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HELLSPIKE – Dynasties Of Decay

~ 2021 (Metal On Metal) – Stil: Heavy Metal ~


Ich hab vorhin im Auto gerade die Portugiesen MIDNIGHT PRIEST gehört, etwas darüber sinniert, ob ich nicht einfach nach Portugal abhauen sollte, weil es da geiler zu sein scheint, manchmal, jetzt kommt mir eine weitere portugiesische Band unter und erfreut mich mit rauem Altmetall, während ich in Hamburg sitze. Hamburg ist ein guter Punkt, denn ich denke gerade, während ich hier HELLSPIKE lausche, an eine gewisse ehemals satanische, später auf Kaperfahrt gegangene Kapelle aus dem Moloch an der Elbe.

Und HELLSPIKE wissen durchaus zu gefallen, was aber auch an ihren Einflüssen aus Ruhrpott, Bergischem Land und Rheinland liegen könnte. Nun, bei aller Deutschtümelei der Portugiesen und all ihrer Liebe zur Tradition, muss man ihnen eines bescheinigen: Songs schreiben können sie. So, das über siebenminütige ´They Live´, ein treibender Headbanger, der trotz seiner Länge immer mitreißt und mit ein paar wenigen Passagenwechseln, kleinen Zwischenbrücken und ellenlangen, aber feurig genialen Soloparts genau meinen Nerv trifft. Die Soli sind typisch Heavy Metal, etwas wild und jaulend, aber mit schönen melodischen Abschnitten aufgebaut. Der Refrain ist toll, erdig, ehrlich und schlicht, aber emotionsgeladen. So ist auch der kehlig raue, aber melodische Gesang kein Beispiel für herausragende Sangestechnik, sondern einfach nur ergreifend.

Dieses Stück ist dennoch ein Beispiel dafür, wie gut quasi vierzig Jahre alte Songschmiedekunst noch funktioniert. Natürlich wird solch ein Album die ganze Eventmetallerklitsche verschrecken, die außer blitzsauberem Sound und weibisch geschminkten Emos als Musikern nichts anderes ertragen können. Der Klang ist roh und natürlich, das Schlagzeug klingt auch wie ein Schlagzeug, wuchtig und scheppernd, aber transparent genug, auf dass sogar jeder kleine Beckenschlag zur Geltung kommt.

Die Gitarren lassen erahnen, welcher Marke sie und die Verstärker, durch die sie gespielt werden, entstammen. So natürlich klingt diese Musik. Da gibt es keinen künstlich aufgeblasenen Sound, mit dem ein Mangel an kompositorischem Talent verborgen werden soll. Alles in allem ist das hier natürlich weder Pop noch Prog, sondern ehrliche, handgemachte Musik, Heavy Metal, rein und unverfälscht. Nicht ein Element klingt nach jünger als 1985. Fluch und Segen zugleich, denn dem Mainstream wird HELLSPIKE als Band zu altmodisch sein, zu sehr auf die alten weißen Männer abzielend.

HELLSPIKE kennen nur Metaller, ohne Sternchen, um ja niemanden außen vor zu lassen und damit vielleicht sogar zu beleidigen. HELLSPIKE zu hören, ist wie einen alten JAMES BOND Film zu schauen. Es macht Freude und bringt einen in eine Zeit zurück, wo das Leben einfacher und freudvoller, das Auskommen miteinander aber auch noch besser war.

Ich höre bei HELLSPIKE übrigens auch Ansätze von schwarzmetallenen Blastbeats, aber da mag der Schein auch trügen. Sie sind dem alten 80er Blackmetal und Blackthrash nicht immer abgeneigt, aber sie spielen auch bei Einsatz solcher Elemente einfach nur guten, sehr feurigen Heavy Metal. Thrash würde ich das noch nicht nennen. Und mit solchen Black Metal Passagen halten sie ihre Musik dann auch wieder frisch, obgleich selbst diese einen schön altmodischen, archaischen Ausdruck mit sich bringen. Aber Heavy Metal geht nur so, kann nur so. Ich hab zuviel modernen Heavy Metal gehört, der hatte einfach nie eine Seele, zumindest nicht eine solche.

HELLSPIKE sprechen nicht von größter Stadionbühne und Rockstargehabe, sie drücken Zusammenhalt und Brüderschaft aus. Brüderschaft deswegen, weil einfach keine Schwestern in der Band sind. Ich bin verliebt in diese Gruppe und werde ohne zu zögern mein hart verdientes Geld an die gute Jowita und den guten Simone von „Metal On Metal“ schicken, um ein Exemplar zu erstehen. Solltet Ihr, sofern Euch geiler, meist altdeutscher Heavy Metal am Herzen liegt, auch tun.

HELLSPIKE haben die Hymne für sich gepachtet. Darauf trink ich einen…Kaffee, der Schnaps kommt heute Abend daheim.

(8,5 Punkte)