Livehaftig

DESERTFEST

~ 26. – 29. Mai 2022, Arena Berlin ~


„Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin!“, „Kreuzberger Nächte“ und „Ick bin ein Berliner“ – alles Parolen, Schunkellieder oder historische Phrasen, die man unweigerlich mit unserer heißgeliebten Hauptstadt in Verbindung bringt. Seit nunmehr zehn Jahren findet sich jedoch eine weit bedeutsamere kulturelle Komponente in der Stadt, die immer eine Reise wert sein soll: nämlich das „Desertfest“!

Ich hatte ja 2018 meine ersten Erfahrungen mit der Konzertreihe gemacht, im „Twix“ in Antwerpen, und mir wurde schon damals sehr deutlich, wie entspannt und bodenständig die Festivalatmosphäre dort gewesen war, vor allem im durchaus legitimen Vergleich zum inzwischen immer stärker von Hipstern bevölkerten „Roadburn“ in Tilburg.

Die Berliner „Arena“ war nun also endlich an der Reihe, und natürlich liebe ich das Kreuzberger Flair ganz besonders, und genoss es vor allem, von der U-Bahnhaltestelle die Schlesische Straße entlang zum Austragungsort zu latschen, immer wieder berauscht zu sehen, was sich da auf dem Kiez an Leuten so alles tummelt.

Rund 5.000 Zuschauer hatten sich für die diesjährige, schon seit Monaten ausverkaufte, Festival-Edition jedenfalls angekündigt – für insgesamt 4 Tage und bei mehr als 30 Bands bzw. Künstlern!

 

 

Auch in diesem Jahr wurden in der Halle zwei Austragungsorte installiert, Haupt- und Nebenbühne mit angrenzendem Backstage-Bereich, und im Foyer fanden sich verschiedene Merch-Stände, ein Tattoo-Salon sowie diverse Bierschänken und Essenstände.

Im Außenbereich, traumhaft schön gelegen direkt an der Spree, sorgten ebenfalls zahlreiche Food Trucks für das leibliche Wohl, darunter ein Pizzabäcker sowie mein persönlicher Favorit mit Thüringer Bratwurst, Steak und Pommes.

 

 

Live-DJ-Sets und Karaoke-Events sorgten zudem in der hinteren Ecke in der Nähe des Flusses für Stimmung, und von der Dachterrasse konnte man zudem einen großartigen Blick auf die Spreemeile und das dahinter liegende Friedrichshain werfen. Schade nur, dass das wechselhafte Wetter mit oftmals heftigen Windböen dem Besuch des unmittelbar benachbarten „Badeschiff“ einen Strich durch die Rechnung machte. Bei meinem letzten Berlin-Besuch im Sommer vor ein paar Jahren hatte ich mich dort noch für ein paar Stunden vom Sight Seeing erholt, eine wunderbare Relax-Oase mit künstlichem Sandstrand und Schwimmbecken direkt am Flussufer.

Nach einer zweijährigen Pause aufgrund pandemiebedingter Absagen ist das „Desertfest Berlin“ nun also mit einem lauten Knall zurück, und es gab natürlich wieder etliche musikalische Leckerbissen zu enthüllen. Hier nun meine Best-Of.

 

 

 

WITCHCRAFT

Da mein Zug erst am Abend in der Hauptstadt angekommen war, bildeten die schwedischen WITCHCRAFT für mich den Festivalauftakt und betraten die Bühne dann auch pünktlich, um ihre ausgewiesenen Predigten aus dem Dämonenbuch zu halten. Mastermind Magnus Pelander und sein Team lieferten schließlich für rund eine Stunde einen wuchtigen und emotionalen Schlag an psychedelischem Doom, der in etwa die besten Momente von BLACK SABBATH, PENTAGRAM und LED ZEPPELIN zusammenfasst.

WITCHCRAFT starteten mit dem ominösen ´Malstroem´ ihres Hitalbums ´Nucleus´, dessen folkige Eröffnungsmelodie bereits Bilder nächtlichen Grauens heraufbeschwor, bevor es einem Sperrfeuer aus giftigem Doom-Rock Platz machte. Pelander schien jedes Wort zu genießen, während er sich durch die dunklen Texte schlängelte, und wechselte nach und nach zu einem weit groovigeren Stil, um die Vintage Rock-Atmosphäre ihres Debütalbums heraufzubeschwören.

