Livehaftig

UP THE HAMMERS X

~ KYTTAPO-Club, Athen – 5. bis 7. März 2015 ~


UP THE HAMMERS 10TH ANNIVERSARY EDITION

Donnerstag, 5. März

Bröckelnde Innenstadtgebäude, heruntergelassene Rollläden, alles flächendeckend mit bunten Schmierereien „verziert“ – der Athener Innenstadt steht die Wirtschafts- und Finanzkrise ins Gesicht geschrieben. Ein Wochenende lang konnten zumindest die Metalfans der Krisenmetropole ihre Sorgen halbwegs vergessen. Die zehnte Auflage des „Up The Hammers“-Festivals (UTH) bot Gelegenheit für stählernen Eskapismus. Streetclip wurde Zeuge von denkwürdigen Konzerttagen.

Highway to Hellas! Schon auf dem Flug von München nach Athen wird klar, dass die UTH-Delegation aus Deutschland nicht klein ausfallen wird. Ein ganzer Schwung „Bavarian Metalheadz“ gönnt sich den Trip nach Griechenland, manche sind bereits zum fünften Mal am Start – und entsprechend ortskundig, was die metallischen Hotspots angeht. Erster Anlaufpunkt nach dem Einchecken im Hotel „Golden City“ ist der Laden von Chris Papadatos, „No Remorse Records“ – ein schmales, exquisit sortiertes CD- und Platten-Paradies auf zwei Ebenen. „Ich bin hierher umgezogen, weil die Miete im Vergleich zum alten Shop wesentlich günstiger ist“, erklärt Chris beim Begrüßungsbierchen. „Die Geschäfte laufen gut – im Versand und im Laden, aber natürlich müssen angesichts der Wirtschaftslage auch die Metalfans den Gürtel enger schnallen.“

Nach einer vorzüglichen Stärkung in einem Lokal ein paar Ecken weiter, bei dem sich auch die Jungs von TOLEDO STEEL einige Teller Gegrilltes verabreichen und dabei bereitwillig über die darbende Metalszene in ihrer Heimat England herziehen („überhaupt kein Vergleich zu Deutschland…“) geht’s weiter zum AN-Club, wo an diesem Donnerstagabend das Warmup zum UTH stattfindet – mit einem Billing, nach dem sich viele Festivals die Finger lecken würden.

 

TERMINUS aus Belfast entern pünktlich um 19 Uhr die kleine Bühne im bereits ordentlich gefüllten Kellerclub und überzeugen mit ihrer energisch dargebotenen Mischung aus alten IRON MAIDEN, OMEN, SOLSTICE und TWISTED TOWER DIRE. ‚Fortress Titan‘ vom demnächst bei Stormspell erscheinenden Debütalbum ‚The Reaper’s Spiral‘ hat das Zeug zum Underground-Hit und animiert auch die Händler an den Merchandising-Ständen (u.a. Up The Hammers-Ouzo und -Kondome…) zum Mitbangen. Alles richtig gemacht.

TOLEDO STEEL, benannt nach Spaniens Schwertschmiede-Hochburg, haben nach einer viertelstündigen Umbaupause leichte Tightness-Probleme, über die die begeisterungsfähige Meute im Club milde hinwegsieht. Nach zwei Songs haben die sympathischen Burschen aus Southampton Betriebstemperatur erreicht, die Nervosität ist verflogen, der Geist der NWoBHM tobt durch den Keller. Sänger Rich Rutter posiert in bester Dickinson-Manier mit einem Bein auf den Monitorboxen, die Songs der jüngst erschienenen zweiten EP ‚Zero Hour‘ gehen ohne Umwege ins Ohr. Fäuste nach oben!

