Livehaftig

UFO – Last Orders Tour 2022

~ 21.06.2022, Beatbox, Hannover ~


Wenn eine Band seit 53 Jahren mit schöner Regelmäßigkeit weltweit auf Tour ist und in dieser Zeit 22 Studio- und 14 Live-Alben veröffentlicht hat, dann gibt es wenig bis gar nichts, was man über einen Gig dieser Band noch schreiben kann.

Aber dieser Auftritt ist in zweierlei Hinsicht anders…

Zunächst ist da der Veranstaltungsort Beatbox. Als ich davon erstmalig erfuhr fragte mich, wieso UFO hier ein Konzert gibt und nicht in einem im Zentrum von Hannover liegenden Veranstaltungsort. Bei der Beatbox handelt es sich nämlich um ein Komplex von Musikproberäumen, wo allerhöchstens mal lokale Bands ein Konzert geben. Aber genau das wird für UFO der Grund gewesen sein, denn so konnten sie vor dem (eigentlichen) Beginn der Tour noch einmal ausgiebig gemeinsam proben. Daher gab es dann auch die Möglichkeit, zwei für die Öffentlichkeit zugängliche Veranstaltungen anzubieten. Tags zuvor fand nämlich bereits eine öffentliche Bandprobe statt, für welche man insgesamt 80 Tickets erwerben konnte, die natürlich ruckzuck ausverkauft waren.

Das heutige Konzert am 21. Juni findet nun sozusagen als Generalprobe zur Tour statt und ist mit insgesamt 300 zur Verfügung stehenden Tickets durchaus als intimes Event zu bezeichnen. Kurioserweise geben UFO somit auf dieser Tour zwei, eigentlich sogar drei Konzerte in Hannover, denn die „Last Orders“-Tour zum 50-jährigen Bandjubiläum startete bereits 2019, wo ich UFO auch das letzte Mal in Hannover genießen durfte, wurde aber aufgrund der Pandemie unterbrochen und findet nun ihre Fortsetzung.

 

 

Offiziell handelt es sich bei der heutigen Veranstaltung zwar um ein Outdoor-Konzert, aber irgendwie stellt sich das entsprechende Gefühl gar nicht ein, denn nicht nur die Bühne, sondern auch der Vorraum bis zum Gebäude der Beatbox ist mit einem Regen- oder in diesem Fall besser Sonnenschutz überspannt. Die Nähe zur Band und die während des Gigs herrschende Atmosphäre im gut gefüllten Zuschauerraum kann aber nur als einzigartig bezeichnet werden. Lediglich die ebenerdige, sich also auf dem Niveau der Zuschauer befindliche Bühne macht es für kleine Menschen sehr schwer, einen Blick auf die Musiker zu erheischen. Gott sei Dank gehöre ich nicht dazu. Aber auch das Fotografieren war ab der dritten Reihe kaum noch möglich, wie man an den hier eingehängten Bildern deutlich sehen kann. (Ich frage mich, wieso immer die größten Zuschauer in die erste Reihe drängen und dort wie die Mauer nördlich der Sieben Königslande den Blick auf die wilden Ländereien, oder in diesem Fall die Bühne, verwehren.)

 

 

 

Dieser Auftritt ist aber auch aus einem wesentlich wichtigeren und nachhaltigeren Grund anders. Die Band hat nämlich angekündigt, UFO nach dieser Tour zu Grabe zu tragen.

Ein Blick auf die Herren, die an diesem Abend auf der Bühne stehen, lässt auch keinen Zweifel daran, dass es wohl ernst gemeint ist und diese Abschiedstournee wirklich das ist, was der Name aussagt. Ich kann mir auch beim besten Willen nicht vorstellen, dass UFO wie ein Zombie immer wieder aufs Neue auf den Bühnen dieser Welt erscheinen wird (wie es manch andere Bands bereits in der Vergangenheit getan haben). Immerhin ist Phil Mogg bereits 74 Jahre alt und nicht nur sein mittlerweile haarloses Haupt hat bei mir den Eindruck hinterlassen, dass die letzten drei Jahre nicht spurlos an ihm vorbeigegangen sind. Bitte nicht falsch verstehen: Phil hat immer noch eine kraftvolle, melodische und gefühlvolle Stimme, aber natürlich ist sie nicht mehr so jugendlich frisch wie noch vor wenigen Jahren und ich habe ihn im Laufe der letzten Jahrzehnte einige Male live gesehen. Somit kommt die Entscheidung meiner Meinung nach zum richtigen Zeitpunkt und ist konsequent, denn ich kann mir beim besten Willen keine runderneuerte und auch am Mikro verjüngte Band vorstellen. UFO ohne Phil, wäre so wie Motörhead ohne Lemmy…unvorstellbar.

