PlattenkritikenPressfrisch

Dr. LIVING DEAD! und NEGATIVE SELF

Ein Doppel-Review


Dr. LIVING DEAD! – Crush The Sublime Gods

2015 (Century Media) – Stil: Thrash Metal

NEGATIVE SELF – Same

2015 (High Roller) – Stil: „ST“-Metal


Die totenkopfmaskierten SUICIDAL-TENDENCIES-Verehrer aus Schweden haben bekanntlich ihren Sänger Andreas Sandberg alias „Dr. Ape“ verloren, der den Tour-Stress nicht länger mit seinem Studium vereinbaren konnte. Resultat: DR. LIVING DEAD! haben in Dr. Mania einen neuen Fronter rekrutiert, Sandberg hat mit NEGATIVE SELF ein neues Trio am Start, mit dem er sich auf Studioaktivitäten und wenige, maskenlose Gigs beschränken will. Für die Fans stellt sich die Frage, wem sie künftig ihre Aufmerksamkeit (und Kohle) widmen sollen. Unser Rat: Wer’s gern heftig knallend mag und Qualitätsstoff für die nächste Mosh-Party braucht, ist mit DR. LIVING DEAD! besser bedient. Wer mit Bandana ins Bett geht und sich schon immer nach einem kleinen Brüderchen für ‚How Will I Laugh Tomorrow…‘ gesehnt hat, sollte zu NEGATIVE SELF greifen. Beides ist natürlich auch nicht verboten.

DR. LIVING DEAD! haben ihre Emanzipation von Mike Muir & Co. hörbar vorangetrieben. Das Material auf ‚Crush The Sublime Gods‘ lässt sich am besten als technisch hochwertige Mischung aus D.R.I., ANTHRAX und NUCLEAR ASSAULT beschreiben, einige Versatzstücke sind von SLAYER und KREATOR (‚TEAMxDEADx‘, ‚Civilized To Death‘) „inspiriert“. Die Songs wirken insgesamt durchdachter und weniger hektisch als auf den gutklassigen Vorgängern, die Riffs kommen wesentlich besser auf den Punkt. Wirklich innovativ ist das alles freilich noch lange nicht, trotzdem entwickeln DR. LIVING DEAD Stück für Stück eine eigene Identität, die über bloßen Mummenschanz hinausreicht. Auch dafür ein Kompliment.

 

Deutlich SUICIDAL-lastiger gehen NEGATIVE SELF zu Werke. Das Trio fährt im Vergleich zu DR. LIVING DEAD! einen deutlich milderen (Gitarren)sound, Härte-Eruptionen sind hier die Ausnahme. Dafür gibt’s die TENDENCIES-typischen, seufzend-singenden Rocky George-Leads im Überfluss – und dazu eingängige Songs, von denen sich nicht nur das Thrash-Publikum angesprochen fühlen dürfte. ‚Dancing With The Dead‘ ist ein charmanter Midtempo-Ohrwurm, ‚Tied Down‘ variiert geschickt das Grundfriff von OZZYs ‚Suicide Solution‘, ‚No Tomorrow‘ und ‚Call It Depression‘ bieten Gangshouts und Refrains der Referenzklasse. Mit dem abschließenden Titeltrack schaffen NEGATIVE SELF das Kunststück, aus einem düsteren Ansatz positive Stimmung zu erzeugen (‚I use my anger as a tool, I feel the pain, I ain’t no fool, I will not set my rage upon the shelf, I always need my negative self‘). Fehlen eigentlich nur noch die „ST“-Rufe. Oder nicht?

(8 / 7,5 Punkte)