Die zusammengekauerten Massen zeigten jedenfalls schon sehr früh ihre Zustimmung für die drei Skandinavier, die mit einer ausgewogenen, hypnotisierenden Kunstfertigkeit auftraten. Fans, die sich auf Songs von ´The Alchemist´ und ´Legend´ gefreut hatten, wurden jedoch enttäuscht, da die Band ihre Setlist auf ´Witchcraft´ und ´Nucleus´ konzentrierte, bevor das Set mit ´Queen Of Bees´ vom ´Firewood´-Album sein Finale nahm. Sicherlich hat die Band ihren Sound im Laufe der Jahre bis zu dem Punkt verfeinert, an dem sie wirkungsvoll in den Arenen funktionieren, aber das Publikum zeigte sich genauso begeistert, mit ihnen die Vergangenheit wiederaufleben zu lassen. Solide Leistung.

 

KADAVAR

Für KADAVAR war das Festival natürlich ein Heimspiel, und ich hatte die drei Berliner zuletzt im Vorprogramm von MOTORPSYCHO anno 2014 in der Heidelberger „Halle02“ in bestechender Form erlebt. Ihr Retro-Stil, der auf beeindruckende Weise Psychedelic und Stoner Rock miteinander vereint, wird ja vor allem gerne mit BLACK SABBATH, HAWKWIND, THE DOORS und PINK FLOYD in Verbindung gebracht, wirklich bewundernswert finde ich jedoch, wie sehr sich die Band darum bemüht, ihren Live-Sound mittels „Hard Panning“-Produktionstechniken auch ins Studio zu transportieren.

Jedenfalls gibt es derzeit in Deutschland wohl kaum eine Band, die KADAVAR in Sachen (Retro-)Rock das Wasser reichen kann, und ihr herausragendes Talent für das Schreiben von unvergesslichen Hooks und schamlosen Ohrwürmern demonstrierten sie an diesem Abend einmal mehr, indem sie gleich einer deutschen Meisterleistung schwerpunktmäßig durch das selbstbetitelte Debüt sowie die beiden Hitalben ´Berlin´ und ´Rough Times´ pflügten.

Frontmann Cristoph „Lupus“ Lindemann war mit seiner Stimme in Bestform und entlockte seiner Gitarre einen Breaker nach dem anderen, während Drummer Christoph „Tiger“ Bartelt von seinem Podest aus die Menge zum Jubeln brachte und Bassist Simon „Dragon“ Bouteloup über die Bühne tanzte und sich die Seele aus dem Leib spielte.

Das Trio setzte fast ausschließlich auf Strobe-Effekte, unterbrochen von Licht in unterschiedlichen Farbtönen, und in Kombination mit der Leinwandprojektion entstand somit eine dem Sound angemessene hypnotische Atmosphäre. Bandklassiker wie ´All Our Thoughts´ und ´Black Sun´ durften natürlich nicht fehlen, und die Songs knallten noch immer und zeigten, auf welch hohem Niveau KADAVAR schon zu Beginn ihrer Karriere gewesen sind, wobei jedoch durch das gesamte Set hindurch sämtliche Trademarks, von doomigen Parts bis hin zu treibenden Riffs, klar dominierten.

KADAVAR haben gerade in den letzten Jahren einen gewaltigen Schritt im Wiederaufleben des 70ies-Rock vollzogen, ohne dabei erheblich ins Schwitzen geraten zu sein, und ihr Homerun an der Spree war einmal mehr ein Beweis für ihre beeindruckende Live-Präsenz.

 

SPIRIT ADRIFT

Das mittlerweile in Austin, Texas beheimatete Quartett SPIRIT ADRIFT hatte mich vor allem mit seinen ersten beiden Alben überzeugt, trotz oder womöglich sogar gerade eben aufgrund der zahlreichen Assoziationen zu IRON MAIDEN und METALLICA oder OZZY OSBOURNE während der Randy Rhoads-Phase.

