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THE MAMMUTHUS – The Last Trumpet Of A Giant

~ 2021 (Sliptrick Records) – Stil: Hard Rock ~


„Hey Don Carlos, Du bist doch hier der Experte für Mammuts. Das ist doch dann was für Dich!“

So, oder so ähnlich bin ich dazu gekommen, diese Platte zu rezensieren und dafür bin ich Less sehr, sehr dankbar, denn das, was ich dadurch zu hören bekam, ist mit das Beste, womit ich in diesem Jahr bisher meine Ohren verwöhnen durfte!

(Mammuthus ist, wie bereits zu vermuten war, der wissenschaftliche Name für Mammut und man sollte diese Band nicht mit den MAMMUTHUS aus Neuseeland verwechseln. Das „THE“ ist in diesem Fall entscheidend!)

THE MAMMUTHUS waren mir vorher gänzlich unbekannt und das, obwohl die Schweden aus Trollhättan es bereits auf zwei EPs (´Khatanga´ und ´The Herd Is Gathering´, 2015 bzw. 2016) und ein Debütalbum (´Forever Tree´, 2019) gebracht haben. Und nein, Trollhättan ist keine Siedlung in den Trollwäldern zwischen Bree und Bruchtal, wo die Trolle statt in Höhlen in hohen Türmen leben, sondern tatsächlich ein wichtiger Industriestandort etwa 75 km nördlich von Göteborg. Aber ich gebe zu, dass man beim Anblick des Plattencovers zunächst tatsächlich ersteres vermuten könnte!

Da man die Debüt-LP ganz normal erwerben kann, habe ich bereits nach dem ersten Hören von ´The Last Trumpet Of A Giant´ nicht lange gefackelt und das Teil gleich bestellt. Mehr als einen Durchlauf hat die aktuelle Scheibe nämlich nicht benötigt, um mich absolut zu begeistern und seitdem wächst sie von Durchlauf zu Durchlauf weiter.

Lasst euch aber vom Bandnamen und von dem in meinen Augen genialen Cover nicht auf eine falsche Fährte locken. Beides verleitet nämlich spontan dazu, die Band in die Stoner und Psychedelic Rock-Schublade zu packen. Zumindest ging es mir so und auch das lettische (!) Label „Sliptrick Records“ verkauft ihre Musik unter diesen Etiketten. Ob es glaubt damit eine größere Hörerschaft zu erreichen?

Tatsächlich handelt es sich aber meiner Meinung nach bei der Musik von THE MAMMUTHUS um Hardrock, der an einigen wenigen Stellen mit psychedelischen Elementen und  Stoner-Riffs bereichert wird. Genauso wie man bestimmte Gerichte dezent mit einem Hauch Knoblauch und/oder Chili aromatisiert, um sie dadurch noch interessanter und schmackhafter zu gestalten. Mag sein, dass das Genre Hardrock in den Ohren einer jugendlichen Hörerschaft mittlerweile etwas verstaubt klingt, aber das tut der Hardrock von THE MAMMUTHUS keineswegs und deshalb bezeichne ich ihre Musik als zeitlosen und großartiger Hard Rock. Punkt!

Auch die Band sieht das erfreulicherweise so. Ich zitiere: “Some call it stoner, others rock or even metal, but what THE MAMMUTHUS is all about, is heavy guitar driven hard rock, with organic groove, rooted in the sounds of the 70’s. Genres such as rock, blues and doom, reflects on the band’s influences.”

 

 

Bereits aus dem Opener ´Pile Of Gravel´, in dem die beiden rockigen Gitarren die Marschrichtung vorgeben, trieft der Blues nur so heraus und ja, wenn man unbedingt will, dann kann man auch einige Nuancen aus dem Genre des Stoner Rock mit der Musik in Zusammenhang bringen. Die warme unaufgeregte Stimme von Sänger Joachim Åkerman tut ihr Übriges, damit man sich bei diesem Stück entspannt zurücklegen und ganz der Melodie und seinem Gesang hingeben kann. Sicherlich handelt es sich bei Joachim nicht um den Sänger mit der größten stimmlichen Bandbreite, aber seine angenehme und in einer mittleren Tonlage angesiedelte Stimme bettet sich wunderbar zwischen den beiden Gitarren ein und konkurriert nicht mit ihnen, sondern bildet ganz im Gegenteil mit diesen ein harmonisches Gefüge. Aber bereits beim folgenden Titelstück, bei welchem der letzte Trompetenstoß des Riesen das Ende dieser Gattung (oder der Welt, wie sie einmal war) einleitet, agiert Joachim variabler und legt einen derart gefühlvollen Refrain hin, dass man sich überrascht die Ohren reibt.

