Livehaftig

Hammer Of Doom Festival 2014

~ 14.-15. November 2014, Würzburg, Posthalle ~


Metal-Altmeister und -Newcomer begeisterten die Fans beim „Hammer Of Doom“ – Festival in Würzburg. Auch das Fehlen des Frontmanns beim Headliner SAINT VITUS (aus polizeilichen Gründen) tat der Stimmung keinen Abbruch.

 

Es ist zur schönen Tradition in der Metal-Gemeinde geworden, das Festival-Jahr in Würzburg ausklingen zu lassen. Bereits zum neunten Mal kreiste am Wochenende in der gut gefüllten Posthalle der „Hammer of Doom“. Organisiert vom erfahrenen Team um Oliver Weinsheimer (Keep It True, Metal Assault) gaben sich insgesamt 15 Bands aus zehn Ländern die Ehre. Heraus kam eine internationale Leistungsschau des langsamsten und intensivsten aller Metal-Stile, zwei Aftershow-Partys rundeten das Ganze stimmungsvoll ab.

Schon der Freitag war mit Schwergewichten besetzt. Nach ansprechenden Gigs der Lokalmatadore von WOLVESPIRIT (psychedelischer Mix aus CREAM, DEEP PURPLE und Janis Joplin) und den Peruanern REINO ERMITAÑO (Sabbath-lastiger Sound mit spanischen Texten) bestätigten JESS AND THE ANCIENT ONES aus Finnland ihren Ruf als eine der besten Bands des Siebziger-Rock-Revivals. Die gerade beendete US-Tour im Vorprogramm von KING DIAMOND hat Sängerin Jess und ihren sechs (!) Kollegen an den Instrumenten den letzten Schuss Souveränität verpasst. Wild tanzend und bestens bei Stimme gab die Dame mitreißende Underground-Geräte wie ‚Sulphur Giants‘ oder ‚Astral Sabbat‘ zum Besten.

Der Stimmungsteppich war ausgerollt für TROUBLE – und was haben die alten Herren abgeräumt! Rick Wartell und Bruce Franklin sind als Gitarrenduo immer noch die Definition von Tightness. Doppel-Leads, perfekte Solo-Übergänge, magische, alles wegblasende Riffs – besser geht’s nicht. Auch Sänger Kyle Thomas überzeugte als Eric-Wagner-Nachfolger mit Stimmgewalt, Leidenschaft und entspannter Kumpeligkeit. Den Vergleich zu THE SKULL, die 2012 beim Hammer of Doom als Wagners Version von TROUBLE aufgetreten waren, gewannen Wartell, Franklin und Thomas mit Leichtigkeit. Der Song-Schwerpunkt lag auf ‚Psalm 9‘, aber auch die psychedelische Phase kam nicht zu kurz. Leider fehlte mit ‚Memory’s Garden‘ der größte Hit von ‚Manic Frustration‘. Daher nur 9,99 Punkte für diesen monströsen Auftritt.

KADAVAR konnten auf diesen Orkan von einer Show natürlich nichts mehr draufsetzen. Trotzdem schafften es die haarigen Berliner, die Stimmung zu halten. Christoph „Tiger“ Bartelt, der dauerbangende Schlagzeuger, ist als Showelement genug an Bewegung. Was der Mann hinter seiner Schießbude abliefert – Naturgewalt Hilfsausdruck. Und die Songs funktionieren ganz wunderbar. HAWKWIND-Reminiszenzen, GRAND FUNK RAILROAD, immer wieder aufblitzende PENTAGRAM-Momente – eine gnadenlos groovende Mischung, die Spaß macht. Wir freuen uns aufs dritte Album der Berliner Doomsday-Machine.

 

Teilweise amtlich gezeichnet von der Aftershow-Party tröpfelten die Leute am Samstagmittag zurück in die Halle. WUCAN aus Dresden hatten die Aufgabe, die verkaterte Meute wieder auf Touren zu bringen. Und das junge Quartett überzeugte mit seinem „Folk-Blues-Psych-Stoner-ProtoMetal-Soul“ (Eigenbeschreibung) auch die schwersten Katerbesitzer. Sängerin Francis hat nicht nur eine geschmeidige Blues-Stimme (für meinen Geschmack sogar facettenreicher als Erin Larsson), sie spielt dazu auch noch Querflöte und Akustikgitarre.

Die Songs sind ein Genuss für Fans des eingängigen Krautrocks, der frühen FLEETWOOD MAC und JETHRO TULL, speziell ‚Franis Vikarma‘, zu dem die Band ein Video gedreht hat, sollte man gehört haben. Leider konnte die bei Metalizer Records erscheinende Debüt-EP ‚Vikarma‘ nicht wie geplant beim Festival verkauft werden. Durch einen Pressfehler verzögert sich der Release um ein paar Tage. Was niemanden vom Erwerb der vorzüglichen Scheibe abhalten sollte.

MIST, die slowenische Beinahe-All-Girl-Kapelle, mühte sich im Anschluss nach Kräften, leider hielt sich die Abwechslung bei ihrem SABBATH/PENTAGRAM-lastigen Material in Grenzen, auch wenn das abschließende ‚Bewitched‘-Cover (CANDLEMASS) durchaus Klasse hatte.

