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WUCAN – Sow The Wind

~ 2015 (Hänsel & Gretel/MIG) – Stil: Kraut-fueled Heavy Flute Rock ~


Mit ihrer im November 2014 bei Metalizer-Records veröffentlichten Debüt-EP ‚Vikarma‘ erspielten sich WUCAN im Nu das Etikett der „deutschen Antwort auf die BLUES PILLS“. So richtig glücklich waren Frontfrau Francis Tobolsky und ihre Kollegen über diese wohlfeilen Schmeicheleien allerdings nicht, ist der Stil der Dresdner Krautrock-Aficionados doch wesentlich breiter gefächert als der der schwedischen Bluesrocker. Dies beweisen WUCAN nun auch auf ihrem Albumdebüt ‚Sow The Wind‘, das den Debatten Selbigen rasch aus den Segeln nehmen dürfte.

‚Father Storm‘ eröffnet mit gezückter Querflöte und Uptempo-Riffs im Geiste des EP-Hits ‚Franis Vikarma‘. Offener konstruiert zwar und mit einem verträumten Mittelteil versehen, doch gewiss nicht weniger einprägsam. Zähdoomig im SABBATH’schen Sinne wird’s bei ‚Owl Eyes‘. Hier darf Francis zu grabsteinschweren Iommi-Riffs ihr ganzes Stimmvolumen ausspielen und der Legende ein „All right now!“ mit auf die letzte Tour geben, wie es auch eine Jessica „Jex“ Toth nicht würdiger hinbekommen hätte. Das Highlight der ersten Plattenseite hört auf den programmatischen Titel ‚Looking In The Past‘. Zu dunklen Tribalbeats und schnurrender Flöte geht es die Treppen hinunter in den Kellerclub, wo uns WUCAN zum funkig-souligen Tanze bitten, ehe zum Chillen die ersten Kräuter gereicht werden. In der plüschigen Sitzecke schmauchend lauschen wir Francis, wie sie zur Akustikgitarre vom ‚Face In The Kraut‘ singt. Der entspannte Ausklang einer sehr ansprechenden A-Seite.

Doch die wahren Highlights gibt’s erst nach dem Umdrehen. ‚King Korea‘, zu dem die Band ein sehenswertes Video im Sechziger-Jahre-„Beatclub“-Style gedreht hat, sollte mit seinem Wechsel zwischen Beschwörung und Ausgelassenheit auch der immer noch trauernden THE-DEVIL’S-BLOOD-Gemeinde Trost spenden. Mit antikosmischer Magie haben WUCAN freilich nichts am breitkrempigen Hut. Francis‘ textliche Einflüsse speisen sich vielmehr aus hinduistischen Quellen, wie im deutsch gesungenen, knapp 16-minütigen Gesellenstück ‚Wandersmann‘ offensichtlich wird. Wer mag (und kann), wird in der vielschichtigen, episodisch strukturierten Komposition Farben aus den Paletten solcher Meister wie DROSSELBART, TEN YEARS AFTER, HAWKWIND, FRUMPY oder BIRTH CONTROL erkennen, aus denen WUCAN mit feinem Strich ein warmes Klanggemälde aufs Trommelfell zaubern. Erzählt wird die Geschichte eines Königs, der die Sinnleere des Materialismus erkennt, seine Krone verschmäht und zum einfachen Wandersmann wird. Im gesprochenen Teil liest Francis aus der uralten Bhagavat Gita, einer der Hauptschriften des Hinduismus, auf deren Weisheiten sich so unterschiedliche Geistesgrößen wie Goethe, Schopenhauer, Humboldt, Einstein, Gandhi und Hesse einigen konnten. Wieviele Elemente der Rockwelt sich auf WUCAN werden einigen können – die nächsten Wochen und Monate werden es zeigen. Eines steht schon jetzt fest: Wer solchen Wind sät, dem sei jeder Begeisterungssturm gegönnt.

(dickste 8 Punkte)