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BEAT – Neon Heat Disease Live In Los Angeles

2025 (Inside Out) - Stil: Crimsonesk

Wenn sich Adrian Belew und Tony Levin erneut dem musikalischen Kosmos von KING CRIMSONs Achtzigerjahre-Phase nähern, geschieht das nicht aus nostalgischer Pflichterfüllung, sondern aus hörbarer innerer Notwendigkeit. Dass sie dafür mit Steve Vai und Danny Carey zwei Musiker gewinnen konnten, die gleichermaßen technische Autorität wie interpretatorische Eigenständigkeit besitzen, verleiht BEAT von Beginn an eine Gravitation, die weit über das Etikett „Supergroup“ hinausweist. ´Neon Heat Disease Live In Los Angeles´ dokumentiert diesen Ansatz in konzentrierter Form und hält eine Phase fest, in der Vergangenes nicht konserviert, sondern neu durchlebt wird.

Im Zentrum stehen die drei Alben ´Discipline´, ´Beat´ und ´Three Of A Perfect Pair´, Werke einer KING-CRIMSON-Ära, die Struktur, Rhythmus und klangliche Reduktion in ein bis dahin unbekanntes Spannungsverhältnis brachte. Genau hier setzt BEAT an. Die Musik wird nicht rekonstruiert, sondern mit der Erfahrung von vier Jahrzehnten erneut durchmessen. Schon der Auftakt mit ´Neurotica´ macht klar, dass Präzision und Risiko keine Gegensätze sind. Die rhythmischen Verschiebungen wirken scharf konturiert, während Danny Carey von TOOL den komplexen Puls mit einer physischen Wucht versieht, die den Stücken neue Erdung verleiht.

Adrian Belew erweist sich einmal mehr als zentraler Erzähler dieses Materials. Sein Gesang ist zwar nicht jünger geworden, bleibt aber beweglich zwischen Ironie, Entschiedenheit und kontrollierter Ekstase, während seine Gitarrenarbeit weniger dominieren als reagieren will. Im Zusammenspiel mit Steve Vai entsteht ein Geflecht aus Tönen und Farben, das nicht auf Konkurrenz setzt, sondern auf Dialog. In ´Neal And Jack And Me´ greifen beide Gitarren wie Zahnräder ineinander, während ´Heartbeat´ die fragile, beinahe kühle Seite dieser Phase offenlegt und Raum für subtile Dynamik lässt.

Besonders eindrucksvoll geraten die Stücke, in denen BEAT sich Zeit nehmen. ´Industry´ wächst aus minimalen Motiven zu einer dunklen Klanglandschaft, die sich langsam zusammenzieht, ohne ihre innere Spannung preiszugeben. ´Waiting Man´ entfaltet seine polyrhythmische Architektur mit beinahe ritueller Konsequenz, bevor ´The Sheltering Sky´ zum emotionalen Kern des Abends wird. Über mehr als vierzehn Minuten spannt sich hier ein Bogen aus schwelender Ruhe und eruptiver Intensität, getragen von einem Zusammenspiel, das Disziplin als Voraussetzung für Freiheit begreift.

Tony Levin bildet dabei das ruhende Zentrum. Sein Bassspiel verankert die Musik, ohne sie zu beschweren, und verleiht Stücken wie ´Sleepless´ jene federnde Beweglichkeit, die den New Wave-Einfluss dieser Ära subtil widerspiegelt. Gleichzeitig bleibt genug Raum für Momente kollektiver Entladung, etwa in ´Larks’ Tongues In Aspic, Part III´, wo alte KING CRIMSON-Spannungen in neuem Licht erscheinen.

Im letzten Drittel des Konzerts erreicht die Dramaturgie ihren Höhepunkt. ´Frame By Frame´ funkelt mit messerscharfer Präzision, ´Matte Kudasai´ öffnet sich als melancholischer Ruhepol, bevor der berühmte ´Elephant Talk´ mit rhythmischer Aggression und sprachlicher Verspieltheit explodiert. Hier wird deutlich, wie sehr diese Musik vom Live-Kontext lebt. Adrian Belews hörbares Auflachen am Ende wirkt wie ein spontaner Ausdruck kollektiver Euphorie.

´Indiscipline´ schließlich dehnt das Prinzip kontrollierter Grenzüberschreitung bis ans Äußerste. Mit ´Thela Hun Ginjeet´ beschließen BEAT den Abend mit urbaner Nervosität und roher Energie. Der Sound, gemischt von Bob Clearmountain, bewahrt dabei Klarheit und Druck zugleich und lässt jedes Instrument in seiner Eigenheit sprechen, ohne das Gesamtbild zu zerreißen.

´Neon Heat Disease Live In Los Angeles´ ist ein lebendiger Beweis dafür, dass diese Musik ihre Relevanz nicht verloren hat. BEAT gelingt es, die formale Strenge der Achtzigerjahre-KING CRIMSON-Phase mit ihrer heutigen körperlichen Präsenz zu verbinden. Das Ergebnis ist ein Livealbum von seltener Geschlossenheit, das nicht erklären will, warum diese Stücke bedeutend sind, sondern es mit jeder Minute spürbar macht.

BEAT liefern mit ´Neon Heat Disease Live In Los Angeles´ ein Livealbum von seltener Präzision und Energie, das die komplexe Ära der 80er-KING CRIMSON-Alben meisterhaft interpretiert, virtuos, dynamisch und gleichzeitig emotional packend – ein Höhepunkt für Fans und Entdecker gleichermaßen.

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Band-Pic: AlisonDyer

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