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COLD IN BERLIN – Wounds

2025 (New Heavy Sounds) - Stil: Doom Gothic, Post Punk

Mit ´Wounds´ erhebt sich COLD IN BERLIN nach sechs Jahren der Stille erneut aus den Schatten der Londoner Underground-Szene, getragen von einer Mischung aus Doom, Post Punk und treibendem Krautrock, die das Quintett zu einer unverwechselbaren Klangmacht verdichtet.

Vom ersten Ton an strömt die rohe Energie der Band direkt auf den Hörer, während zugleich die Präzision eines Kollektivs hörbar wird, das über Jahre gewachsen und gereift ist. Die Klangräume öffnen sich weit und dunkel, durchzogen von einer Intensität, die fesselt und erschüttert, die einen hineinsaugt und nicht mehr loslässt, und im Zentrum dieser Welt steht Maya Berlin, deren Stimme hypnotisch, durchdringend und zugleich verletzlich jeden Raum erfüllt, wie ein Instrument, das die Geschichten der Songs direkt ins Gedächtnis einprägt.

´Hangman’s Daughter´ setzt mit einem pulsierenden Electro-Bass ein, der sich wie ein dunkler Strom durch das Stück zieht, während Gitarren und Gesang sich zu einer post-punkartigen Schärfe verdichten, die die Dramatik unerwiderter Liebe greifbar macht, den Schmerz hörbar, aber auch die Kraft, die daraus entsteht, die das Stück vorantreibt und die gesamte Klanglandschaft in Bewegung hält.

´12 Crosses´ entfaltet ein größeres, verwobenes Klanggewebe. Harmonien verschlingen sich, das Saxophon bricht durch, Rhythmen verschachteln sich, und das schwere Erbe des Doom wird mit jazzartigen Akzenten zu einer Dramatik verdichtet, die an die großen Epen der Rockgeschichte erinnert. Jeder Ton trägt die Last der Titelgeschichte, von Wunden, die uns prägen, und zugleich die Stärke verleihen, sich der Zukunft zu stellen.

´Messiah Crawling´ bewegt sich wie ein wogender Strom, in dem Gitarren das Rückgrat bilden, Bass und Synthesizer jedoch die Energie in ungezähmte Bahnen lenken, fast chaotisch, doch immer im Fluss. Maya Berlin erzählt von inneren und äußeren Konflikten, von moralischen Dilemmata zwischen Fürsorge und Selbstschutz, während die Musik zwischen Kontrolle und Aufbruch schwebt, man spürt die Spannung, die jeden Moment in Bewegung hält, ohne je ins Unbestimmte zu geraten.

In ´They Reign´ treten die Synthesizer von Bow Church nach vorn, majestätisch, schneidend, während der Song von einer Liebe erzählt, die herrscht und zugleich zerstört, und die Band Räume formt, in denen sich Spannung langsam aufbaut, in denen man beinahe atmet mit jedem Akkord, der die Bedrohung und Faszination dieser gefährlichen Beziehung spürbar macht.

´The Stranger´ ist ein emotional und klanglich intensiver Moment des Albums. Er erzeugt einen Spannungsbogen aus Post Punk-Abstraktion, Dark Gothic-Atmosphäre sowie doomiger Wucht und führt in einem einzigen Atemzug Liebe, Verlust, Sehnsucht und Sucht zusammen. Die Strophen treiben und die Refrains lassen die Welt kollabieren. Die Synthesizer eröffnen eine transzendente Dimension, die den Hörer vollständig in den Strom der Musik eintauchen lässt.

Mit ´We Fall´ und ´The Body´ verdichtet sich die Musik, verlangsamt sich, der Bass trägt die Melancholie, während Gitarren und Schlagzeug die Dramatik steigern, jeder Song wie eine Passage in einem größeren Epos, die Geschichten von Überleben, Schmerz und Erlösung in den Körper der Hörer legt, spürbar, tragend, ohne Pause.

´I Will Wait´ zieht in die tiefsten Schatten, schleppender Bass, drängendes Schlagzeug, Gitarrenriffs formen eine fast liturgische Atmosphäre, in der Trauer und Geduld ineinanderfließen, während ´Wicked Wounds´ das Album schließlich mit Spoken Word und Instrumentalflächen abschließt, eine kathartische Kraft entfaltend, die alles auflöst und gleichzeitig in die ferne Dunkelheit zurückwirft, ohne je abrupt zu enden.

´Wounds´ ist ein Meisterwerk der Balance zwischen rigoroser Komplexität und unmittelbarer, emotionaler Wucht, ein Album, das die rohe Kraft der Live-Auftritte einfängt und zugleich die Präzision eines durchkomponierten Studiowerks besitzt. Post Punk, Doom, Krautrock, Free Jazz-Elemente und synthgestützte Klanglandschaften verschmelzen zu einem kohärenten, epischen Werk, das die Vergangenheit der Band reflektiert und zugleich neue Klangwelten eröffnet.

Dieses Album ist ein biblisches Statement über Schmerz, Überleben und die Schönheit der Dunkelheit, wie sie nur COLD IN BERLIN vermitteln können. Jede Note, jede Stimme, jeder Klang ist Teil einer Musik, die aus der Dunkelheit schöpft, um die tiefsten menschlichen Emotionen hörbar und fühlbar zu machen.

(8,88 Punkte)

https://www.facebook.com/coldinberlinband


Pic: Rupert Hitchcox

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