Redebedarf

DEEP IMAGINATION

~ Interview mit Thorsten Sudler-Mainz ~


Wenn sich elektronische Schönheit und epische, bisweilen dunkle und progressive Rock-Klänge einen, findet sich der Musikliebhaber bei DEEP IMAGINATION ein.

Um noch tiefer einzutauchen, trafen wir zum aktuellen Studioalbum ´My Silent Celebration´ Mastermind Thorsten Sudler-Mainz zu einem netten Plausch.

Hallo, Thorsten, erst einmal Gratulation zur neuen Scheibe. Wie lange hast Du an den Kompositionen vorab getüftelt und wie lange brauchtest Du für die Aufnahmen?

Thorsten Sudler-Mainz: Hallo Michael, danke für das Kompliment und für die schöne Berichterstattung zu DEEP IMAGINATION auf Streetclip.de. An den Songs zu ´My Silent Celebration´ habe ich zum Teil sehr lange gearbeitet. Vor allem natürlich an den Longtracks wie ´Burning Sun´, bei den Singles wie ´In My Memory´ war ich aber auch nicht viel schneller. Das kommt davon, wenn man gerne an Details arbeitet und das kann dann schon mal dauern, bis ich mit dem Ergebnis zufrieden bin. Komposition, Recording und Produktion sind dabei ein fließender Prozess. Insgesamt habe ich etwa zweieinhalb Jahre an dem Album gearbeitet.

Was besonders in den aktuellen Zeiten nicht verkehrt ist. Du kannst in einem Homestudio aufnehmen, oder?!

Ja, da sprichst Du einen absolut wichtigen Punkt an. Mit dem „Imagination Studio“ habe ich seit 2018 mein eigenes autarkes Studio, in dem alles passiert, von der Idee bis hin zum fertigen Mix.

Wie konntest Du denn zum aktuellen Werk alle Gast-Musiker zur Teilnahme bewegen, oder waren dies gewöhnliche Freundschaftsdienste unter Musikern?

Das sind alles Freunde, die Lust haben, bei DEEP IMAGINATION mitzumachen. Gastmusiker kommen auf meinen Produktionen dann ins Spiel, wenn der jeweilige Song etwas benötigt, das ich selbst so nicht umsetzen kann. Zum Beispiel weiblicher Gesang, oder virtuose Gitarrensoli.

Wenn ich mit Freunden wie meinem neuen Gastsänger Torsten „Hardy“ Hartmann Gesänge aufnehme, arbeite ich vorab alles aus, bei einem Solo meines Gastgitarristen Günter Kaufmann lasse ich ihm beim Einspielen alle Freiheiten und verwende dann bei der Produktion die besten Parts. Es macht viel Spaß, mit Gastmusikern zusammenzuarbeiten. Das mache ich ja schon seit eh und je.

Die Zeitspanne betrug diesmal von Studioalbum zu Studioalbum etwas länger. Aber eine EP schiebst Du öfters noch dazwischen.

Ja, EPs sind als Medium auch eine feine Sache und auch nicht so aufwändig wie ein ganzes Album. Ich fand auch diese Zeit in den 80ties, als diese Vinyl-Maxi-Singles kamen, auf denen nur 4 Tracks waren, ganz wunderbar. Das 4-Track Format ist auch sehr cool.

Sind Dir EPs und Singles heute noch etwas wert oder werden sie in dieser schnelllebigen Zeit für das Publikum sogar wieder interessanter?

Sie werden immer interessanter. Es gibt dir viele Möglichkeiten von der Veröffentlichung eines einzelnen Tracks über eine EP bis hin zum Albumformat. Ich finde EPs auch gut, um Versionen oder Remixe zu veröffentlichen. Am Ende wird aber sicher das Album als das große Werkformat bleiben. Das gilt zumindest für DEEP IMAGINATION.

Wie fällt Dein persönlicher Vergleich zu den Jahren aus – als Du mit Deinem Debüt anno 2005 und einem Auftritt bei einer Kunstausstellung in Bad Homburg begonnen hast?

Grundsätzlich will ich mich musikalisch immer weiter entwickeln und jede Zeitspanne mit der jeweiligen Musik hat da ihre Berechtigung. Man kann diese aber nicht vergleichen. 2005 war da aber sehr wichtig, denn ich wäre heute nicht an diesem erfolgreichen Punkt mit meiner Musik und diesem Album, wenn ich den Weg mit DEEP IMAGINATION nicht begonnen hätte.

 

Ann Kareen Mainz und Thorsten Sudler-Mainz

 

Anfangs warst Du ja auch noch ganz elektronisch und instrumental unterwegs.

