PlattenkritikenPressfrisch

FAIDRA – Six Voices Inside

~ 2020 (Northern Silence Productions) – Stil: Black Metal ~


Der Mann hinter FAIDRA soll sich seit den 90ern in der schwedischen Szene tummeln und für dieses reine Soloprojekt komplett in die Anonymität abgetaucht sein, um den Fokus rein auf das Kunstwerk zu lenken. 2019 erst wurde dieses Projekt ins Leben gerufen und hat bereits ein gutes Jahr später sein zauberhaftes Debütalbum vorgelegt. Das deutsche Kultlabel „Northern Silence Productions“ ist umgehend angetreten, diesem Album eine vernünftige CD und Vinylveröffentlichung zu gewähren. Musikalisch sind die etwas über 40 Minuten des Albums ein Hochgenuss für Freunde getragenen Black Metal.

Beinahe waidwund stapft der Opener ´A Pact Amongst Wolves´ aus den Boxen, man wird überwältigt von der allmächtigen Melancholie der schönen Melodieführung, die da meist aus singender Leadgitarre auf kratzig rollenden Black Metal-Riffs besteht und durch die höhenlastige Produktion mit wenig Bass die Klangästhetik norwegischer Bands der frühen 90er zu neuem, verkommenem Leben erweckt. Der krächzende, naja, Gesang, einzelne Keyboardnoten, das erinnert mich an ein ebenfalls nur von einem Musiker geführtes Projekt aus dem westlichen Nachbarland, welches ich absichtlich nicht benennen möchte, damit keiner einen Herzkasper bekommt.

Aber FAIDRA ist noch mehr von feinen Melodien getrieben, ihre Songs mit eisigen Harmonien kosmischer Tiefe durchtränkt. So wie zum Beispiel das achtminütige ´The Depths´, welches sich nur manchmal in einen leichten Trab hin gehen lässt und ansonsten gerne würdevoll dahinschreitet. Bei derartiger Musik ist nicht unbedingt höchste instrumentale Virtuosität gefragt, sondern die Fähigkeit, sein Innerstes nach Außen zu kehren und große Gefühle mit wenigen, sparsamen Wendungen zu wecken. So verwundert nicht, dass bei FAIDRA eher doomiges Dahinschleppen angesagt ist, wie ein geschundener Körper, der durch hohen Blutverlust nur noch wenig Energie mit sich zu bringen fähig ist und daher seinem mystische Klagelieder singenden Herrn kaum noch gehorcht.

Die Produktion schenkt diesem sehr epischen Werk die nötige raue Kante, im Underground auch bestehen zu können. Hierdurch erhalten die machtvoll umherschwingenden Gitarrenmelodien diesen extra infernalischen Ausdruck, derweil viele kleine Hymnenmomente den Hörer fasziniert in einen Rauschzustand gleiten lassen.

FAIDRA ist rauschhaft, wie guter Black Metal für mich sein muss. Betörend, verführerisch, bittersüß und extrem giftig stellt sich das Projekt dar, ergreifende Schönheit gekleidet in Verwesung und Verfall. Warum nur ist dieses seit über einem Jahr schon auf seine Entdeckung wartende Juwel retrospektiv angelegten Epic Black Metal noch nicht von meinen allumfassend nach Trüffeln grabenden Kollegen entdeckt worden? Nun, so hatte ich die Ehre, über einen alten Freund auf FAIDRA gestoßen zu sein.

Mich umgarnt der viel mit cleaner Gitarre arbeitende, dahinwogende Brecher ´Tombs Of Giants´, bei dem die Riffs wie machtvolle Wellen anrollen und über den Hörer hereinbrechen. Irgendwo in diesem Tosen vernimmt man ganz weit unten und ganz zart eine den Tönen der Riffs folgende Leadgitarre, während die Vocals obenauf grausam wüten gleich einem apokalyptischen Reiter.

Die hypnotische Monotonie dieser Lieder ist so gewollt, wird aber auch den großen Erfolgsausbruch über den Black Metal-Underground hinaus verhindern, da man sich als Hörer schon mit vollster Hingabe diesem Album schenken sollte. Auch darf niemand hier Innovationen erwarten oder gar frisch erdachte Läufe und Harmoniebögen. 1994 für immer.

Ich habe trotzdem wegen des einfach alles durchdringenden Songmaterials und den hierdurch erweckten tiefen Emotionen mit einer Prise Nostalgie versüßt mein Geld gerne beim Label dafür ausgegeben. Tut es mir nach. Sollte auch im gut sortierten Fachhandel möglich sein.

(8,5 Punkte)