SPIRIT ADRIFT startete bereits 2015 als Soloprojekt, bei dem Nate Garrett in der Wüste von Arizona gegen seine persönlichen Dämonen und seine Drogensucht kämpfte, und während der Pandemie zogen er und seine Ehefrau schließlich in eine ländliche Gegend außerhalb Austins. Erstes musikalisches Ergebnis dieses Ortswechsels war die im vergangenen Jahr veröffentlichte ´Forge Your Future´ EP, aber noch viel bedeutsamer sind in diesem Zusammenhang die zahlreichen Lineup-Wechsel, wonach nun Mike Arellano (Schlagzeug), Sonny DeCarlo (Bass) und Leanne Martz (Gitarre) Garretts seine aktuellen Mitstreiter sind.

Und die Riffs des Austin-Quartetts, die von zwei Gitarren und dem gelegentlichen Hinweis auf Boogie gerungen werden, lassen einen sich auch nach wie vor gerne THIN LIZZY als eine Doom-Band vorstellen. Bewaffnet mit einem bösen Arsenal an Killer-Metal-Riffing gaben die vier Texaner jedenfalls eine souveräne und durch und durch unterhaltsame Darbietung, bei der vor allem die offenbar neu gewonnene Souveränität des Frontmanns und gleichzeitigen Masterminds deutlich wurde. Speziell diejenigen, die sich auf dem letzten Studioalbum stärkere Vocals gewünscht haben, sollten der Band definitiv eine Konzertchance geben, denn Garretts Enthusiasmus und die gelegentlichen Backing-Harmonien der Band sind live weitaus kraftvoller und mitreißender.

Ihr leider nur aus sechs Stücken bestehendes Set umfasste erwartungsgemäß dann auch die größten Hits aller ihrer Veröffentlichungen, darunter ´Hear Her´ als wuchtiger Opener, das stellenweise an ´Master Of Puppets´ erinnernde ´Curse Of Conception´ oder das phänomenale ´Ride Into The Light´, eine fesselnde Hymne, die in der Live-Umgebung noch viel mehr aus sich herausholt. In der aktuellen Retro-Sparte traditionellen Metals sind für mich SPRIRIT ADRIFT jedenfalls immer noch unschlagbar!

 

VILLAGERS OF IOANNINA CITY

VILLAGERS OF IOANNINA CITY sind zweifellos eine der aktuell führenden griechischen Rock Bands und spätestens seit ihrem herausragenden Zweitling ´Age Of Aquarius´ von 2019 in aller Munde. Das Sextett ist stark von der griechischen Natur und kosmischen Phänomenen beeinflusst, und gerade die Hinzunahme von Folk-Instrumenten wie Dudelsack, Flöte und Didgeridoo, fügen ihrem prinzipiell schweren Psychedelic Rock eine ganz besondere Note hinzu.

Ich tue mich ja eher schwer mit derartigen Ingredienzen, halte sie jedoch für durchaus gekonnt in ihren ansonsten dominant von BLACK SABBATH, SPACEMEN3 oder auch TOOL inspirierten Sound eingebettet – eine Mischung, die sowohl lokal als auch international Eindruck hinterlassen hat.

Seit ihrem Debütalbum ´Riza´ von 2014 hatte die Band ihre Live-Show vornehmlich in europäische Großstädte gebracht, aber gerade in den letzten Jahren kamen einige sorgfältig ausgewählte Shows in ihrem Heimatland hinzu, darunter eine riesige Produktion mit beeindruckender Lichtshow und grandiosen Bühnenbildern.

Ich war daher sehr gespannt, wie die Umsetzung im Rahmen eines Festivals funktionieren würde – und ich wurde nicht enttäuscht! Es war mein erstes gemeinsames Erlebnis mit den sechs Griechen, und vor allem soundtechnisch überzeugten VILLAGERS OF IOANNINA CITY auf ganzer Linie: ihre folkigen, genreuntypischen Instrumente, wie eben Dudelsack und Didgeridoo, waren perfekt auf den geerdet-psychedelischen Stoner-Sound abgestimmt und entfachen vor allem in Songs wie ´Father Sun´ oder dem herausragenden ´For The Innocent´ zusätzliche Facetten ihres ausgewiesenen Könnens.

