs aus seiner Zeit live zum Besten zu geben, was den Veranstaltern vermutlich günstiger kommt, als das Original anzuheuern. Aber Kevin und seine Jungs, allen voran Tony Goldham, der auch als Sänger von THE DEEP und DEEP MACHINE bekannt ist, machen das gar nicht schlecht und das Gefühl einer besseren Cover-Band beizuwohnen schleicht sich so gar nicht erst ein.

 

 

Auch die Menge ist ob der Darbietung sehr angetan und singt jeden Song des Debüts von ANGEL WITCH mit, was die Band sichtlich erfreut. Kein Wunder, denn schließlich existiert die Band dem eigenen Bekunden nach genau dafür, nämlich diesem Album und der Ära von Kev bei ANGEL WITCH (von 1977 bis 1982) live und mit einem originalen Sound zu huldigen. Nach zwei Auftritten von BAPHOMET innerhalb kürzester Zeit hätte ich persönlich aber auch durchaus nichts dagegen, mal wieder die Kunst der originalen ANGEL WITCH genießen zu dürfen.

 

 

Bei WOLF scheiden sich gerne mal die Geister. Für die einen bieten sie seit über 25 Jahren immer wieder das gleiche und sind auf Dauer irgendwie langweilig, für die anderen bieten sie großartigen Schweden-Heavy Metal, der selbständiger und eingängiger kaum sein kann. Zumindest das einzig verbliebene Originalmitglied Niklas Stalvind sorgt mit seiner unverkennbaren Stimme für ein Alleinstellungsmerkmal der Band. Vielleicht liegt es ja gerade an dieser einzigartigen Stimme, dass WOLF für viele immer gleich klingen, eben nach WOLF.

 

 

Auch WOLF haben eine relativ neue Scheibe namens ´Shadowland´ im Gepäck, die mich zu überzeugen weiß (ich gehöre übrigens zu den Fans von WOLF). Die Band spielt sich an diesem Abend einmal quer durch die Diskographie und hält sich dabei nicht lange mit irgendwelchen Ansagen oder Kinkerlitzchen auf, so dass die zur Verfügung stehenden 60 Minuten Spielzeit von der Band voll ausgeschöpft werden und zumindest für mich schnell vorüber sind. So wie ich, haben auch die Leute im P60 mit WOLF sichtlich ihren Spaß und machen nach deren Auftritt einen sehr zufriedenen Eindruck auf mich.

 

 

Übrigens, für diejenigen, die es nicht wissen: Ich bin bei den Bildern nicht durcheinandergekommen. Gitarrist Simon Johansson spielt nicht nur seit 2011 bei WOLF, sondern seit 1996 auch die Leadgitarre bei MEMORY GARDEN.

 

 

Eigentlich hatte ich mich sehr darauf gefreut, JAG PANZER als Headliner des Festivals erleben zu dürfen, die dann auch ein bis zwei Songs von ihrem demnächst erscheinenden Album ´The Hallowed´ erstmals live performed hätten. Leider sind die Kosten für Flugreisen seit der Verpflichtung der Band aber derart explodiert, dass sich eine kleine Veranstaltung wie das Heavy Metal Maniacs Festival es sich nicht mehr leisten kann, Musiker aus fernen Landen einzufliegen. Im Fall von Sänger Harry Conklin, der eine Griechin geheiratet hat und nun in der Heimat seiner Frau lebt, wäre das sicherlich noch gegangen. Um aber die anderen drei Bandmitglieder aus den Vereinigten Staaten einfliegen zu lassen, hat es trotz einer spontan von den Maniacs veranstalteten Spendensammlung nicht mehr gereicht.

 

 

Stattdessen hat man dann kurzfristig BLAZE BAYLEY verpflichtet, der dieses Jahr auch bereits auf dem Headbangers Open Air zusammen mit ABSOLVA unter anderem als Ersatz für die im letzten Moment ausgefallenen LEATHERWOLF, VICIOUS RUMORS und SACRED REICH eingesprungen sind. ABSOLVA steht Blaze auch heute im P60 als seine Begleitband zur Seite – natürlich mit Ausnahme des Sängers.

Im Gegensatz zu dem vor wenigen Wochen als recht vergnüglich empfundenen Auftritt von Paul Di’Anno, der die Songs der ersten beiden Alben von IRON MAIDEN von sich gab, kann ich dem Auftritt von BLAZE BAYLEY, der ebenfalls als „Special Iron Maiden Set“ angekündigt war, nicht allzu viel abgewinnen. Ob es an den Songs, den jeweiligen Sangeskünsten oder dem allgemeinen Auftreten der Künstler liegt, kann ich gar nicht sagen. Vermutlich eine Kombination aus all diesen Faktoren. Zusätzlich tut das wieder einmal praktisch komplette Fehlen einer Light Show, welches eine Stärke des modern ausgestatteten P60 ist, ihr Übriges, um bei mir keine rechte Stimmung aufkommen zu lassen.

 

 

Da es meinen Begleitern genau so geht wie mir, entschließen wir uns also nach bereits wenigen Stücken kurzerhand dazu, in einem Lokal der Amstelveener Innenstadt den Abend und damit auch das Festival bei einigen Drinks und Kroketjes gemütlich ausklingen zu lassen.

Das war es dann auch. Mal schauen, welches Billing den Besuchern des P60 im Jahr 2023 geboten wird.