 

 

Obwohl ebenfalls Mitbegründer von UFO und mittlerweile auch schon 70 Jahre alt, wirkt Andy Parker richtig frisch und trommelt auf sein Schlagzeug ein, als wäre er gerade in den 80ern auf Tour. Noch einen Tick jünger ist mit 64 Jahren Neil Carter, der 2019 nach dem Tod von Paul Raymond zu UFO zurückgekehrt war. Neil hatte bereits Anfang der 80er Paul in der Band ersetzt und drei Studioalben aufgenommen, bevor dieser zu UFO zurückkehrte und Neil zu Gary Moore wechselte, wo er bis zu dessen Tod aktiv war. Hier und heute wechselt er regelmäßig zwischen Keyboards und Rhythmusgitarre und liefert wie seine Kollegen einen tadellosen Job ab.

 

 

 

Ich bin gespannt, wo wir zukünftig den gar nicht so viel jüngeren (58 Jahre), aber dennoch wesentlich jugendlicher aussehenden (vielleicht wegen seiner üppigen Haarpracht?) und agierenden Vinnie Moore werden erleben dürfen. Konzentriert er sich vollends auf seine Solokarriere mit vereinzelten Gastauftritten, wie in der Vergangenheit bei z.B. bei VICIOUS RUMORS, ALICE COOPER oder DESTRUCTION, oder sucht er sich wieder eine dauerhafte Bleibe?

Eigentlich auch egal, Hauptsache er bleibt uns erhalten!

Denn was er den Zuschauern an diesem Abend an der Gitarre bietet, insbesondere beim göttlichen Doppel ´Rock Bottom´ und ´Doctor, Doctor´, beweist einmal mehr, dass er dem Wunderkind Michael Schenker, den er bei UFO nach dessen letzten Ausstieg im Jahr 2003 beerbte, in nichts nachsteht. (Beide Stücke sind auf dem 74er Album ´Phenomenon´ enthalten, an dessen Entstehung Michael maßgeblich beteiligt war.)

 

 

 

Ähnlich jugendlich wie bei Vinnie, ist auch das Erscheinungsbild von Basser Rob de Luca, dem Mitbegründer von SPREAD EAGLE. Zunächst als Live-Ersatz auf der US-Tour für Pete Way (R.I.P. 14.8.2020) engagiert, der kein Arbeitsvisum für die Staaten erhalten hatte, ist er bereits seit 2008 ein festes Mitglied der Band, da Pete Way damals aus gesundheitlichen Gründen endgültig aussteigen musste. Auch bei Rob mache ich mir keine Sorgen um seine Zukunft, denn mit unter anderem SPREAD EAGLE und SEBASTIAN BACH (sowie Aktivitäten in weiteren Bands) sollte er zukünftig ausreichend ausgelastet sein.

Über die musikalischen Fertigkeiten der Musiker von UFO muss also nicht diskutiert werden und ebenso gibt es am Sound vor Ort nichts auszusetzen. Auch die Auswahl der Songs könnte nicht besser sein. Was sollte man auch dagegen haben, wenn neben den beiden bereits oben zitierten unerreichten Klassikern auch noch Evergreens wie ´Too Hot, To Handle´, ´Lights Out´, ´Mother Mary´, ´Love To Love´, ´Only You Can Rock Me´ oder ´Shoot Shoot´ zum Besten gegeben werden. Aber unter anderem auch ´Run Boy Run´ und ´Burn Your House Down´ des letzten bzw. vorletzten Studioalbums (das Cover-Album von 2017 nicht mitgezählt) werden der Menge an diesem Abend dargeboten.

Insgesamt 13 Songs werden in exakt 90 Minuten gepackt, mit denen sage und schreibe 41 Jahre umspannt werden. Ich persönlich habe es aber auch immer bedauert, nie die Gelegenheit gehabt zu haben, Songs der ersten beiden Alben aus den Jahren 1970 und 1971 live zu hören. Ich gebe nämlich zu, dass ich UFO mit dem legendären 1971 in Tokio aufgenommenen Live-Album kennen und lieben gelernt habe, auf welchem noch klassischer Space Rock zu vernehmen ist. Aber erst die Aufnahme von Michael Schenker ins Line-Up und der damit einhergehende radikale Stilwechsel hat UFO zu der Band gemacht, die sie heute sind und die nicht nur die an diesem Abend in der Beatbox anwesenden Fans lieben!

Die Tour führt UFO bis Ende Oktober noch durch eine ganze Reihe von deutschen Städten.

Lasst es euch nicht entgehen und zollt dieser großen Band ein letztes Mal mit eurer Anwesenheit Respekt.