Aber auch vergleichsweise eher konservative Psychedelic Rock-Nummern, wie etwa ´Cosmic Soul´, dessen Basslinie sogar an verdrehten 90er-Pop erinnert, glänzten durch stilistische Weiterentwicklungen mit progressiver Verdickung in ihrer Ausdrucksform, perfekt begleitet und untermalt durch die kunterbunten Leinwandprojektionen und ihre farbenprächtige Light Show.

Die rund einstündige Performance hinterließ die anwesenden Massen jedenfalls in vollster Zufriedenheit. Der Jubel war frenetisch.

 

YOB

YOB ist eine Band, die mir nun schon seit vielen Jahren besonders am Herzen liegt. Ich hatte sie zuerst bei einer denkwürden Nachmittags-Show (2pm!) beim „Psycho Las Vegas“ 2016 erlebt, aber noch viel nachhaltiger war für mich ihr Gig beim „Desertfest Antwerpen“ zwei Jahre später, bei dem sie zahlreiche Stücke ihres Meisterwerks ´Our Raw Heart´ präsentierten.

Obwohl ihr schwerer, langsamer Sound dazu führen könnte, sie unweigerlich in den Sparten „Doom“ oder „Stoner“ zu verorten, fühlt sich diese Kategorisierung für mich nach wie vor nicht wirklich angemessen an. Ihre ermächtigende Musik ist voll von nachdenklichen, erhebenden Akkorden, die in schwerem Overdrive und Verzerrung gehalten werden, und eher ein Gefühl der Beharrlichkeit als eine Stimmung von schicksalhafter Angst hervorrufen.

Auch, wenn sie mit einem nicht gerade optimalen Sound zu kämpfen hatten, so befand sich das Trio unter der Leitung des stets bewundernswerten Mike Scheidt auch in Berlin einfach auf einer anderen Ebene, als es die Aufmerksamkeit der Menge vom pulverisierenden Set-Opener ´Prepare The Ground´ bis zum epischen Abschluss mit ´Grasping Air´ auf sich zog – YOBs Live-Power ist nach wie vor absolut gewaltig, während die Vocals in die Höhe schießen und die Riffs donnernd herunterjagen!

Aufgrund der aktuellen Wiederveröffentlichung konzentrierte sich der Gig vorwiegend auf Stücke ihres 2011er-Albums ´Atma´, wobei der Titelsong souverän die Brücke zwischen Kiffer- und Stadion-Rock schlug, während beispielsweise ´Adrift In The Ocean´ wiederum nahezu alles vereinte, was diese Band so einzigartig macht. Der Song startet in einem stillen Moment der Selbstbeobachtung und des tiefen Nachdenkens, während Scheidt eine sanfte rhythmische Melodie zupft, begleitet von Travis’ leisen Beckenwirbeln. Zuerst schwebend und meditativ, wie bei einem einlullenden weißen Rauschen, entwickelt sich das Stück zunehmend mit der Schallintensität eines Sperrfeuers, es schwillt an, und zerschmettert schließlich mit der hohen Intensität eines offenen Ozeans.

Neben der Genialität eines Mike Scheidt, sollten wir Bassist Aaron Rieseberg und Schlagzeuger Travis Foster jedoch nicht vergessen. Ein Großteil des Melodramas in YOB stammt zwar eindeutig von den dichten Gitarrentönen des Maestros, aber die Songs würden bei weitem nicht die Tiefe besitzen, ohne den donnernden Rhythmus Riesebergs und die perkussiven Akzente Fosters. Es gibt eine greifbare Chemie zwischen diesen dreien, die man nur live richtig erfährt.

YOBs Set floss jedenfalls rund eine Stunde lang in einem emotionalen Bogen, der an einen großen Film erinnert – aufregend, intensiv und vollständig!

