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DAVID CROSBY – For Free

~ 2021 (BMG/Warner) – Stil: Singer-Songwriter ~


Mitte August 2021 vollendet David Crosby das 80. Lebensjahr. Seit Jahren muss er seinen Typ 2-Diabetes mit Insulin behandeln, schwört aber auch auf die heilende Wirkung von Cannabis. Erst vor kurzem hat er die Songrechte an seiner Musik verkaufen müssen, um die Hypotheken und seine Familie zu nähren, wie er sagt. Da das Überleben für Musiker in Zeiten von allein auf den eigenen Profit abzielenden Streaming-Diensten nicht einfacher geworden ist, verschanzte sich David Crosby kurzerhand für einige Monate in der Garage seines Sohnes James Raymond und ließ sich von diesem ein mehr als beeindruckendes Alterswerk produzieren.

Der US-amerikanische Singer-Songwriter, der als Gründungsmitglied der BYRDS und CROSBY, STILLS & NASH Geschichte geschrieben hat, und dafür auch zweimal in die „Rock and Roll Hall of Fame“ aufgenommen wurde, präsentiert auf seinem neuesten Solo-Werk zehn Kompositionen, die zumeist in äußerst lebensbejahender Weise aus den Boxen schallen.

 

 

´River Rise´ begleitet den Hörer musikalisch an die sonnige Westküste. David Crosby hat das Eröffnungsstück mit seinem Sohn James Raymond und Michael McDonald (THE DOOBIE BROTHERS) komponiert, damit sogleich diese wunderbaren Harmoniegesänge aus den Mündern von Crosby und McDonald erschallen. ´I Think I´ wirft den Hörer mit noch größeren Gesängen, im Background unterstützt von Gitarrist Steve Postell, in die Zeiten von CROSBY, STILLS & NASH zurück. An der Pedal Steel hat hier Greg Leisz seinen Gastauftritt. Aus der Feder von James Raymond stammt das sich anschließende, fantastische und äußerst schwelgerische ´The Other Side Of Midnight´. Eine echte Fusion aus CROSBY und STEELY DAN ist hingegen ´Rodriguez For A Night´, das tatsächlich gemeinsam mit STEELY DANs Donald Fagen für dieses Werk komponiert wurde. Schließlich ist Crosbys Liebe zum Jazz bekannt. Zwischendurch wird es allerdings mit dem Stehtänzer, dem ´Secret Dancer´, auch ruhiger.

Zu den lebendigen Harmonien trägt im bluesigen ´Ships In The Night´ Michelle Willis aus dem Hintergrund bei. Doch das große Duett folgt erst mit ´For Free´. David Crosbys Lieblingslied von Joni Mitchell, aus ihrem 1970er Werk ´Ladies Of The Canyon´, singt er zum Piano gemeinsam mit der Americana-Sängerin Sarah Jarosz. In ´Boxes´ blitzt sodann einmal mehr die Begabung des Session-Gitarristen Shawn Tubbs auf. Dagegen entwickelt sich ´Shot At Me´ in seiner Gemächlichkeit zum Stampfer. In diesem Falle erweckt Dean Parks die glitzernden Töne an der akustischen und elektrischen Gitarre. Den Schlusspunkt setzt eine weitere Komposition von James Raymond, ´I Won’t Stay For Long´, die dramatisch und besonnen zugleich den Mythos von Orpheus, der seine Frau Eurydike aus dem Totenreich zurückholen will, auferstehen lässt.

Während die Lieder der A-Seite, von ´River Rise´ bis ´Secret Dancer´, beinahe umgehend ins Herz geschlossen werden und sich an die Seite der Klassiker stellen wollen, kämpfen die der B-Seite, von ´Ships In The Night´ bis ´I Won’t Stay For Long´, schwerfälliger um ihr Recht an der Sonne und werden erst im Laufe der Jahre richtig ans Herz gewachsen sein.

(8,5 Punkte)

https://www.facebook.com/OfficialDavidCrosby


Pic: Anna Webber