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RAGE – Wings Of Rage

~ 2020 (Steamhammer/SPV) – Stil: Heavy Metal ~


Ganz gleich ob RAGE oder die Back-to-the-Roots-Besinnung REFUGE, in beiden Formationen steckt Sänger/Bassist „Peavy“ Wagner. Und der will mit seiner aktuellen Besetzung von RAGE gar nicht so sehr neue musikalische Territorien erkunden, sondern hat sich in zeitgemäßer Sichtweise auf die klassischen Band-Stärken besonnen.

Das seit vier Jahren miteinander musizierende Trio – neben Urgestein Peavy gehören seit 2015 Schlagzeuger Vassilios Maniatopoulos und Gitarrist Marcos Rodríguez zur Besetzung – veröffentlicht somit nach den Alben ´The Devil Strikes Again´ (2016) und ´Seasons Of The Black´ (2017) nicht nur sein drittes gemeinsames Werk, sondern ebenfalls sein bislang bestes. ´Wings Of Rage´ wird in Zukunft selbst in der seit 1984 lange andauernden Historie von RAGE, bei Mitberücksichtigung des Vorläufers AVENGER, als eine ihrer Sternstunden angesehen werden müssen.

2019 bekommt das Maskottchen „Soundchaser“ fürwahr Flügel und RAGE selber erleben ihren zweiten oder gar dritten Frühling. Der Opener ´True´ zeigt das gesamte Konzept sofort auf. Erst heult der Werwolf wie ein Schlosshund, Frauen schreien in Panik, doch letztlich findet der Werwolf im Song wieder zu seinem wahren Ich zurück, und dies alles natürlich über den Pfad der echten Liebe. RAGE marschieren dunkler, in dieser Komposition mit anfangs finster gestimmten Vocals von Peavy hinüber zum melodisch-fetzigen Refrain, der kurzerhand nicht nur die erste Reihe aller Konzerte zum Mitsingen animieren wird. Denn RAGE haben ihre Liebe zur Musik von Neuem wiederentdeckt. Ein erstklassiges Gitarrensolo von Mitkomponist Marcos Rodríguez fügt sich wunderbar hinzu. Auch der Song über die falschen Führer, die die Menschen in den Krieg führen, namens ´Let Them Rest In Peace´ besitzt eine klare Aussage und mit seinem zackigen Riffgewitter bereits eine Nähe zum Thrash Metal. Gleichsam der Titelsong, der über positiv kanalisierte Wut spricht, die die Welt zum Besseren führen kann.

Das schnelle ´Don’t Let Me Down´ behandelt eine höhere, spirituelle Kraft im Universum und ist einer der Höhepunkte, der sich live zur Mitsinghymne entwickeln wird. Eine weitere Power-Hymne ist das knallig-schnelle ´Chasing The Twilight Zone´ über ein lieber in der Nacht geführtes menschliches Dasein. So wie dieses wohl dem Naturell von Peavy nahe kommt. Dieselbe Power verspricht ´Tomorrow´ und entspricht, sofern die Gitarrenläufe beachtet werden, einer Kreuzung aus BLIND GUARDIAN und RAGE. Noch ein Hit verbirgt sich hinter dem Midtempo-Song ´Shine A Light´. Hervorstechen wollen schließlich obendrein ´A Nameless Grave´, das mit seiner Dramatik und gleichberechtigt agierenden Orchestrierung an jene groovenden Band-mit-Ensemble-Zeiten erinnert, sowie ´HTTS 2.0´, eine zeitgemäße Reaktivierung des Band-Classic ´Higher Than The Sky´. Die zwei letzten Songs, ´Blame It On The Truth´ und ´For Those Who Wish To Die´, lassen abermals keinerlei Schwächen im Songwriting erkennen, nur den einzigen Makel, im Letzteren den Refrain nicht um eine weitere Oktave erweitert zu haben, RAGE feuern dieses Mal partout eine Kompositionsgranate nach der anderen ab.

(9 Punkte)


(VÖ: 10.1.2020)