 

ELECTRIC WIZARD

Die Hölle hat einen Namen: ELECTRIC WIZARD! Das Quartett aus Dorset ist nun bereits seit rund 30 Jahren eine feste Institution des britischen Doom und steht auch nach wie vor an vorderster Front in den Diskussionen über das Subgenre. Ich hatte die Teufelsanbetungen der vier Engländer zuletzt beim „Psycho Las Vegas“ 2016 und ein Jahr später im Wiesbadener „Schlachthof“ erlebt, und war gespannt, ob sich denn irgendwelche Veränderungen zeigen würden – nein, zum Glück bleibt alles wie gehabt!

Da ihre Darbietung eines wahrhaft fesselnden und unvergesslichen Erlebnisses nicht ins Stocken gerät, machen ELECTRIC WIZARD eben genau das, was man von ihnen erwartet. Es sind laute, schwere und psychedelische Bilder, die auf den elektrischen Bildschirmen hinter ihnen tanzen, ´Funeralopolis´ wirkt immer noch wie ein Grundnahrungsmittel des Doom, ´Black Mass´ klingt in der Live-Umgebung nach wie vor noch gewaltig, und ´Satanic Rites Of Drugula´ präsentiert eine Band, die eben genau weiß, wie sie ihren Markt zu bedienen hat.

Jus Oborn scheint ein reichlich kluger Kerl zu sein, und einige seiner Haupteinflüsse sind immer noch ganz offensichtlich HP Lovecraft, Jess Franco, okkulte Horrorfilme der 60er und 70er, Vintage-Equipment und eben Stoner Rock der vornehmlich alten BLACK SABBATHischen Schule.

ELECTRIC WIZARD beendeten den zweiten Festivaltag jedenfalls mit einer Meisterklasse an unnahbar coolen, gruseligen Riffs und faszinierenden Projektionen, die zwischen dem Okkulten und der düsteren Realität der Gegenwart hin und her wechselten. Eineinhalb Stunden an purer, schwarzer Magie!

 

STÖNER

Wenn man als ernsthafter Liebhaber des Stoner Rock-Genres in den letzten Monaten nicht gerade in einem Erdloch gehaust hat, sollten einem STÖNER inzwischen ein Begriff sein. Die Band besteht aus den beiden Ex-KYUSS-Legenden Brant Bjork und Nick Oliveri, komplettiert durch Bjorks langjährigen Schlagzeuger Ryan Gut, haben innerhalb nur eines Jahres gleich zwei volle Studioalben veröffentlicht, und präsentieren uns somit auch 2022 ihre bekannten Desert- und Stoner Rock-Grooves auf gewohnt hohem Niveau.

Den frühe Auftrittstermin um bereits 17.00 Uhr war zwar sicherlich etwas unpassend, aber schon der erste Song ´Rad Stays Rad´ zeigte die klassische Brant Bjork-Energie und versprühte die unbestreitbare Aura ultracoolen Wüstenrocks. Die ergrauten Gitarren, die schweren Drums und der pochende Bass lieferten dabei einen frischen 70er-Punkrock- und Hardrock-Geschmack, und auch lyrisch ist das Stück höchst interessant, und entwickelt alsbald einen abenteuerlichen Stil des Geschichtenerzählens.

´The Older Kids´ hingegen hat eine weit nachdenklichere und reifere Einstellung, wobei vor allem der schwere Bass von Oliveri nahezu süchtig macht und eine seiner besten Leistungen seit den Tagen bei QUEENS OF THE STONE AGE bietet.

Der Song schaltet einen Gang höher, wenn die Funk-basierten Riffs einsetzen, was der eher klassischen Mischung aus Desert- und Stoner-Vibes eine recht zwielichtige Attitüde verleiht. Aber die Jungs bringen schließlich wieder mehr Volumen und Atmosphäre in den Song, besonders mit den ausgefallen Punkrock- und Psychedelic-Momenten, die gegen Ende einfließen.

Der rund 40-minütige Gig bietet jedenfalls die perfekte Mischung aus Bjorks entspanntem Blues Rock-Swagger und Oliveris muskulösem Bass, und vor allem aufgrund der beiden KYUSS-Schlussnummern ´Gardenia´ und ´Green Machine´ findet sich das Publikum einmal mehr höchst zufrieden gestellt.