HIGH SPIRITS sind nicht für wenige Fans das Highlight des Abends, entsprechend voll wird es nun vor der Bühne. Chris Blacks Melodienfeuerwerk funkelt wie eh und je, bei Hits wie ‚High Spirits‘, ‚Full Power‘ und ‚This Is The Night‘ bleibt kein Stimmband ungezerrt. „We are not a famous band but a lucky band to play for such an audience in a place like this“, sagt Chris strahlend ins Mikro. ‚Another Night In The City‘ ist der Höhepunkt des Abends, unter der ‚Midnight Sun‘ darf mit geschlossenen Augen mitgeschwelgt werden. Ein überragender Gig, der Chris auch später beim After-Show-Plausch draußen vor der Tür noch Adrenalinstöße durch die Adern jagt. Dem Streetclip-Abgesandten verrät der Mann aus Chicago ein paar interessante Neuigkeiten zum anstehenden fünften PHARAOH-Album. „Sechs Songs sind schon fertig. Der Release ist noch für 2015 geplant. Glaube mir, du wirst nicht enttäuscht sein!“

Keine Enttäuschung sind auch DARK NIGHTMARE aus Grevena im Norden Griechenlands. Die Kapelle gibt es seit 1999, der Stil bewegt sich zwischen alten MANOWAR, MANILLA ROAD und IRON MAIDEN. Und auch wenn Sänger/Leadgitarrist Yiannis Papadimitriou stimmlich angeschlagen ist – das Publikum frisst der äußerst agilen Band sprichwörtlich aus den Händen.

Den im Anschluss spielenden BATTLEROAR sowieso. Die frühere Band von UTH-Veranstalter Manolis Karazeris tritt anlässlich des Festival-Jubiläums an jedem Tag in einem anderen Lineup auf. Den Anfang macht die „Mark I“-Besetzung mit Manolis an der Gitarre und Sänger Vaggelis Krouskas. Zu hören gibt’s das komplette 2001er-Demo und das geile HEAVY-LOAD-COVER ‚Singing Swords‘. Ein episches Vergnügen, vereinzelte technische Probleme hin oder her.

Die Luft im Keller ist inzwischen zum Schneiden. Und wie Kollege Meinolf ´Biff´ Barthel weise anmerkt, lässt sich daran auch durch pflichtbewusstes Rauchen nichts verbessern. Sei’s drum. Zu SACRED STEEL aus Ludwigsburg werden vor der Bühne die letzten Kraftreserven mobilisiert. Man muss den Sound der Schwaben nicht durchgehend gut finden, in Sachen Spielfreude macht ihnen so leicht niemand was vor. Frontsirene Gerrit Mutz genießt die Party, dirigiert das textsichere Publikum und hält sich nicht mit langen Ansagen auf („Other bands talk, SACRED STEEL drink!“). Dazu passend lässt er sich von einem günstig platzierten Fan für fünf Euro ein Bier auf die Bühne reichen. Sympathisches Herrentennis! Die Aftershow-Sause im nahegelegenen Ragnarök-Club endet für so manchen Warmup-Gänger tragischwerweise mit einem veritablen Kolbenfresser. Tequila ist und bleibt ein Teufelszeug …

Freitag, 6. März

Es gibt Tage, die schlechter beginnen als mit einem Frühstück in Hörweite von Harry Conklin. Der „Tyrant“ ist mit TITAN FORCE ebenfalls im Golden City einquartiert und gibt am Nachbartisch mit seinen Bandkollegen und Roadies den lässigen Conferencier. Gut zwölf Stunden später werden Herrn Conklin im prallgefüllten Kyttaro-Club 700 Fans an den Lippen hängen, hier muss der Sangesgott aus Colorado in seiner Rolle als Normalsterblicher mit den Launen des Kaffeeautomaten kämpfen.

Als Freitags-Anheizer sind MAGISTER TEMPLI aus Oslo eingeteilt. Der kraftvolle Doom der Norweger mit Anleihen bei CANDLEMASS, COUNT RAVEN und mittleren CATHEDRAL ist genau das Richtige zum Eingrooven. Frontbär Abraxas d’Ruckus ist mit seinen leicht tapsigen Tanzeinlagen ein Augenmagnet. Starker Auftritt einer überaus fähigen Band.

Nach nordischem Powerdoom heißt es nun: Bahn frei für griechischen Speed! CONVIXION aus dem nahe gelegenen Kallithea punkteten zuletzt 2013 mit ihrem CIRITH-UNGOL-Cover „I’m Alive“ auf der Split-EP mit den Landsmännern WRATHBLADE . Beim UTH regiert herzerfrischender Hochgeschwindigkeits-Stahl, wie ihn so ähnlich auch die Finnen RANGER zelebrieren. Frontmann Nikos Papakostas ist eine Batterie vor dem Herrn, mit Songs wie ‚Drink Metal‘ ist die Meute schnell gefügig gemacht. Das Rudy Vercruysse gewidmete OSTROGOTH-Cover ‚Full Moon’s Eyes‘ unterstreicht den Geschmack und die Klasse der Band nachdrücklich. Hoffentlich sehen wir CONVIXION bald auch mal auf deutschen Bühnen!

