
Eine gespenstische Dunkelheit hat sich übers Land gelegt, zwischen den Bäumen wabern vom Mondlicht beleuchtete Nebelschwaden herum. Die Luftfeuchtigkeit hat beinahe den maximal möglichen Wert erreicht, Wassertropfen rieseln wie glitzernde Edelsteine langsam herunter und zerplatzen unbemerkt an den wenigen festen Stellen des Bodens. Der Rest des weichen Bodens schwankt – nur schwer bemerkbar – sanft hin und her. Aus dem sich bewegenden Boden entweichen gelbliche Luftblasen, die nach kurzer Zeit des Aufwärtsstrebens zerplatzen, dem Nebel einen gelblichen Antlitz verleihen und die Luft nach faulen Eiern stinken lassen. Wo wir sind? Ganz einfach: im ´Sumpf Der Fäule´.
In dieser Gegend im thüringischen Landkreis Weimarer Land treiben sie sich gerne herum und genießen die ungewöhnliche Atmosphäre beim Spaziergang durch das Sumpfgebiet. Wer sind sie? Es sind vier gestandene Mannsbilder, welche Bad Sulza 2006 eine Mehrlingsgeburt bescherten: HANGATYR. Anfangs noch vom Pagan-Hype beeinflusst, haben sie diesem 2020 mit ihrem dritten Album ´Kalt´ den Garaus gemacht. ´Sumpf Der Fäule´ ist Black Metal in Reinkultur.
Die fast eine Dreiviertelstunde andauernde “Treibjagd” durch Songstrukturen, die einem mächtig aufs Gemüt schlagen können, finden mit dem längsten, dem sechsten Stück, ihren exakt zehnminütigen Abschluss. Passenderweise verlieh man diesem dunkel-düsteren Lied den Titel ´Dämmerung´.

Verantwortlich für das Black Metal-Schmankerl, das seit dem 1. Oktober 2025 durch unzählige lichtschwache Zimmer geistert, sind Ali, der ebenso wie Basti schaurig-schön Gitarre spielt, Falk, der seinem Bass einiges zumutet und Silvio, dessen Schlagzeugspiel – Verzeihung – Drumcomputerprogrammierung dem Hörer mit jedem Schlag einen Arschtritt verpasst, der sich gewaschen hat. Nicht zu vergessen, dass er dank seiner räudig-rotzigen Stimme tief in die Psyche der Hörerschaft dringt. Außerdem entlockt er gemeinsam mit Basti den Synthies Töne, die den Nebel wabern und geisterhaft erscheinen lassen.
Schönfärberei wird strikt abgelehnt. ´Sumpf Der Fäule´ ist nicht “schön”, soll es aber auch keinesfalls sein. Die sechs Songs sind beängstigend, schaurig und bezaubernd zugleich. Wem schauriges Empfinden nicht schadet, der findet durch HANGATYR eine willkommene Abwechslung zum stupiden, von immer gleichen Aktivitäten bestimmtem Leben, dem man gedankenverloren, ja fast mechanisch den Großteil seiner Lebenszeit opfert.
´Sumpf Der Fäule´ ist Katharsis. Es findet eine Reduzierung negativer Emotionen durch deren Ausleben statt, hier ist es das Singen und Schreien sowie jene körperliche Betätigung, ohne die keines der Musikinstrumente einen Laut von sich geben würde. Schon Aristoteles hing diesem Konzept nach, ohne natürlich auch nur annähernd zu ahnen, dass es gut 2.300 Jahre nach seinem Tode so etwas wie Black Metal geben würde.
Der fast immer gleichbleibende Pegel aller sechs Songs ist sicher nicht das Ergebnis eines bei der Produktion verwendeten Limiters, sondern pure Absicht. Zu keinem Zeitpunkt legt sich die Gleichförmigkeit des musikalischen Geschehens aufs Gemüt. Es sei denn, man findet keinen Zugang zum Black Metal. Dann, und nur dann, sollte man vom Erwerb des Albums der Thüringer absehen. Ansonsten steht es jedem Musikfreund frei, HANGATYRs ´Sumpf Der Fäule´ digital, als CD oder besser noch als Vinyl zu erwerben.
Gebt dem Bollwerk gegen Pop eine Chance!
(8,5 Punkte)
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Photo-Credit: Ute Ruhmann