 

PIGS PIGS PIGS PIGS PIGS PIGS PIGS

STÖNER hatten die Stimmung also bereits zum späten Nachmittag ordentlich aufgeheizt, und die sieben kleinen Schweinchen aus Newcastle waren direkt im Anschluss daran auf der zweiten Bühne an der Reihe. Live hatte ich die fünf Engländer noch nie erlebt, aber ihren bisherigen Longplayer hatten mich vollends überzeugt, und ich war sehr gespannt, wie ihre wilde Mischung aus Stoner, Psychedelic, Noise Rock und kräftigem Doom sich schließlich auch hautnah anfühlen würde.

Leadsänger Matthew Batys Auswahl an Grafik-T-Shirts und Muay-Thai-Boxshorts sorgte für ein farbenfrohes Outfit, und die Band injizierte ihre brachiale Doom-Punk-Perfektion vom Fleck weg mit stapfender Gitarre, treibendem Bass und bestrafender Percussion, ganz zu schweigen von Batys sengendem Gesang.

´Reducer´ eröffnete das Set jedenfalls in mitreißender Manier, und während Gitarrist Adam Ian Sykes höchst konzentriert seine Saiten bediente, stolzierte Baty in Wüterichmanier über die Bühne, zog das Mikrofonkabel straff, machte mal Sumo-Kniebeugen, schlug sich heftig auf die Brust und marschierte weiter. Der Frontmann ließ seine Seele in jeden Sound und jede Geste fließen, und hörte so gut wie nie damit auf, sich zu bewegen – wie ein blutrünstiger Hai auf der Jagd nach Beute.

Die Band brachte im Anschluss daran ihren Hit ´Rubbernecker´, ein Stück, das viel im Radio gespielt wurde, und Baty hielt sich keine Sekunde zurück, als er die spärlichen, aber treffenden Worte aus sich herausrief, und er intonierte dabei alles mit einem schmerzerfüllten Gesichtsausdruck. Sein glattes Haar und der Schnauzer lassen ihn auch ein stückweit wie eine optische Kopie von Freddie Mercury erscheinen, wohingegen Sykes mit seinen langen Haaren und der Sonnenbrille entweder wie der Held oder der Bösewicht in einem Film aus den 70ern wirkt.

Während Baty auch im Verlauf der kommenden Songs wie ein Besessener auftrat – mit seiner Kehle rasselnd, in die Luft schlagend, das Mikrofon in einem seltsamen Ritual gegen seine Handfläche schmetternd – preschte die Band mit ihrem einzigartigen, von Synthesizern angetriebenen Sound und den brusthämmernden Beats weiter voran. Das Energieniveau blieb unzerstörbar!

Beim Set-Closer ´A66´entwickelte sich schließlich alles zu einem letzten hedonistischen Rock-Rave im Overdrive, die Melodie löste sich in eine chaotische Art von Nirvana auf und krönte das Set perfekt. Für mich war das Schweinderl-Quartett jedenfalls einer der ganz großen Gewinner!

 

UFOMAMMUT

Ohne Verschnaufpause ging es schließlich auf der Hauptbühne weiter, und das italienische Trio UFOMAMMUT war am Zug, eine Band, die nun bereits seit mehr als 20 Jahren aktiv ist und mittlerweile über eine beeindruckend abwechslungsreiche Diskographie verfügt, von psychedelischem Stoner und Doom Drone bis hin zu vernichtendem Sludge.

Die drei aus Tortona in Piemont stammenden Südländer füllten dann die inzwischen rappenvolle Arena lautstark mit ihrem psychedelischen und experimentellen Noise, der bis über den Himmel hinaufstieg und mit mammutartiger Schwere wieder in die Tiefe stürzte. Wenn Sänger Urlo seinen Bass auspeitschte und die zermalmenden Riffs einsetzten, wirkte UFOMAMMUT wie eine magische Kreuzung aus MONOLORD und den quälenden Industrial-Vibes von GODFLESH, während sie das Publikum aber auch immer wieder mit ihren eingestreuten Psychedelic-Anleihen quer durch den Weltraum und jenseits des Kosmos führten.

Urlos hin und wieder einsetzender Gesang ist dabei voller Effekte, echoreich und jenseitig, und hebt sich von den auslöschenden Riffs und dem monolithischen Drumming ab, das oftmals nahezu epische Ausmaße erreicht.

