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KISS – Monster

~ 2012 (Universal): Stil: Hard Rock ~


Palmen. Exotische Bäume. Prachtvolle Pflanzen zieren den Wegesrand. Zahlreiche glänzende Schuhe lassen den Kies und Sand unter sich knirschen. Unzählige Wege führen in das Herz des Gartens. Inmitten dessen steht ein protziger alter Bau im Neorenaissance-Stil. Herrlich geschmückter Eingang, hell erleuchtete Gänge und Flure. Laute und fröhliche Stimmen dringen aus den vereinzelt geöffneten Türen der Festsäle heraus. In einem kleinen Hinterzimmer im ersten Stock sitzen zwei Jungs. Beide haben einen Spiegel vor sich und tragen, nachdem sie sich schwarze Formen um die Augen aufgemalt haben, plakatweiße Gesichtsfarbe auf die restlichen Gesichtspartien auf. In schwarze Kleidung mit Umhang gehüllt, begeben sie sich zielstrebig Richtung Festsaal. Einer trägt eine Gitarre unter dem Arm. Die Tür geht auf, der Kassettenspieler startet. Die Jungs stehen in der Mitte des Saales, das Playback der Musik spielt und sie singen „I Was Made For Lovin‘ You Baby, You Were Made For Lovin‘ Me, And I Can’t Get Enough Of You Baby, Can You Get Enough Of Me”. Das Playback endet. Die Menge tobt. Gläser klirren!

Monate später. Es ist der 19. Februar 1980, ein Tag vor Aschermittwoch. Einer der Jungs trägt wieder schwarze Umrandungen mit schwarzer Füllung auf; schneeweiße Gesichtsfarbe kommt hinzu. Diesmal keine Gitarre unter dem Arm geht es auf die Straße. Lustig geschmückte Wagen ziehen an ihm vorbei und fahren durch die Straßen. Jeder Anlass kommt zum Schminken als `The Demon` gerade recht. Kanonen explodieren und schießen in den Straßenschluchten wild umher. `For Those About To Rock` ist noch nicht erschienen. Deshalb schießen hier auch keine Kanonen. Aber `I Was Made For Loving You` ist zu dem Zeitpunkt schon fast ein Jahr als Single auf dem Markt und wird im Handumdrehen zum Welthit, obwohl er zur Identität der Gruppe gar nicht so passen will. Die Straßenkarawane ist durch. Der Junge geht heim und dreht die Lautstärke des Plattenspielers hoch. „I Feel Uptight On A Saturday Night, Nine o‘ Clock, The Radio’s The Only Light, I Hear My Song And It Pulls Me Through, Comes On Strong, Tells Me What I Got To Do, I Got To … Get Up, Everybody’s Gonna Move Their Feet, Get Down, Everybody’s Gonna Leave Their Seat, You Gotta Lose Your Mind In Detroit Rock City”.

Über 32 Jahre später (drei Jahre nach dem besseren `Sonic Boom`) erscheint das neue Album `Monster` von KISS. Trotz der etwas glorreichen Songs `Hell Or Hallelujah` (“No Matter What You Do, I’m Running Through Ya, One More Time! Hell Or Hallelujah! C’mon c’mon, The Rest Is Up To You, It’s All For You, Yeah…”) und insbesondere `Freak` (“I`’m The Freak And I Love What I See, I’m The Freak And I Love Being Me, I’m A Freak And That’s All I Can Be, I’m A Freak, Yeah, Yeah, Yeah, Yeah …”) kommt durchgehend keine richtige Begeisterung auf. Selbst das leicht düstere `Wall Of Sound` (natürlich ein totales Ripp-Off vom Beginn des AEROSMITH Hits `Love In An Elevator`) gehört noch zu den Glanzlichtern des neuen Albums. Einen Song wie `All For The Love Of Rock & Roll` hätte aber ein JOHN FOGERTY höchstens als Bonus-Song verstauben lassen, sofern das Lied überhaupt solch ein Niveau zu bieten hat. Das anfangs durchgehend recht gutklassige Niveau fällt zum Ende des Albums rapide ab. Die alte Magie scheint verloren. Heutzutage wird sich kaum einer in ein Hinterzimmer setzen und sich als `The Starchild`, `The Demon`, `The Spaceman` oder als `The Catman` schminken. Aber die spärliche Menge tobt weiter.

(7 Punkte)