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GREY DAZE – Amends

~ 2020 (Loma Vista Recordings / UMG) – Stil: Alternative Rock ~


Business as usual. Geldmacherei. Leichenfledderei. Dies sind natürlich die ersten Gedanken, wenn über eine Wiederveröffentlichung von Chester Benningtons erster Band GREY DAZE gesprochen wird. Starb doch der Sänger von LINKIN PARK vor drei Jahren am Geburtstag von Chris Cornell sowie des Verfassers dieser Zeilen. Beide wählten den Freitod: Chris Cornell am 18. Mai 2017, Chester Bennington am 20. Juli 2017. Doch die aktuelle Veröffentlichung von GREY DAZE ist mehr als eine bloße Kompilation der zwei Alben ´Wake/Me´ und ´No Sun Today´ aus den Neunzigerjahren, die Chester Benningtons Jahre in der Post-Grunge-Band belegen. ´Amends´ öffnet wieder das Tor zu der Dekade als der Rock zum letzten Mal ein etwas rebellisches Antlitz zeigte.

GREY DAZE waren bis 1998 Chester Benningtons erste Station, ehe er mit LINKIN PARK zu Weltruhm gelangte. Ihr mittlerweile etwas in Vergessenheit geratenes Vermächtnis waren ein Demo aus 1993 sowie die beiden Alben aus 1994 und 1997. Einige Monate vor seinem Tod hatte Bennington sogar die Reaktivierung von GREY DAZE angekündigt, zu der es dann nie kommen sollte. Die Witwe und die Familie gaben jedoch den anderen Bandmitgliedern – Sean Dowdell (Schlagzeug), Mace Beyers (Bass) und Cristin Davis (Gitarre) – grünes Licht, die frühen musikalischen Jahre von Chester Bennington nochmals in die Öffentlichkeit zu tragen. Und so wählten die drei verbliebenen Bandmitglieder elf entscheidende Stücke aus der Hinterlassenschaft von GREY DAZE aus, ließen die Aufnahmen von Chesters Gesang neu mastern und spielten selbst alle Instrumente frisch ein.

Zur Unterstützung von GREY DAZE schauten im Studio noch Brian „Head“ Welch und James „Munky“ Shaffer (von KORN), Paige Hamilton (HELMET), Chris Traynor (BUSH, HELMET, ORANGE 9MM), LP (Laura Pergolizzi), Jamie Bennington, Jasen Rauch (BREAKING BENJAMIN), Marcos Curiel (P.O.D.) und Ryan Shuck (ORGY) vorbei.

 

 

´Sickness´ ist gleich zu Beginn ein wütender Track einer schäumenden Generation. Stück für Stück drücken sich die Töne tiefer in Herz und Seele. Mit etwas Melancholie, aber gleichzeitg solcher Wut zeigt sich ´Sometimes´ im Post-Grunge und Chester mit seiner ausdrucksstarken, leichten Reibeisenstimme. Die Halbballade ´What’s In The Eye´ vereint all diese Gefühle von Wut und Trauer. Als überschäumend fröhlich kann auch ´The Syndrome´ nicht bezeichnet werden („Are you happy? … And you know how it feels“).

Leichte Elektro-Beigaben sorgen für zeitgemäße Stimmung und die Gitarren braten heavier als 1994, mit dem dicksten Riff in ´She Shines´. Die Rock-Balladen ´In Time´ und ´Shouting Out´ sorgen dagegen für Heavy- bzw. Happy-Trauerstimmung. Zwischen ALTER BRIDGE und THIRTY SECONDS TO MARS. Denn den atmosphärischen und Heavy-Höhepunkt setzt ´Just Like Heroine´, der Halbballaden-Hit ´Soul Song´ obendrein die große Hardrock-Geste. Dort etwas sinfonisch durch Heidi Gadds Streicher angehaucht, erfolgt der Klavier-Einsatz durch Pianist Jean Yves D’Angelo bei ´Morei Sky´.

Mindestens zwei veritable Ohrwürmer sprechen für sich: GREY DAZE sind für Alternative Rocker unverzichtbar, Nu Metal muss leider draußen bleiben.

(8 Punkte)

 

PS: Das bundesweite „Info-Telefon Depression“ soll Betroffenen und Angehörigen als Anlaufstelle und Ratgeber dienen: Rufnummer 0800 3344533.

 


Photo Credit: Tom Preston