Indem sie weiterhin ihre charakteristische Härte einbrachten, strömten UFOMAMMUTs Groove und Rockwurzeln durch Songs wie ´Psychostasia´, ´Pyramid´ und ´Empyros´, und live füllen ihre donnernden und hypnotisierenden Powerchords jeden Raum bis in die tiefsten Ritzen der Sparren. Das Live-Gewicht der drei Italiener ist jedenfalls ein einziges, verführerisch-dunkles Low-End an rumpelnden Riffs, das es in sich hat!

 

BARONESS

Der Auftritt von BARONESS war der letzte in der Berliner „Arena“ – und die Band zeigte sich als ein absolut würdiger Gesamt-Headliner! Ich hatte John Dyer Baizley & Co. 2016 im Rahmen des „Psycho Las Vegas“ Events und ein Jahr später nochmals beim „Roadburn“ genießen dürfen, das der Frontmann und Mastermind zudem kuratierte. Es ist seither eine Band, die einen ganz besonderen Platz in meinem Herzen eingenommen hat, ihre eigenwillige und höchst organische Interpretation von Psychedelic, Sludge und traditionellem Metal gehört für mich jedenfalls mit zum Besten, was zeitgenössische Musik bietet. Ich hatte sie nun also schon seit einigen Jahren nicht mehr auf der Bühne gesehen – es war allerhöchste Zeit!

Nach einigen Besetzungswechseln gehören neben Baizley mittlerweile Nick Jost (Bass, Gesang, Keyboard), Gina Gleason (Leadgitarre, Gesang) und Sebastian Thomson (Schlagzeug) zum festen Lineup, und BARONESS haben sich inzwischen nicht nur in den einschlägigen Musikszenen einen Namen gemacht, sondern konnten auch darüber hinaus durchaus trumpfen, ihr Song ´Shock Me´ beispielsweise heimste sogar einen Grammy ein.

Das Instrumentalstück ´Ogeechee Hymnal´ vom ausgezeichneten ´Blue´-Album und ihr Klassiker ´Take My Bones Away´ eröffneten schließlich das Set, und sie zogen das Publikum damit abrupt auf ihre Seite. Das einfache, aber effektive Farbschema der Leinwandprojektionen wurde über den gesamten Gig hinweg regelmäßig geändert, um jedes Album wie den Wechsel der Jahreszeiten darzustellen, und speziell das herbstliche Gelb bei ´Green Theme´ und ´Eula´ war insofern sicherlich ein weiterer Höhepunkt des Abends.

Die Harmonie von Gleasons und Baizleys Gitarrenspiel war während der gesamten anderthalbstündigen Aufführung jedenfalls atemberaubend, und die Art und Weise, wie dieses Paar mit ihrem Sound so elegant vom Sludge Metal bis hin zur Progressive Rock-Umarmung führen kann, ist geradezu magisch.

Als der Eröffnungsgalopp von ´A Horse Called Golgatha´ von der Bühne donnerte, fing das Publikum schließlich erst richtig an zu toben, und die Menge war mindestens ebenso elektrisiert, als Baizley mit einem durch seinen Bart schimmernden Grinsen beim anschließenden ´March To The Sea´ Pogo hüpfte.

Die Szenerie verwandelte sich nun von einem blauen Farbton mit leichten Violett- und Rosatönen, und geht mit dem Song ´Tourniquet´ über in einen verträumten Grauschleier, bevor ein goldener, tanzfreudiger Schimmer übernimmt. Baizley und Gleason treffen mit ihren wunderbaren Gitarrensalven wieder einmal direkt die Seele, und auch ´Chlorine & Wine´, das im Allgemeinen nicht so sehr gitarrenlastig ist, erhebt sich auf den federbeflügelten Harmonien der beiden.

Es folgten noch einige weitere Klassiker, darunter ´Shock Me´ und ´The Sweetest Curse´, wonach ´Isak´ schließlich nicht nur ein fesselndes Konzerterlebnis, sondern ein in seiner Gesamtheit perfekt gestaltetes Festival zum Abschluss brachte. Ich bin jedenfalls auch 2023 gerne wieder dabei!