Ja, stimmt, es war eine völlig andere Zeit und Herangehensweise. Damals hatte ich mit ART OF INFINITY mein Hauptprojekt und habe mit einem musikalisch total reduzierten Konzept parallel dazu mein Soloprojekt gestartet. Die ersten drei Alben von DEEP IMAGINATION sind rein instrumentale Ambient-Werke, die ich ganz bewusst so konzipiert habe, damit ein Unterschied zu ART OF INFINITY bestand.

Was gab den Ausschlag, dies ab 2015 mit dem Einsatz von Gesang zu ändern?

Mit ART OF INFINITY hatte ich von 1996 bis 2012 ein Duo-Projekt am Start, das ich zusammen mit dem Kölner Produzenten Thorsten Rentsch gegründet hatte. Wir arbeiteten damals mit vielen bekannten und ausgezeichneten Gastmusikern zusammen und die Produktionen fanden in großen Kölner Tonstudios statt. Ich durfte den größten Teil der Kompositionen beisteuern, während Thorsten Rentsch für den größten Teil der Produktion verantwortlich war. Es war eine geniale Zeit, in der ich viel über die Musikproduktion gelernt habe. 2004 haben wir mit dem zweiten ART OF INFINITY-Album ´Dimension Universe´ einen Plattendeal bei BSC Music/Prudence unterschrieben, was für uns den Einstieg ins Musikbusiness bedeutete. Wir haben mit ART OF INFINITY insgesamt vier äußerst aufwändig produzierte Alben mit Musik zwischen Artpop, Elektronik und Artrock veröffentlicht und ein einziges und auch deshalb denkwürdiges Konzert im Planetarium Bochum gespielt. Nachdem ART OF INFINITY 2012 aber in den Dornröschenschlaf gefallen war, übertrug ich das Konzept auf DEEP IMAGINATION und habe es weiterentwickelt. 2015 habe ich dann die EP ´Dancing With Ghosts´ veröffentlicht, auf der bei DEEP IMAGINATION erstmals Gesang und Gitarren zu hören waren und im Gegensatz zu ART OF INFINITY habe ich da auch schon wieder erste Darkwave-Elemente eingeflochten.

Liegt es an Deiner Musik, die sich ja in den elektronischen Weiten aufbaut, dass Du insgeheim der Solo-Tüftler geblieben bist, und keine Bandbesetzung aufgebaut hast?

Da ich ja schon ziemlich lange dabei bin, genauer gesagt mache ich seit 1982 Musik, habe ich natürlich auch schon einiges erlebt. Ich habe die Gefüge verschiedener Bands und Duos kennengelernt und früh auch schon ein Soloprojekt und eigenes kleines Studio gehabt. Schon in den 80ties habe ich in Darkwave- und Artrock-Bands gespielt. In den 90gern kam ich zur Elektronik und es begann die Zeit von ART OF INFINITY. Mit diesen Erfahrungen und weil ich selbst singe und verschiedene Instrumente wie Keyboards, Gitarre, Drums und Percussion spiele, kann ich heute meine Musik und komplette Produktionen unabhängig von Zeit, Raum, Kompromissen und Befindlichkeiten selbst umsetzen. Das bedeutet für mich die totale künstlerische Freiheit und ist der optimal Zustand. Und mit anderen Musikern arbeite ich ja trotzdem, auch ohne Bandgefüge, zusammen. Ich finde es cool, wenn ein Musiker ein Netzwerk hat und neben seinem Hauptprojekt auch andere Sachen macht.

Da Du Dich ja auch um das gesamte künstlerische Bild ringsherum kümmerst, sollte man annehmen, dass Dich DEEP IMAGINATION sehr auslastet.

Das stimmt, ich bin eigentlich immer dabei, DEEP IMAGINATION weiter zu entwickeln. Die Komposition und die Produktion sind dabei das Wichtigste, aber auch eine gute mediale Präsentation von Musik ist wichtig und wenn du nur sehr selten live spielst, musst du auch schauen, dass du interessante Videos machst und gute Fotos am Start hast und so weiter. Manchmal denke ich, ok, jetzt hast du ein Projekt abgeschlossen, das war extrem viel Arbeit und du brauchst mal eine Pause. Die dauert dann aber meist nicht lange und ich fange wieder an, neue Ideen zu entwickeln. Das ist eben das, was mich zufrieden und glücklich macht, es ist mein Elixier.

Was sagt Deine Familie dazu?

