PlattenkritikenPressfrisch

RYAN ADAMS – Wednesdays

~ 2020/2021 (Pax Americana/Rough Trade) – Stil: Singer/Songwriter ~


Ryan Adams will nicht mit uns sprechen, viel lieber publiziert er überraschend noch im Dezember 2020 sein 17. Studioalbum. Die physische Veröffentlichung erfolgt im März 2021. Seine Pläne, 2019 drei Werke herauszubringen, lagen bis vor Kurzem wieder auf Eis, so dass womöglich im Anschluss an ´Wednesdays´ ebenfalls das als erstes Werk der Trilogie angedachte ´Big Colors´ sowie das dritte, bislang unbenannte Werk das Licht der Welt erblicken.

Bis Ende 2020 und bis zum heutigen Tag meidet nämlich Ryan Adams die Öffentlichkeit wie der Teufel das Weihwasser, nachdem im Rahmen der „Me Too-Bewegung“ im Februar 2019 durch einen Artikel in der „New York Times“ Beschuldigungen von sieben Frauen, u. a. seiner Ex-Frau Mandy Moore und Phoebe Bridgers, gegenüber ihm erhoben wurden. Ryan Adams hätte ihnen Avancen gemacht und ihnen dafür künstlerische Unterstützung versprochen. Erst stritt er die Beschuldigungen ab, entschuldigte sich im Juli 2020 dennoch öffentlich für seine Handlungen: „There are no words to express how bad I feel about the ways I’ve mistreated people throughout my life and career.“

Ohne Anklage und ohne Richterspruch ist seither jedoch niemand berechtigt, ein Urteil über ihn zu fällen. Cancel Culture ist sowas von Gestern. Ohne Unterscheidung zwischen Künstler und Werk fallen wir in ein Zeitalter vor der Aufklärung zurück. Bezüglich ´Wednesdays´ kommt schlicht niemand umhin, dem Künstler Ryan Adams sein vollstes Lob auszusprechen und zu einem seiner stärkeren Werke zu gratulieren.

Ryan Adams selbst lässt seine Musik sprechen und gibt keine Interviews. Er suhlt sich musikalisch im Selbstmitleid und der Selbstzüchtigung. Die neuen Melodien schweben auf ´Wednesdays´ förmlich durch ein Tal der Tränen, durch die Prärie des Americana. Geschrieben wohl in New York City im Beisein seiner Katzen, produziert in Los Angeles von Beatriz Artola, Don Was und ihm selbst, ist ´Wednesdays´ ein für Ryan Adams äußerst wehmütiges Singer-Songwriter-Werk geworden.

Mit Pedal Steel, Klavier und Akustikgitarre bittet Ryan Adams gleich zu Beginn in ´I’m Sorry And I Love You´ um Verzeihung, sagt aber auch wichtige Sätze: „If I could see your face maybe you could erase. The lies with the truth.“ Noch trauriger fragt er ´Who Is Going To Love Me Now, If Not You´?

Es gibt mit ´Birmingham´ Country-Folk und mit ´So, Anyways´ eine wunderbare Ode eines Singer-Songwriters zu genießen. Es herrscht aber auch pure Schwermut, wenn Adams im von Bass und Gitarre getragenen ´Walk In The Dark´ seine dunklen Pfade preisgibt, getrieben von den Dämonen aus ´Poison & Pain´: „And my demons that got so bored of dreamin‘. My demons alcohol and freedom.“ Um am Ende mit neuer Hoffnung aufzuwachen und mit ´Dreaming You Backwards´ ein Trost spendendes Lied inklusive etwas Chorgesang zu präsentieren: „May your arm rest easy on your pillow. May you cry every tear and forget. The long roads we took and the time we lost grieving. And may your love find its way back home again. May your love find its way back home again.“

(8 Punkte)

https://www.facebook.com/ryanadams/


Pic: Noah Abrams