~ 2021 (Inside Out) – Stil. Prog Rock ~
BANCO DEL MUTUO SOCCORSO hat mir 2019 der gute Mario weggeschnappt, ansonsten ist Meister Micha hier der Italoprogcheffe im Ring. Aber das kann sich ein Sir Lord Doom, Italoprogfanatiker seit 15 Jahren, nicht gefallen lassen. Also, 2021 haben wir, und ein neues Album von PREMIATA FORNERIA MARCONI, kurz PFM, steht an.
Sie sind in den letzten Jahren viel gescholten worden als lahme Poprocker, Mainstreamer, was weiß ich nicht, weil ihre Songs nach nunmehr fast 50 Jahren nicht mehr so klingen wie auf den frühen Klassikern und weil sie auch nach dem zweiten Comeback, letztendlich brauchten sie gut elf Jahre bis zur Wiederkehr als Studioband nach dem 2006er Streich ´Stati Di Immaginazione´, welche mit einigen schönen Livealben und Auftritten inklusive vielen alten Progklassikern überbrückt wurden. Das 2017er Album ´Emotional Tattoos´ war dann ein anspruchsvolleres, aber geradlinig konzipiertes Rockwerk, welches nicht auf allergrößte Begeisterung bei den Kritikern aus dem Progbereich stieß. Zu songdienlich und schnurgerade war ihnen das Album. Dann wieder Pause, vier Jahre kein Studioalbum. Und nun eine Überraschung. Oder auch nicht.
Es gibt eine italienische und eine englische Fassung des Albums, ich hab bei „Inside Out“ direkt das Gesamtpaket Vinyl / CD mit jeweils beiden Varianten bestellt. Was wird nun musikalisch geboten? Taugt das was? Ist das Prog oder kann das weg? Hab ich etwa knapp über 30 Euro versenkt, verbrannt und in den Wind geschossen?
Also, mir gefällt das, was ich da anhören darf. Klar ist das nicht frickelig, dafür hat es viel Kraft, was nicht unbedingt zu den klassischen PFM gepasst hat, aber mir außerordentlich gut gefällt. Gleiches Prinzip wie bei BANCO. Neue Leute, neues Jahrzehnt, neues Jahrtausend, neue Technik, neue Ideen, neuer Klang. Aber der Spirit ist noch da.
Ich höre ergreifende Melodien, die zwar irgendwie zum Mitsingen einladen, aber immer wieder von schönen verspielten Läufen der Keyboardorgel, der Querflöte, des Pianos oder auch der Gitarrenfraktion umschlungen werden, was den Anspruch aufrecht hält. Das hier ist Musik zum Anhören und Schwelgen, nicht so eckig und kantig, entspannt, aber sehr tiefsinnig und manchmal nachdenklich stimmend.
Ein Song wie das mystische ´Mondo Paralleli´ hat sogar einen nach italienischer Klassik duftenden Beginn mit echten Streichern, wird dann aber zu einem etwas um die Ecke gespielten Progrocker allererster Sahne. Hier bekommt der Hörer alles, was für ihn Progrock ausmacht, erfrischt und modern, aber durchaus mit alter Seele serviert. Tolle Soli, Passagenwechsel von wild auf ganz ruhig. Vor allem die gewohnte Vertracktheit. Dann wird natürlich auch weiter auf Atmosphäre gesetzt statt beim Gefrickel zu verweilen. Aber das machen PFM sehr schön.
Ich komme nicht umhin, dieses Album wirklich und wahrhaftig zu mögen, sprich, mein Geld sinnvoll angelegt zu wissen. Machen wir uns nichts vor, die 70er sind vorbei, auch wenn das einige Retroprogger, gerade aus Italien, noch nicht geschnallt haben. Man kann PFM vorwerfen, nicht mehr radikal genug zu sein, aber waren sie das jemals? In den 70ern war bei ihnen mehr Schönklang als Grenzgängertum angesagt, heute ist es modern gespielter, aber traditionell inspirierter melodischer Rock, den auch PINK FLOYD Fans des 80er und 90er Materials nicht vom Plattenteller schubsen würden, der aber immer seine Eigenheiten unter der Oberfläche mit sich trägt und gerne offenbart.
Für die Frickel Die Hards müssen halt andere Bands ran und wer es nicht extrem genug haben kann, den werden PFM sicherlich anöden. Ihre Rockmusik ist kunstvoll arrangiert, hat eine eindringliche Atmosphäre und feine Melodien mit tollen Hooks, die sich in der Seele festfressen. Ich bin dabei.
Was den Unterschied zwischen englischer und italienischer Version angeht, das sind allein die Texte. Englisch mit leichtem Akzent ist immer noch einfacher zu verstehen für die meisten als Italienisch. Aber ganz ehrlich, egal welche Version man hört, ich hab ja eh beide gekauft, schön ist die Musik immer.
(8,5 Punkte)
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