Von ganz anderem Kaliber waren DOOMOCRACY aus Heraklion/Kreta. Das Quintett hat mit ‚The End Is Written‘ eine der stärksten Doom-Scheiben des Jahres abgeliefert, ihre gerne etwas verschachtelten Songstrukturen erfordern Aufmerksamkeit, bieten aber auch ausreichend Gelegenheit zum Mitbangen und Fäusterecken. SOLITUDE AETURNUS, CANDLEMASS oder VENI DOMINE sind als Anhaltspunkte nicht zu hoch gegriffen. Sänger Michael Stavrakakis trällerte sich die anfängliche Nervosität aus dem Leib, die Saitenfront agierte präzise – Freudenschreie und lang anhaltender Applaus am Ende des Gigs bewiesen, dass sich hier in der Posthalle das Fachpublikum trifft. Wer die Scheibe noch nicht sein Eigen nennt – zuschlagen!

EPITAPH, die „italienischen Hell“, wie sie ein Mitgereister treffend kategorisierte, riefen danach zwiegespaltene Reaktionen hervor. Der theatralisch und (unfreiwillig?) witzig dargebotene Alt-Doom mit leichtem GHOST-Einschlag hat ohne Zweifel seine Momente, Sänger Emiliano Coffi klang (mir) aber halt doch ein wenig zu schief, um echtes Wohlbehagen auszulösen. Geschmacksache, diese Vorstellung.

Deutlich konsensfähiger waren MOUNT SALEM. Die erst 2012 gegründete Chicago-Band um Sängerin und Organistin Emily Kopplin fährt einen ähnlichen Sound wie BLOOD CEREMONY und konnte mit ihrem Gespür für große Melodien (und Gesten) punkten. Wer THE DEVIL’S BLOOD nachtrauert und auf JEX THOTH steht, sollte sich hier zuhause gefühlt haben. Und das waren den Fan-Reaktionen nach zu urteilen nicht wenige Okkultrock-Freunde.

Jetzt war die Zeit für die ganz harte Fraktion gekommen. HAMFERð von den Färöer-Inseln sind alleine schon aufgrund ihres Outfits eine Ausnahmeerscheinung in der Szene. Im Anzug kommt der atmosphärische Dunkeldoom mit Clean- und Growlgesang in einheimischer Sprache gleich noch bedrohlicher daher. Dem Publikum gefiel’s, die Band räumte ordentlich ab. Als „Hamferð” wird auf den Färöer Inseln das Erscheinen verstorbener Seefahrer vor ihren Liebsten bezeichnet. Die ersten Fans machten bereits am frühen Abend die entsprechende Figur dazu…

Langsamen Konzept-Death-Metal hat man beim Hammer Of Doom u.a. schon von NECROS CHRISTOS dargeboten bekommen, Alexander von Meilenwald machte seine Sache mit RUINS OF BEVERAST nicht weniger überzeugend als die Berliner 2012. Mit ‚Blood Vaults – The Blazing Gospel of Heinrich Kramer‘ hat der Aachener Kreativkopf forderndes Material fabriziert, das auch live funktioniert. Dazu gab Meilenwald einen charismatischen Frontmann ab. Runde, sehr heftige Sache.

Das Kontrastprogramm lieferten AVATARIUM. Der glockenhelle, zwischen kraftvoll und fragil pulsierende Engelsgesang von Jennie-Ann Smith (36) ist auch live ein Hochgenuss (die mit Gitarrist Marcus Jidell verheiratete Schwedin selbstredend auch), die Songs der neuen EP kamen fantastisch rüber. Schade nur, dass CANDLEMASS-Legende Leif Edling krankheitsbedingt passen musste. Als Ersatzbassist ließ Anders Iwers von TIAMAT seine grauen Locken fliegen. Wer die Band verpasst hat, kann sie demnächst im Vorprogramm von AMORPHIS bewundern.

 

Die Auswahl der Londoner ORANGE GOBLIN war im Vorfeld des Festivals nicht überall auf Zustimmung gestoßen. Zu viel Stonerrock, zu wenig Doom hieß ein oft geäußerter Vorwurf. Ob die Kritiker nach diesem Gig immer noch so denken? Sofern sie in der Halle waren, dürften sie einige Vorurteile über Bord geschmissen haben. Harter Rock’n’Roll mit ‚Sons-Of-Anarchy‘-Attitüde passt auch aufs Hammer of Doom, sofern er mit einer solch brachialen Wucht dargeboten wird. Vor allem die Songs des neuen ‚Back From The Abyss‘-Albums waren live eine wahre Pracht. Und langweilig wurde die Chose auch nicht. Sangeshüne Ben Ward hatte die nassgeschwitzen Dauerbanger fest im Griff, der Weg war geebnet für den Headliner SAINT VITUS, der hier eher als Saint Chandler daherkam.

Front-Unikat Scott „Wino“ Weinrich war vergangene Woche in Norwegen wegen Mitführung illegaler Substanzen verhaftet und nach Kalifornien ausgewiesen worden. Ein neues EU-Visum war in der Kürze der Zeit nicht zu organisieren, also übernahm Gitarrenmeister Chandler (56) selbst weite Strecken des Gesangs. Unterstützt von fähigen Stimmen wie Gerrit Mutz (u.a. SACRED STEEL), Tourmanager John Perez (SOLITUDE AETURNUS)und Drummer Henry Vasquez wurde aus der 35-Jahre-Gedächtnisshow ein erinnerungswürdiger Abend. Chandlers Gitarrenakrobatik und eine selbstgesungene Gänsehaut-Version von ‚Born Too Late‘ waren die Mitternachts-Spitze, Hut ab vor diesem unzerstörbaren Meister seines Fachs.

Und so ging das Festival-Jahr würdig zu Ende. Auftakt der neuen Saison ist am 31. Januar mit dem ‚Metal Assault‘. SATAN, EXXPLORER, STORMWITCH, WOLF, NIGHT DEMON, die englischen TYRANT und noch einige Kracher mehr. In der Würzburger Posthalle. Wo sonst?