DAMIEN THORNE schaffen es, die Stimmung oben zu halten. Mit ‚Sign Of The Jackal‘ gelingt den US-Metal-Altmeistern zum Einstieg bereits ein Wirkungstreffer. Sänger Warren Halvarson wirft CDs und LPs ins Publikum – so macht man sich Freunde. Im Vergleich zum KIT-Auftritt 2013 ist die Band noch tighter, der Gesang souveräner. Einzig das ‚Warpigs‘-Cover wirkt im Gesamteindruck eher überflüssig, wenngleich tadellos dargeboten.

Damit es Veranstalter Manolis nicht langweilig wird, darf er im Anschluss mit DEXTER WARD in die sechs Saiten greifen. Das Athener Traditions-Kommando räumt komplett ab, beim abschließenden Sahnestück ‚Metal Rites‘ zieht es auch die notorischsten Draußensteher in den Club.

Dann ist wieder Mutz-Time. Mit dem aktuellen BATTLEROAR-Lineup gibt’s Epic-Metal in Vollendung. Mpampis Paritsis an der Violine lässt die Songs der starken ‚Blood Of Legends‘-Scheibe formvollendet strahlen, dazu hauen die Klassiker ‚Poisoned Well‘ und ‚Dyvim Tvarform‘ ins Mett. Chapeau, die Herren!

ATLANTEAN KODEX spielen zum vierten Mal in Athen. Und wieder muss die Wiege der abendländischen Kultur fallen, keine Chance. Der Auftakt der Oberpfälzer gerät mit ‚From Shores Forsaken‘ noch etwas verhalten. Als nach ‚Pilgrim‘ allerdings die ersten Gesänge von ‚Sol Invictus‘ erklingen, stimmt die Meute kollektiv mit ein. Bei der Europa-Hymne ‚Twelve Stars And An Azure Gown‘ stehen nicht wenigen Fans in den vorderen Reihen die Tränen in den Augen.

Für unfreiwillige Auflockerung sorgt ein Textaussetzer von Markus Becker, den ihm auch ohne mehrmalige Entschuldigung (‚I really feel like shit now…‘) keiner übel genommen hätte. ‚Atlantean Kodex‘ und ‚Enthroned In Clouds And Fire‘ beschließen einen abermaligen Triumphzug. So funktioniert Völkerverständigung.

Keine leichte Aufgabe für DOOMSWORD, den Stimmungspegel oben zu halten – doch die Trinkhornträger aus der Lombardei meistern ihren Auftritt mit der Souveränität erfahrener Krieger. Anführer „Deathmaster“ führt sein Bataillon durch die Highlights der fünf Schlacht(en)platten, von ‚Warbringers‘ bis ‚Swords Of Doom‘ spannt sich der Bogen. Schade nur, dass die Rhythmusgitarre von Gianluca Silvi im Mix ziemlich untergeht. Trotzdem ein Sieg auf ganzer Linie!

Die Halle platzt bereits aus allen Nähten, bei OMEN sind die Fans endgültig zu einem Menschenknäuel verwoben. Mit dem gepanzerten Kevin Goocher als Frontmann haben die US-Metal-Urgesteine ihr angekratztes Image wieder aufpoliert, wie schon beim letztjährigen ´Bang Your Head´ regiert Spielfreude pur. ‚Deathrider‘ ist ein ideal gewählter Opener, der Refrain wird von den Fans innbrünstig mitgebrüllt. Absolutes Highlight: das grandios gezockte ‚Warning Of Danger‘. Auch wenn OMEN ihr ursprüngliches Vorhaben, die Scheibe zum 30-jährigen Jubiläum komplett durchzuspielen, nicht einlösen, erreicht die Stimmung während des Gigs ein neues Tageshoch. Bei ‚Don’t Fear The Night‘ wird Goocher von seiner in Hotpants gewandeten Tochter Devon unterstützt, ‚Hellas‘ passt als neu vorgestellter Song bestens ins Bild. Fehlt im Grunde nur noch das neue Album…

