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ANVIL – Impact Is Imminent

~ 2022 (AFM Records) – Stil: Classic Anvil Metal ~


ANVIL, die unverwüstlichen Kanadier, sind seit 1978 im angegrauten True Metal-Ring am Boxen. Durch alle möglichen Missgeschicke und ihren grenzenlosen Optimismus bzw. ihre Nehmerqualitäten immer noch am Leben und nicht k.o. Irgendwann hatten mehr Menschen ihren Film „Anvil! The Story Of Anvil“ gesehen (ich nicht) als ihre Musik gehört.

Ist das Kult? Oder sind sie die wahren SPINAL TAP? Wie man immer wieder hörte. Das finde ich dann ziemlich abwertenden Quatsch (gegenüber SPINAL TAP, kleiner Scherz). Film und Buch hatten einiges an Aufmerksamkeit und solche selbst dem alten Erfolg hinterherrennende Musiker wie Scott Ian oder Slash lobten die Gruppe in die Höhe. Man durfte bei AC/DC und anderen ins Vorprogramm und so manches Festival spielen. Wie viele Platten man mehr verkauft hat, dazu liegt mir keine Statistik vor. Für den Ruhestand reicht‘s (leider? gottseidank?) noch nicht.

Auf ´Impact Is Imminent´ sind keine Neueinspielungen, sondern lauter neue Songs. Nach dem klassischen, lustigen Intro kommt ´Take A Lesson´ und klingt wie: ANVIL. Eher wie die klassischen ANVIL der 80er Jahre beim Meisterstück ´Metal On Metal´ als superhart oder in der 90er Jahre Schwächephase. Beim zweiten Song ´Ghost Shadow´ dürfen die Double Bass-Trommeln von Robb Reiner dann speediger voranschreiten. Und man kann sofort mitgrölen, wenn Lips den Geisterschatten besingt.

Diese Band hat immer noch viel Energie. Die Produktion klopft auf die Vorderhirnrinde. ´Another Gun Fight´ ist 100%iger Metal. Blutiger Text, harte Riffs, Lips guter Gesang, nur die Gitarre klingt reichlich schräg. Aber schon beim heftigen ´Fire Rain´ reckt man die Faust etwas eingerostet in die Höhe und grölt mit „Fire Rain Fire Rain Fire Rain just coming down…“. Und noch einmal! Es gibt auch ordentlichen Schrott wie das fast instrumentale Songfragment ´Teabag´ (wäre 1981 cool gewesen, nun Robb Reiner trommelt cool). Aber die besseren Songs sind klar in der Überzahl. Spätestens mit ´Someone To Hate´ überwindet die Band den kleinen Schwächeanfall, wird es wieder hörenswert.

Und ich folge der Band gerne in die ´Bad Side Of Town´. Lips ist so heiser wie immer, hat aber noch ordentlich Luft in den Lungen. ´Lockdown´ (das Wort kommt mir irgendwie bekannt vor) glänzt mit Doppelgitarre und guten Hooks. Das richtige Lied, um mit der Faust oder mit der Stirn auf die Bühne zu trommeln. Nur das Gitarrensolo klingt ein bisschen kaputt. ´Explosive Energy´ ist ein dem Titel alle Ehre machender Speedkracher, der etwas Chaos verbreitet. ´The Rabbit Hole´ fällt durch seine Schlichtheit auf. Aber kaum ist die Band wieder etwas angezählt, kann sie sich mit dem Old School Banger ´Shockwave´ wieder aus der Ecke in den staubigen True Metal Boxring zurückkämpfen. Den Abschluss Bläser-Witzsong ´Gomez´ entfernen wir unauffällig aus unserer Playlist.

Ich stelle mir ja oft die Frage, warum ich die 24. Veröffentlichung einer Band noch kaufen soll, auch wenn die Band mir ans Herzen gewachsen ist, ich aber immer nur die ersten drei oder vier Platten zuhause anhöre. ANVIL gehört irgendwie auch zu dieser Spezies. Aber ´Impact Is Imminent´ ist ja erst die 19. Platte, wenn richtig gezählt wurde, aber ehrlicherweise haben mir ´Metal On Metal´ und ´Forged In Fire´ insgesamt gereicht. Die neue Platte klingt nun aber wirklich frisch und ist einer der besseren Veröffentlichungen im Katalog. Dem pubertären Nachwuchsbanger die Band als cool zu verkaufen, dürfte trotzdem schwer sein. Da hilft auch Scott Ian nix. Die Nostalgikerinnen und Nostalgiker werden aber ein kleines Stoßgebet zum Danke sprechen, dass die Jungs noch unter uns weilen.

(7,5 True ANVIL Metal Punkte)

https://www.facebook.com/anvilmetal/


Pic: Cliff Knese
(VÖ: 20.05.2022)