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HIGH FIGHTER – Champain

~ 2019 (Argonauta Records) – Stil: Sludge, Doom, Metal ~


Ich hab’s mal gegoogelt, obwohl es sich ja eigentlich auch ohne viel Erklärungen erschliesst: „Champain“ ist ein Wortspiel, das erklärt, was mit einem passiert, wenn man Dingen wie Alkohol zu sehr zuspricht. Dies sowohl im Sinne des resultierenden Katers als auch der Katerstimmung, die sich einstellt, wenn man hinterher merkt, was man so alles im nicht völlig bewussten Zustand verbockt hat. Ein starkes Synonym für die Zeit, in der wir leben, und wo so langsam dann doch jeder merkt, was alles schiefgelaufen ist in den letzten Jahrzehnten des immer nur höher, schneller, weiter…

Und nicht nur die Verlierer bekommen die Katerstimmung zu spüren. So ist der Lorbeerkranz auf dem Cover schon reichlich vertrocknet, die Zeiten der Siegesfeiern sind vorbei, und die Rückschau schmerzt. Da kann schon mal Depression aufkommen, und auch Wut. Gut, wenn man all dies in Musik kanalisieren kann.

HIGH FIGHTER haben vor vier Jahren aufhorchen lassen, als sie ihre so rohe wie auch erstaunlich reife Debüt-EP ´The Goat Ritual´ herausbrachten: Dreckiger, doch sehr gefälliger Stoner, der seine Hardcore-Wurzeln nicht verleugnete. Mit ´Scars And Crosses´ wagten sich die Hamburger 2016 in ruhigere, teils extrem schwermütige Gewässer, deutlich psychedelische 70er Einflüsse klangen da an, gerade an den Gitarren wurde viel klangmalerisch experimentiert, doch der Grundton, auch was Monas Gesang betraf, blieb klagend-melancholisch.

 

 

Und wo stehen sie heute? Sie schliessen mit den suchenden, letzten Tönen des Vorgängers, die nun die ersten, erwachenden Klänge der neuen Platte sind, meisterlich an das ebensolche aktuelle Werk an. ´Champain´ könnte sie endgültig in ihren stilistischen Heimathafen geführt haben, auch wenn der Weg dorthin, wie im echten Leben, ein vielfach gewundener war.

Die dem Doom eigene Verzweiflung war schon seit ihrer ersten Platte herauszuhören, wurde ausreichend kultiviert, doch nun ist es genug des Lamentos, und schon im Starter ´Before I Disappear´ lernen wir die neuen HIGH FIGHTER kennen: wütend, aggressiv, selbstbewusst, stark. Wieder ist es vor allen anderen Mona, die mit ihrer unglaublich variablen Stimme vorgibt, wie der Hase läuft.

Weniger als zuvor, aber immer noch sehr nachdenklich und verletzlich, zornig growlend Missstände anprangernd und fauchend mahnend, erinnert sie daran, dass sich einiges ändern muss, wir endlich aktiv werden müssen, damit wir den berechtigten Hangover zum Zustand unserer Welt abschütteln können. Ihre Mitmusiker folgen der von ihr vorgegebenen Linie mit deutlich gesteigertem Tempo als zuvor (´Shine Equal Dark´), und erzählen mit knackiger Rhythmik (´Another Cure´) und schön schrägen Läufen (´Kozel´) ihre Geschichten dazu. Das Songwriting ist nicht weniger anspruchsvoll und vielseitig als bisher, kommt jedoch besser auf den Punkt, macht alle Songs extrem schlüssig und zeigt, wie gut die Band mittlerweile zusammengewachsen ist (´A Shrine´). Da hat jeder auch den Platz, mal auszubrechen, mit neuen Stilmitteln zu spielen, was dem Zusammenklang ständig neue, glitzernde Facetten hinzufügt. Zugegeben, all dies erschliesst sich dem geneigten Hörer erst nach einigen Durchläufen, aber wie immer lohnen sich gerade die Platten, die immer mehr wachsen, am meisten!

Wo das Ganze stilistisch einzuordnen ist? Es hat den Dreck und das punkig Rohe des Sludge, aber auch eine ganze Menge progressiver bis psychedelischer Elemente, gerade was die Gitarrenarbeit von Christian und Ingwer angeht; die Rhythmusfraktion unterlegt das mit viel Groove und Bissigkeit – Stoner’n’Blues’n’Sludge, so könnte man HIGH FIGHTER heutzutage beschreiben. Aber am besten macht ihr euch einfach ein eigenes Bild! Sei es bei einem der packend, hochenergetischen Auftritte (wie kürzlich in Mannheim) oder eben mit dem Kauf dieses spröden Schätzchens hier, das euch am Ende wie in jeder guten Lovestory doch einfach nur glücklich machen will. Und wird!

(8,5 Punkte)