Wer nun glaubt, es könne nicht mehr schöner kommen, der wird dann bei ´Riddles´ vom Zusammenspiel der beiden Gitarreros Kalle Edh und Mikael “Lyris” Karlsson eines Besseren belehrt. In diesem Stück lässt mich die Kombination aus Gitarrenarbeit und Joachims gefühlvoller Stimme, die zwischen den Strophen von einem leise im Hintergrund säuselnden Chor abgelöst wird, förmlich dahinschmelzen. Nein, das ist nicht kitschig, das ist ganz große Kunst. Die traumhaft locker lässige Arbeit der beiden Gitarren übertrifft das meiste, was ich in letzter Zeit von Sechssaitern gehört habe. Hierzu gesellen sich dann aber auch noch sich in die Gehirnwindungen hineinfräsende Hooklines, ein klar vernehmbarer Bass und ein relaxed aufspielendes Schlagzeug, das wieder und nicht zum letzten Mal perfekt durch die Klänge der Percussion ergänzt wird. Ein echtes Highlight mit ganz leichten psychedelischen Momenten.

´Ostrich Man´ beschwört gar die 60er herauf und verbreitet ein wohlig warmes Gefühl. Ein Song bei dem man den Refrain automatisch mitsingen möchte. Oder man schließt die Augen und stellt sich vor, auf einer Wiese zu liegen, das weiche Gras unter sich, den Duft von Feldblumen in der Nase, die Wärme der Frühlingsonne auf dem Gesicht und dazu weht ein laues Lüftchen, das die Nase umspielt. Eure Liebste, oder euer Liebster, liegt neben euch und ihr könnt ihren oder seinen flachen Atem durch das sanfte Rauschen der Gräser im Wind hindurch nur ganz leise vernehmen, aber die Hand, die leicht in der euren liegt und diese zart drückt, sagt euch, dass ihr nicht alleine seid. (Blenden wir einfach einen Moment lang aus, dass der Titel „Straußen-Mann“ bedeutet und einen Menschen versinnbildlichen soll, der den Kopf in den Sand steckt.)

Die etwas rockigere Nummer ´Tombstone Rumble´ zeigt, dass THE MAMMUTHUS es auch etwas zackiger angehen können, es dabei aber sehr viel melodischer zugeht, als beim Rumpeln mit Grabsteinen. Mit ´Yanar Dag (The Burning Mountain)´, geht es anschließend per Slide-Guitar in Richtung Südstaaten und es wird eine Nummer geboten, die allen Fans von LYNYRD SKYNYRD ein Lächeln aufs Gesicht zaubern wird, obwohl es sich bei Yanar Dag eigentlich um ein seit dem Altertum brennendes natürliches Erdgasfeuer am Hang eines Hügels in Aserbaidschan handelt. Aber ganz egal ob Alabama oder Aserbaidschan, es ist einfach ein großartiger Song!

Und was für ein Einstieg bei ´Wildfire´! Gitarre und Percussion, dazu Joachims Stimme. Bei diesem Stück schwingt immer auch ein Stück SANTANA mit, oder die ALLMAN BROTHERS oder…egal, auf jeden Fall wieder einmal ein toller Song!

Und das Kopfkino geht weiter: Bei ´Wooden Walls´ finde ich mich zu später Stunde auf dem Hocker an der Bar eines kleinen Clubs wieder und wippe gleichzeig mit Kopf und Füßen zu der rhythmischen Musik, die ich mit geschlossenen Augen genieße. Entrückt, wie aus weiter Ferne, dringt die Musik und der Gesang an meine Ohren und als ich zum Ende hin bei dem wundervollen Intermezzo aus Gitarren und Bass die Augen öffne, stelle ich fest, dass die Musik von einem Quintett auf der winzigen Bühne an der Ecke kommt, wo der Sänger über das Mikro gebeugt sein Herz ausschüttet und die über sein Gesicht hängenden Haare die Tränen verbergen, die in seine Augen strömen.

Beim abschließende ´The Raven´ handelt es sich dann um eine traurig melancholische Ballade, die das Album ruhig ausklingen lässt.

Es ist vermutlich unverkennbar, wie sehr ich von dieser Scheibe angetan bin, die so viel zu bieten hat. Ich wiederhole mich da gerne: tolle Gitarrenmelodien, aber auch prägnante Riffs, eine charismatische und einnehmende Stimme sowie eine starke Rhythmussektion, die erheblich zum harmonischen Gesamtbild beiträgt und nicht nur schmückendes Beiwerk ist. Alle Instrumente bekommen ihren Freiraum und vermögen ihre Akzente zu setzen. Mal nehmen sich die Instrumente zurück und überlassen dem Gesang ausreichend Raum, nur um kurz darauf mit voller Macht das Zepter zu schwingen und ein wahres Feuerwerk an Riffs und Melodien abzubrennen. Die Songs sind alle sehr abwechslungsreich und jeder einzelne hat etwas Besonderes zu bieten. Ich hoffe, die Band erhält zukünftig mehr Aufmerksamkeit, denn das hat sie wirklich verdient.

Deshalb gibt es von mir fette

(9 Punkte)

 

 

Wer das von Bullen Almquist stammende Artwork des Covers in seiner vollen Pracht bewundern möchte, der kann das hier tun.

THE MAMMUTHUS sind:
Joachim Åkerman – Gesang
Mikael “Lyris” Karlsson – Gitarre
Simon Wärnén – Schlagzeug
Rolf Norling – Bass
Kalle Edh – Gitarre

https://www.facebook.com/themammuthus
https://sliptrickrecords.com/the-mammuthus/


(VÖ: 04.05.2021)