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TOM PETTY – Finding Wildflowers (Alternate Versions)

~ 2021 (Warner Music) – Stil: Uramerikanischer Rock ~


Tom Petty, das war der typische US-amerikanische Musiker im positiven Sinne. Unspektakuläre Musik mit kommerziellem Potenzial und trotzdem mit enormem Tiefgang. Bodenständig und immer an Kooperationen mit anderen Musikern interessiert. Tom Petty hatte seinen eigenen musikalischen Kosmos, ohne dass er sich ständig wiederholte. Seine Musik atmete die Weite des Landes und war jederzeit als amerikanisch zu identifizieren, auch wenn THE BEATLES und andere britische Bands ihren deutlich erkennbaren Einfluss auf seine Musik hatten. Nicht ohne Grund musizierte er auch mit George Harrison, einem Seelenverwandten, bei THE TRAVELING WILBURYS. Neben dem poppigen Erbe der BEATLES gab es auch immer Country-Einflüsse – allerdings meist positiver Art – und die ganze amerikanische Rocktradition im Stile von THE BYRDS.

Tom Petty ist bekanntermaßen 2017 kurz vor seinem 67. Geburtstag verstorben. Einmal mehr waren die in den USA inflationär verschriebenen Schlafmittel die Todesursache. Als TOM PETTY & THE HEARTBREAKERS feierte er seit 1976 Millionen-Erfolge. ´Wildflowers´ veröffentlichte er 1994 als zweites Album nur unter seinem Namen. Es war für viele einer seiner kreativen und mit drei Millionen verkauften Alben auch kommerziellen Höhepunkte. Das Album war weniger poppig, dafür umso intimer in der musikalischen Umsetzung, natürlich auch wegen der Produktion von Rick Rubin (in Kooperation mit Tom Petty und HEARTBREAKERS-Lead-Gitarrist Mike Campbell), der hier einmal mehr die Musik auf das Notwendige reduzierte und viel Ballast über Bord warf. Auch ich habe das Album immer mal wieder aufgelegt, nicht inflationär, aber auch nicht den Staub von der Hülle blasen müssen.

Ex-post hat sich die Familie mit ehemaligen Freunden und Bandkollegen an den Backkatalog gemacht und schon im letzten Jahr gab es diverse Boxsets unter dem Namen ´Wildflowers & All The Rest´. Jetzt sind noch einmal 16 Titel veröffentlicht, 15 alternative Versionen und ein unveröffentlichter Song, das entspannte, rockige ´You Saw Me Comin‘´. Produziert wurde das Album von Ryan Ulyate, einem langjährigen Weggefährten von Tom Petty. Das klingt nicht knarzig und verstaubt oder unfertig wie oftmals irgendwelche Demo-Aufnahmen, die schnell auf den Markt geworfen werden und nur Die-Hard-Supporter zufriedenstellen. Nein, die Aufnahmen sind glasklar und trotzdem schön erdig und ´Wildflowers´ lässt sich (auch von mir) neu wiederentdecken.

Das wunderschöne Titellied, das emotionale ´Hard On Me´, die Hymne ´It’s Good To Be King´, die klare BEATLES-Einflüsse offenbart wie auch ´Only A Broken Heart´. Oder das hervorragende treibende, dunkle ´Drivin‘ Down To Georgia´ sowie das harte (natürlich nur für Toms Verhältnisse) ´Honey Bee´, die stark nach den Südstaaten klingen. Aber auch das luftige ´You Wreck Me´, das einfach wie Tom Petty klingt, so locker aus dem Ärmel geschüttelt und trotzdem mit Substanz. ´Don’t Fade On Me´, depressiv und eingängig zugleich, auf das Notwendigste reduziert und hervorragend gesungen. Nur selten auch etwas langweilig, wie das süßliche ´House In The Woods´ oder (für mich) zu countrylastig wie das eigentlich witzige ´Girl On LSD´. Das Thema hat Lee Clayton allerdings ernsthafter und dramatisch wertvoller umgesetzt.

Die Platte ist oft melancholisch, manchmal mit witzigen gesprochenen Einleitungen, immer frisch, als wäre der gute Tom noch unter uns. Insgesamt für Pettys Anhängerschar ein weiterer Mosaikstein zur aktiven Trauerbewältigung. Aber auch für Neueinsteiger interessant, die ´Wildflowers´ und Tom Petty bisher verpasst haben und einfach ehrliche, handgemachte, zeitlose Rockmusik hören wollen.

(Ohne Wertung)


(VÖ: 16.04.2021)
Pic: Robert Sebree