Die freut sich auch, wenn ich glücklich bin. Übrigens, meine Partnerin Ann Kareen Mainz und mein Sohn Leon sind als Sänger Teil meines Gastmusikerpools und auch auf ´My Silent Celebration´ zu hören. Wir sind eine musikalische Familie und das klappt wunderbar.

 

Achim von Raesfeld und Thorsten Sudler-Mainz

 

Es ist zwar nicht völlig einzigartig, aber wie kommt man auf die Idee, seine Vorlieben für die New Wave/Synthwave-Zeiten der Achtziger, sogar dem Gothic aus diesen Jahren, mit Artrock und Prog Rock, im Speziellen gar mit PINK FLOYD zu verbinden?

Das ist meine musikalische DNA. Ich denke, jeder Musiker hat seine prägende Zeit und irgendwann verfügt er über ein gewisses Grund-Repertoire, aus dem er sein Leben lang schöpft. Du kannst aber auch immer neue Wege gehen und andere Spielarten ausprobieren. Die Erfahrungen daraus können dich in deiner musikalischen Entwicklung weiterbringen. Deine Wurzeln bleiben aber und über diese Kombination kommst du irgendwann zu einem eigenen Stil.

Ich bin in den 70ern mit dem Artrock von PINK FLOYD aufgewachsen und habe in den 80ern in der Hochzeit von Darkwave selbst begonnen, Musik zu machen. Das prägt und dann hast du es einfach in dir.

Bei der neuen Scheibe ´My Silent Celebration´ hast Du gesagt, diese Achtzigerjahre-Musik brächte Dir wieder die Jugenderinnerungen ins Bewusstsein. Ein Zurück-zu-den-geliebten-Zeiten-Album?

´My Silent Celebration´ nimmt Elemente aus den 80gern auf und spannt musikalisch und inhaltlich einen Bogen in die Gegenwart und hat nicht den Anspruch, Retro zu sein. Wobei die Musik auf dem Album wirklich alle meine Einflüsse und Erfahrungen aus vier Jahrzehnten beinhaltet. Ich lebe aber im Hier und Jetzt und jammere nicht über die vergangene Jugend und will gerne irgendwohin zurück.

Dennoch habe ich genau das Thema mit den Lyrics der neuen DEEP IMAGINATION-Single ´In My Memory´ bearbeitet. Das ist ziemlich autobiografisch, es geht um einen alten Musiker, der sich großartiger alter Zeiten besinnt und feststellt, dass er im tiefen Inneren noch genau der Typ ist, der er vor vielen Jahren schon war. Er schaut aber nicht wehmütig zurück, sondern transformiert dieses Feeling in einem positiven, wenn auch sehr melancholischen Sinne, in die Gegenwart. Hier war es cool, dass ich mit Torsten „Hardy“ Hartmann einen wunderbaren Sänger kennengelernt habe, der bei ´In My Memory´ die Lead Vocals übernommen hat und auch zusammen mit mir im Videoclip auftritt. Das Stück wurde übrigens auch gerade auf dem CD-Sampler ´Cold Hands Seduction 225´ des „Sonic Seducer Musikmagazin“ veröffentlicht, was für DEEP IMAGINATION ein toller Erfolg ist.

Hast Du bewusst längere Songs konzipiert oder entstehen die alle aus dem Gefühl heraus?

Das ist meist etwas, das sich aus der musikalischen Idee heraus entwickelt. Wenn ich an einer neuen Komposition arbeite, denke ich manchmal, hey, das ist eine Single oder das ist ein Long Track oder das muss irgendwie hymnisch werden. Es gibt Parts, die muss man einfach abschicken, wie ich es nenne. Das kann wie ein endloser Ritt durch die Wüste sein oder einfach das Verharren in einem repetitiven musikalischen Muster, der dich in einen tranceartigen und archaischen Zustand versetzen kann. Oder du arbeitest mit unterschiedlichen Parts, die in 8-taktigen Übergängen ineinandergreifen. Long Tracks sind herrlich, ich glaube, da haben mich PINK FLOYD stark beeinflusst.

Gehörtest Du einst zum schwarzen Block und warst ein echter Gothic-Anhänger?

