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FEE – Rezeptfrei

~1982/2020 (Sireena Records) – Stil: Neue Deutsche Welle ~


Es war einmal die HOLDE FEE, doch sie spielte in den Siebzigerjahren Rock mit Funk und Jazz. Eine Single-Veröffentlichung 1973, eine LP 1976 (´Malaga´) mit englischen und deutschen Texten sowie eine unveröffentlichte LP 1978 (´Paradise Lost´) standen in ihrer Diskografie. Doch nach einem Besuch auf einem AC/DC-Konzert [sic!] wurde 1979 aus der holden Fee nur noch die FEE. Die FEE bediente sich fortan nicht mehr ausschließlich des Hardrock, sondern vielmehr des New Wave aus England.

Die Besetzung bestand zu dieser Zeit aus Andreas Becker (Gitarre), Gerd Reulecke (Bass), Ralli Lewitzki (Schlagzeug), Lothar Brandes (Keyboards) und Tom Ruhstorfer (Gesang). Zudem verstärkten sich FEE durch den Eintritt von Sängerin Marlies Borcherding.

Nach einer für den NDR produzierten Radiosendung entdeckte Frank Mille (Ex-RATTLES) die Gruppe und produzierte ihr 1981er Debüt. 150.000 Scheiben von ´Notaufnahme´ wechselten den Besitzer. Auf dem 1982er Nachfolger ´Rezeptfrei´ ersetzte Martina Knorr Sängerin Marlies Borcherding. Die Braunschweiger produzierten noch ´Schizofeenie´ (1983) und ´Große Taten, krumme Dinger´ (1985). Nach einer deutschen Version von ´In The Army Now´ (STATUS QUO) lösten sich FEE 1987 auf.

„Sireena Records“ legt in diesen Tagen ´Rezeptfrei´ und ´Schizofeenie´ frisch auf.  Das erneut von Frank Mille produzierte Zweitwerk ´Rezeptfrei´ von FEE war für Martina Knorr das Debüt. Die aus der Punk-Szene stammende Sängerin brachte frischen Wind in die Formation. FEE bewahrten sich im entsprechenden Zeitgeist, trotz Synthesizern, eine gewisse Räudigkeit und waren natürlich durch das Umschwenken auf deutsche Texte infolge der Namensänderung voll im Trend der Neuen Deutschen Welle gelandet.

Der veritable Hit ´Schweine im Weltraum´ (nicht mit dem gleichnamigen Lied von GROBSCHNITT aus dem selben Jahr zu verwechseln) ist die Hymne des Albums, besitzt den Bass von EXTRABREIT und den beinahe gegrölten Mitsingrefrain für die darauf wartenden Massen. Die ersten Sekunden des Rockers ´Kater – Katze´ mit klitzekleinem VAN HALEN-Spirit tönen sogar überraschend nach RUSH. Der schnelle New Wave-Rocker ´Mach Kohle, Alter´ bietet hingegen das schöne Spiel zwischen Hardrock-Gitarre und Keyboards sowie ein mit wenigen und schlichten Zeilen gespicktes Duett von Sängerin und Sänger. Derb und zeitgemäß. Dieses Spiel zwischen einem Macho und seiner Maid steigert ´Wunderschön´ weitaus lieblicher.

´Ab die Post, Nahost´ wird hingegen in seinem einfach schunkelnden Rhythmus sowie ebenso genügsamen Refrain in Form des Songtitels politisch. ´Wenn Du keinen Krach machst´, ja, „dann wirst du nicht gehört“, war sogar ein guter Slogan für die Jugend. ´Frankfurt – Frankfurt´ setzt jedoch drei Jahre nach dem Klassiker ´Bankfurt´ keine Steigerung einer musikalischen Liebesbeziehung zur Mainmetropole. Die generelle Attraktivität von FEE zeigt dagegen ´Kein Reiz´, thematisch über einen letztlich kastrierten Exhibitionisten, wenn abwechselnd den New Wave-Keyboards der selbe Raum eingeräumt wird wie den harten Gitarren.

Die echten Highlights schallen jedoch immer dann aus den Boxen, wenn im Song Martina Knorr den Ton angibt. In ´Spielzeug´ und in ´Plastik´ singt sie so schrill und geil wie es allein Annette Humpe bei IDEAL vermochte. Das ist ganz großes NDW-Kino.

Wer die Neue Deutsche Welle miterlebt hat und FEE bislang nie gehört hat, wird selbst 2020 noch viel Freude an der Musik von ´Rezeptfrei´ verspüren und mit ihr erleben.

(7,5 Punkte)

https://www.facebook.com/Fee1981