TITAN FORCE für ihre Größe zu preisen, hieße Eulen nach Athen zu tragen (musste raus, sorry). Was Harry Conklin, die Flores-Brüder Mario (Gitarre) und Stefan (Drums) sowie Bass-Berseker James Dikes und Gitarrist Steve Langemo beim ´Up The Hammers´ abliefern, spielt musikalisch in einer ganz eigenen Liga. Blindes Verständnis zwischen den Gitarristen, eine Rhythmusfraktion der absoluten Weltklasse und dann dieser unfassbare Gesang, der bei TITAN FORCE noch ein paar Lux heller strahlt als bei JAG PANZER und SATAN’S HOST. ‚Too Late‘ von der jüngst erschienenen Demo-Compilation ‚Force Of The Titan‘ ist ein mutiger Einstieg, danach folgt Göttersong auf Göttersong. Harry untermalt die Texte von Hymnen wie ‚Small Price To Pay‘, ‚Winner/Loser‘ oder ‚Master Of Disguise‘ mit gewohnt expressiver Gestik, die Fans – sofern noch nicht völlig entkräftet – huldigen den US-Metal-Heroen und singen jede Zeile mit. Nach ‚Blaze Of Glory‘ als letztem Lied des regulären Sets grüßen TITAN FORCE mit ‚Over And Over‘ Ronnie James DIO auf dem Sanges-Olymp (‚God bless his heart‘). Das ´Keep It True´ kann kommen!

Setlist

Too Late
Small Price To Pay
Winner / Loser
Wings Of Rage
Eyes Of Yhe Young
Fool On The Run
Bright Red
Fields Of Valour
Shadow Of A Promise
Chase Your Dream
Master O Disguise
Lord Desire
New Age Rebels
Only The Strong
Blaze Of Glory

Samstag, 7. März

Akropolis adieu… Berufsbedingt muss der Streetclip-Abgesandte bereits am Mittag den Flug zurück nach München antreten. Wie die in Athen gebliebenen Kollegen berichten, hatte es natürlich auch dieser Samstag in sich. Kein Ausfall, dafür Highlights en masse. Die teilweise bei Youtube zu bestaunende BATHORY-Tribute-Show mit Fronter Alan Averill ist eine wahre Delikatesse (‚Shores In Flames‘ als Opener, ‚Enter The Eternal Fire‘ als Schlussnummer), SLAUTER XSTROYES spielen einen exzellenten Gig und die Epic-Metal-Mitbegründer MANILLA ROAD sogar deren zwei. Zuerst mit dem aktuellen Drummer Andreas „Neudi“ Neuderth, danach mit Ur-Trommler Randy „Thrasher“ Foxe. Bei ‚Necropolis‘ und ‚Crystal Logic‘ haut’s den Stimmungspegel sogar noch über die OMEN-Ovationen des Vortags. Unfassbar, dieses Publikum.

Setlist with Neudi

Flaming Metal Systems
The Blessed Curse
Truth In The Ash
Only The Brave
The Dead Still Speak
Falling
Cage Of Mirrors
Kings Of Invention
Reign Of Dreams
Far Side Of The Sun
Luxiferia’s Light
Sword Of Hate
The Ram
The Riddle Master
Necropolis
Crystal Logic

Setlist with Randy Thrasher Foxe

Open The Gates
Masque Of The Red Death
Death By The Hammer
Hammer Of The Witches
Witches Brew
Taken By Storm
Road Of Kings
Divine Victim
The Ninth Wave
Dementia
Mystification
Haunted Palace
War In Heaven
Into The Courts Of Chaos
The Prophecy

Zwischen den Sets gibt’s Ehrungen. Mark Shelton, Randy Foxe, Kenny Powell und Harry Conklin erhalten ein „Shield Of Honor“ für ihre Verdienste um den Metal, auch KIT-Gründer Oliver Weinsheimer und Greg Varsami von Eat Metal Records, der die griechische Epic-Szene als Veranstalter, Labelbesitzer, etc. entscheidend geprägt hat, werden unter großem Applaus der Fans ausgezeichnet.

Ein ganz spezielles Happening gibt’s draußen auf dem Gehsteig, als Harry Conklin umringt von Fans mit einem griechischen Akkordeonspieler „jammt“.

 

Episch, durchgeknallt, unbedingt zu empfehlen –

Up The Hammers, we’ll be back!
Down The Nails.