
CANNONBALL ADDERLEY – Know What I Mean?
1962/2025 (Analogue Productions/Riverside Records) – Stil: Jazz
Als “Craft Recordings” im vergangenen Jahr die neue „Original Jazz Classics“-Ausgabe von ´Know What I Mean?´ veröffentlichte, schien die Sache beinahe abgeschlossen. Das Album lag in einer klanglich überraschend frischen, präzise gemasterten Form vor, die zeigte, wie souverän Kevin Gray mit den “Riverside”-Bändern umzugehen versteht. Eine mustergültige 33rpm-Neuauflage, gepresst auf makellosem Vinyl, in einem tip-on Jacket mit OBI-Streifen, äußerlich ebenso liebevoll wie klanglich bedacht. Doch nun taucht inmitten dieses neu belebten Interesses an Cannonball Adderley und Bill Evans ausgerechnet ein Titel aus einer anderen Epoche der Reissues wieder auf – und es ist einer, der unwillkürlich größere Kreise zieht.
“Analogue Productions” legt die legendäre 45-rpm-Fassung aus dem großen „Bill Evans Riverside Recordings“-Boxset erneut einzeln auf, streng limitiert, auf 180g bei RTI gepresst, vollständig AAA und im ursprünglichen Schnitt von Kevin Gray und Steve Hoffman. Klanglich hat sich daran nichts verändert – und das ist genau der Punkt. Die Mastering-Kette, die damals für das monumentale Evans-Boxset aufgebaut wurde, gehört zu den seltenen Fällen, in denen alle Parameter auf einmal zusammenpassen: die Reinheit der Bänder, die Umsicht der Ingenieure, die Ruhe der 45-rpm-Ausnutzung sowie das Presswerk, das sich nie damit begnügt, nur „sauber“ zu arbeiten. Diese neuerliche Auflage ist also nicht neu im eigentlichen Sinn, aber sie bestätigt auf eindrucksvolle Weise, wie zeitlos gut eine hochwertige AAA-Produktion altern kann.
Im direkten Vergleich zur fein strukturierten „Original Jazz Classics“-33rpm offenbart die “Analogue Productions”-45rpm sofort, weshalb viele Sammler seit Jahren auf dieses Format schwören. Die Bühne spannt sich weiter, tiefer, atmender auf, als würde man die Studioräume der “Bell Sound Studios” nicht nur hören, sondern umrunden können. Bill Evans’ Klavier erhält dieses organische Timbre, das nur dann entsteht, wenn die Resonanz des Holzes vollständig eingefangen wurde. Percy Heaths Bass scheint runder und dennoch konturierter, Connie Kays Schlagzeug öffnet sich in einem seidigeren Obertonfeld, und Cannonball Adderleys Altsaxophon wirkt körperlicher, geschmeidiger, unmittelbarer. Es ist keine Effekthascherei, kein künstlicher Glanz, sondern ein tiefes Eintauchen in die Substanz der Aufnahme – ein Mehr an Ton, Raum und Menschlichkeit.
Auffällig ist zudem, dass in der alten “Analogue Productions”-Schnittfassung manch dezentes Bandartefakt weniger hervortritt als in der aktuellen “Original Jazz Classics”. Die „Original Jazz Classics“-Pressung wirkt an der oberen Kante etwas heller, mit einer Spur mehr Bandrauschen, was ihr eine angenehme Offenheit verleiht, aber einzelne Linien des Altsaxophons minimal näher an den Rand der Übersteuerung bringt. Die “Analogue Productions”-45rpm dagegen zeigt denselben Moment ohne Härte, differenzierter im Material des Klangs und ruhiger im Grundrauschen. Die Aufnahme gewinnt dadurch an Eleganz und Gelassenheit, sie atmet großzügiger. In dieser Hinsicht wirkt sie wie eine Rückkehr zu etwas Ursprünglichem.
Ganz anders verhält es sich jedoch bei der Aufmachung, denn hier zeigt sich deutlich, dass “Analogue Productions” diese Edition nicht als vollständige Neuinterpretation, sondern vielmehr als erneute Freisetzung vorhandener Bestände betrachtet. Während moderne “Analogue Productions”-Produktionen derselben Preiskategorie mit glänzenden, perfekt verarbeiteten Jackets und einer gewissen Zeremonie des Auspackens werben, bleibt diese 45-rpm-Version dem ursprünglichen Design der “Riverside-Box” treu. Kein Gatefold, kein doppeltaschiges Stoughton-Jacket, keine luxuriöse Verpackung. Die Hülle ist ordentlich verarbeitet, hochglänzend und farblich kontrastreicher als die „Original Jazz Classics“-Variante, aber sie erreicht nicht den Qualitätsanspruch, den man heutzutage mit dem Namen “Analogue Productions” verbindet. Es wirkt fast, als wäre dieses Album wie ein kostbarer Fund aus einem Archiv, den man nun noch einmal freigibt, ohne ihn an die aktuellen Standards anzupassen.
Doch gerade in dieser Spannung zwischen äußerer Schlichtheit und innerer Pracht gewinnt die Edition ihren eigenen Charakter. Sie ist nicht die definitive physische Ausführung des Albums – diese Rolle bleibt weiterhin einer hypothetischen UHQR vorbehalten –, aber klanglich genügt sie höchsten audiophilen Erwartungen. Man kann mit Fug und Recht sagen, dass diese Auflage, obwohl sie nicht mit aufwendigem Beiwerk glänzt, zu den überzeugendsten nicht-UHQR-Jazzpressungen gehört, die in den letzten Jahren erschienen sind.
´Know What I Mean?´ war schon immer ein Album, das von der Nähe zwischen Cannonball Adderley und Bill Evans lebte, von der Art und Weise, wie sich die Energie des Altsaxophons und die nach innen gerichtete Sensibilität des Klaviers begegnen, ohne sich je zu übertönen. Die 45-rpm-Version macht diese Begegnung greifbarer, fast tastbar. Sie holt die Feinheiten, das Zwischenatmen, die klangliche Würde der Musiker hervor und vermittelt das Gefühl, an jenem Ort und in jenem Moment dabei zu sein, als dieses Quartett seine Magie entfaltete.
So bleibt das Urteil eindeutig: Die Craft-„Original Jazz Classics“-2024 ist eine bemerkenswerte moderne Neuauflage, klanglich klar, exakt und mit viel Sinn für die Essenz der Aufnahme. Die “Analogue Productions”-45rpm hingegen geht tiefer. Sie erhebt das Album auf jene Ebene, auf der es nicht nur gehört, sondern erlebt wird. Und auch wenn ihre äußere Erscheinung nicht den heutigen Maßstab des Labels widerspiegelt, so besitzt sie im Inneren eine Souveränität, die unvergänglich ist.
(Klassiker)
Cannonball Adderley – Altsaxophon
Bill Evans – Piano
Percy Heath – Bass
Connie Kay – Drums
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