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JON OF THE SHRED – The Dawn Of Paragon

2017 (Scythe Saga Records) – Stil: Independent Metal Soundtrack


Junge, Junge, was habe ich denn heute für ein Fresschen in meinen Napf bekommen? Einmal ALLES, bitte, außer: Gesang oder Langeweile. Aber strange. Und wenig Metal. Dies appelliert eher an jene, die schon immer Soundtracks mit Gitarre wollten und weder panisch auf Keyboards oder gar Beats reagieren. Immer noch interessiert?

Dann werdet ihr vom amerikanischen Multiinstrumentalisten, Komponisten, Schriftsteller und Designer JON OF THE SHRED (aktuell Gitarrist von NEIGHBORHOOD FORMULA) belohnt, mit einer Melodiemelange aus Instrumentalstücken, die oft aus mehreren unterschiedlichen Parts bestehen und mit Keyboard- als auch Gitarrensoli garniert sind, sodass für reichlich Abwechslung gesorgt ist. Dieses Konzeptalbum erzählt dabei die Geschichte des Dr. Grimm, Gründer der ´Paragon Genetic Technology Corporation‘ und seinen Forschungen und apokalyptischen Visionen. Um zumindest die Angst bei den Cineasten oder Independent-Freunden zu minimieren, werfe ich zuerst einen Blick auf ‘Visions’. Ein flott startendes Stück, welches im Mittelteil orchestrale LACRIMOSA-Klassikparts aufweist und sich danach als Soundtrack für (oder von) JOHN CARPENTER oder DARIO ARGENTO anbietet (ebenso wie der fast EBM-artige Kracher ‘Going Underground’, inklusive einer Prise TANGERINE DREAM). Die Horror-Atmosphäre schlingert sich im weiteren Verlauf gar in ein RICKY KING-Westernthema (!) und tanzt sich zum Beat einer ‚House Of The Rising Sun‘-Hommage zum Italowestern mit Bläsereinsatz hoch. Na, noch jemand da?

Wenn ja, könnte man beim grandiosen Finale von ‘The Wonders Of Discovery’ beinahe die Ankündigung: „Hier spricht Edgar Wallace!“ vernehmen, wenn fast jazzig swingende, teils an YELLO erinnernde Stakkato-Bläser die typische Verfolgungsjagd eines Unholds in Schwarz-/Weiß vertonen, nachdem man zunächst im ruhigen, epischen und glockenerhellten Stile von Altmeistern wie KITARO oder GANDALF begonnen hat (ebenso ‘The Beauty Of Life’, was mir jedoch streckenweise mit Glockenspielmelodie etwas zu cheesy und verspielt daherkommt). Für die Traditionalisten duelliert sich mehrfach die JOHN LORD-Gedenkorgel mit der Gitarre – sei es bei dem VAN HALEN-Rocker ‘Youthful Excess’, dem mit Piano eröffneten und später Fahrt aufnehmenden ‚Two More For The Road‘ oder ‘A Determined Pledge’, das mit Akkustikgitarre und Synthie fast PINK FLOYD-esk startet und Fahrt aufnimmt, bis es sich in eine Hammondsound-Akkordorgie steigert, zu der Jon gepflegt sein Gitarrensolo shredded. Dem hymnischen Element (vielleicht etwas zu oft mit wiederkehrenden Glocken versüßt) wird ein hoher Stellenwert zugeschrieben, besonders bei dem getragenen ‘Tragedy’ mit seinem sich zweistimmig wiederholenden MAIDEN-Finale, als auch zum Schluss mit der beatbasierten Hymne ‚The Scythian Solar System‘, so dass ich mehrfach geneigt war, meine Faust mit der anderen am Handgelenk gepackt gen Valhalla zu recken und von Kronen und Ringen zu schwelgen.

Abzüge muss es – wenn nicht gerade der Soundtrack-Stampfbeat vorherrscht – für den Einsatz von Angelo Sassos (der RUNNING WILD-Freunden schon den digitalen Drumgaraus beschert hat) kleinem Bruder auf seinem ersten Billig-Digi-Kit geben, denn das geht heutzutage weitaus besser, wie auch einige der Keyboardsounds, was aber vielleicht für das besondere Flair dieses feinen Exoten wichtig sein mag.

(7 experimentelle Punkte)

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