Ja, es gab auf jeden Fall eine Zeit Mitte der 80ger, in der ich mich mit der Musik von Bands wie DEAD CAN DANCE, THE CURE, SISTERS OF MERCY, THE CHAMELEONS oder FIELDS OF THE NEPHILIM komplett identifiziert habe. Wir wollten damals mit unserer Band auch so klingen wie die. Aber ich war noch ein ziemliches Greenhorn und hatte keine Ahnung, wie ich das, was ich wollte, hinbekomme. Wir sind fast jede Woche in die „Batschkapp“ nach Frankfurt gepilgert und haben die da fast alle live erlebt. Das war ja eine komplett neue Musik und das war unsere Zeit. Ja klar, in zerrissenen schwarzen Klamotten rumlaufen war normal, aber mich hat vor allem die Musik und die tiefe Melancholie, gepaart mit einer gewissen Romantik fasziniert. Irgendwann aber landeten wir musikalisch in der Destruktivität und mir wurde das alles zu depressiv. Da wollte ich nicht mehr so düster klingen und habe auch andere Wege erkundet. Übrigens spielte ich damals in den 80ties schon mit meinem guten alten Freund Achim von Raesfeld zusammen, der jetzt auch auf meinem neuen Album bei ´Coming From The Cold´ an der Gitarre zu hören ist. Wir haben seit langem wieder was zusammen gemacht und es ist, als würde sich ein Kreis schließen. Das ist einfach wunderbar.

Aber die Elektronik-Szene, besonders die Berliner Schule mit TANGERINE DREAM und KLAUS SCHULZE hat Dich dann erst im Nachhinein begeistert?

Vielleicht weil ich aus Deutschland komme, wurde zu Beginn der Nullerjahre meine Musik oft mit diesen Acts in einen Topf geworfen. Und manchmal auch heute noch. Die reine Berliner Schule hat mich in Wahrheit aber gar nicht beeinflusst. Eher mehr ambiente Klangflächen als endloses Pulsieren. Eher mit Gesang und echten Trommeln als rein instrumental mit Elektrobeats. Das ist aber reine Geschmackssache und ich versuche, immer sehr respektvoll zu bleiben. Die großen Erfolge und der wichtige künstlerische Anteil der Berliner Schule an der Rock- und Popmusik aber sprechen am Ende für sich. Wenn ich elektronische Musik nennen soll, die mich begeistert, dann würde ich eher den genialen Trip Hop von MASSIVE ATTACK oder PORTISHEAD nennen.

Gibt es bestimmte Musikrichtungen, bei denen Du sagen würdest, das ist genau mein Ding? 

Ich weiß, dass die meisten Musik gerne kategorisieren, das ist auch absolut verständlich und bei der heutigen wöchentlichen Veröffentlichungswelle sicher hilfreich. Wenn Musik gut gemacht ist und meine Emotionen trifft, dann ist sie mein Ding, egal aus welcher Kategorie und Kultur sie kommt. Aber wenn, dann würde ich Artrock, Darkwave, Gothic, Trip Hop und Ambient nennen.

Gibt es auch Musik, die Du selber zum Entschleunigen aus dem Alltagsleben nutzt, oder wie fährst Du aus dem ganz normalen Stress herunter?

Wenn ich Musik höre, dann ist das eigentlich immer analytisch. Ich höre in die Komposition und die Produktion hinein. Meist schaue ich gezielt nach Stücken von Acts, von denen ich mir einen Eindruck verschaffen möchte, weil ich vielleicht eine interessante Review gelesen habe. Ich schaue mir derzeit auch gerne gute TV-Produktionen von Live-Konzerten an. Das kann inspirierend und entspannend zugleich auf mich wirken. Meist bin ich aber in Gedanken an meinem aktuellen Song, lasse einzelne Stellen ablaufen und entwickle eine Instrumentierung oder die Gesangslinie weiter. Das ist ein permanenter Prozess. Die Kunst ist, den Zeitpunkt zu erwischen, wann du dem Track ein bisschen Zeit gibst und ihn auch mal eine gewisse Zeit liegen lässt, um ihn später mit frischem Ohr auf den nächsten Level zu heben.

Und welcher Künstler bringt Dich auf Hochtouren und begeistert Dich heutzutage?

Es gibt Alben, die sind so gut und so magisch, dass sie, in gewissen Abständen gehört, immer wieder die gleichen großen Emotionen bei mir auslösen können. Dazu gehören ´Within A Realm Of A Dying Sun´ von DEAD CAN DANCE oder ´The Dark Side Of The Moon´ von PINK FLOYD und natürlich unzählige Song-Klassiker aus den letzten Jahrzehnten.

Aber auch Neues begeistert mich, wie das Stück ´Krigsgaldr´ der Dark-Nordic-Folk Band HEILUNG. Sie kreieren Musik aus einer Zeit vor der Zivilisation und vor den Religionen, basierend auf der damals bereits existierenden schamanischen Musik. Ich liebe diese Musik mit ihrer Mystik und dem tollen Gesang der Sängerin Maria Franz, weil sie tief in die archaische Seele geht. Dorthin, wo ich mich gerne von Musik berühren lasse.

 

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