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B.S.T. – Herbst

~ 2022 (Independent) – Stil: Doom ~


Wenn der Herbst kommt, fallen die Blätter. Wenn der Herbst die Menschen begrüßt, steigt die Melancholie schier an. Wenn der Herbst greifbar nahe ist, suchen sich hoffentlich alle Menschen fremde oder nahe Hilfe, ihre selbstzerstörerischen Gedanken abzuschütteln. Wenn der Herbst da ist, fließen „Blut Schweiß Tränen“. Wenn der Herbst an der Tür klopft, muss es nicht die diabolische Gasabrechnungsfrau sein. Wenn ´Herbst´ an der Tür pocht und hereingelassen wird, schwingen durch B.S.T. und ihren Hamburger Doom alsbald die Lautsprecher.

Wenn B.S.T., dann „Blut Schweiß Tränen“. Wenn B.S.T., dann nur in kompletter Mannschaftsstärke, mit Gitarrist Heiko, mit Gitarrist Jan, mit Schlagzeuger Jan und mit Bassist Lutz.

Wenn dieser ´Herbst´ beginnt, dann hat sich die fünfjährige Wartezeit seit ´Unter Deck´ gelohnt. Wenn dieser ´Herbst´ in Gang kommt, dann endet er auch nicht vor Ablauf einer Dreiviertelstunde. Wenn ´Herbst´ in Bälde auf der Rille oder noch digital abgespielt wird, tönen die traurigen Weisen mit Abschiedstränen in jedes Ohr der Umgebung.

Wenn B.S.T. spielen, dann steht die Welt still. Wenn B.S.T. singen, eigentlich singt nur Gitarrist Heiko, dann hört die Welt zu. Wenn B.S.T. agieren, dann in aller Langsamkeit, in aller Bodenständigkeit und in aller Weiträumigkeit. Wenn B.S.T. musizieren, dann ist die Hamburger Schule im Keller gefangen, dann ist der Hamburger Doom en vogue.

 

 

Wenn dieser einmalige ´Herbst´ beginnt, dann hat er auch ´Nur ein Tag im Leben´, den er jedoch elf Minuten lang in aller gewohnten Schwere auskostet. Wenn dem ´Herbst´ in diesen ersten Minuten begegnet wird, kreisen die Saiten zwar ausgiebig in der Schwere, „nicht verhandelbar“, können dennoch bereits einige Ausbrüche und Wendungen aus der scharfen Tristesse vorweisen. Wenn dieser ´Herbst´ in diesem ersten Song einen Zwischenabschnitt zulässt, scheinen beinahe die liebsten österreichischen Avantgardisten mit dem gelben Taxi vorbeizuschauen, „schließ die Augen, als wäre es das letzte Mal“, und nichts ist mehr wie es zuvor war.

Wenn dieser einmalige ´Herbst´ zum zweiten Mal ansetzt, kommt es abermals über elf Minuten zu einem echten ´Kaltstart´. Wenn der ´Herbst´ in diesem nächsten Dutzend an Minuten startet, ist er energischer und fokussierter unterwegs, setzt gleichwohl zu echten Höhenflügen an, „mein Blick ist leer, du teilst ihn mit mir“, um schließlich an der ewigen Frage hängen zu bleiben und dabei abzuheben, „was ist bloß geschehen, alles schien so klar“.

Wenn dieser einmalige ´Herbst´ länger andauert, kann es sogar passieren, dass es auf einmal heißt: ´Der Tod kommt näher´. Wenn der ´Herbst´ hierfür nur vier Minuten verschwendet, offenbart sich eine einzige Orgie des Zermalmens.

Wenn dieser einmalige ´Herbst´ die sehnsuchtsvollsten Klänge anstimmt, breitet er ´Was jetzt noch bleibt´ über dem Hörer aus. Wenn der ´Herbst´ in diesen acht Minuten zu einem Trauertanz ansetzt, gerät er urplötzlich ins hektische Schlingern und erzeugt einen heroischen Abgesang. Wenn der ´Herbst´ endlos weiterzieht, nimmt er in diesem Falle gehörig Fahrt auf.

Wenn dieser einmalige ´Herbst´ zum letzten Mal zerstörerisch unterwegs ist, übersteht er einen weiteren Tag oder nochmals elf Minuten, damit sich ´Der Mut´ in ganzer Stärke zeigen kann. Wenn der ´Herbst´ seinen letzten Schwingungen nachgeht, ist er tatsächlich „eindrucksvoll“ und bewundernswert.

Der ´Herbst´ ist da. Wenn dieser ´Herbst´ nicht die unanständig schönste Jahreszeit des Doom ist, fallen bald keine Blätter mehr und alle spucken „Blut, Schweiß und Tränen“. Hei hussassa!

(9 Punkte)

 

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