
ANNA VON HAUSSWOLFF – Iconoclasts
2025 (Year0001) - Stil: Avantgarde Pop, Experimental Rock, Chamber Pop
Mit ´Iconoclasts´ wendet Anna von Hausswolff ihre Avantgarde-Kunst einem überraschend zugänglichen, zugleich majestätisch-düsteren Pop zu. Wo frühere Werke wie ein Wall aus dronigen Kirchenorgeln und gotischer Finsternis wirkten, öffnet dieses sechste Studioalbum Räume, die trotz experimenteller Tiefe eine luftige Klarheit atmen.
Schon der Einstieg mit ´The Beast´ macht seine Ambitionen von Anfang an spürbar. Ein instrumentales Stück, getragen von kreisenden Saxophonfiguren, zarten Streicherflächen und subtilen Synthesizern, baut in dissonanten Wellen eine ungeheure Spannung auf. Umgehend wird deutlich, dass Anna von Hausswolff kein konventionelles Popalbum vorlegt, sondern ein orchestrales Abenteuer, in dem Barock-Maximalismus, experimenteller Rock, Drone, Doom Metal und Chamber Pop in harmonischem Widerstreit zueinanderfinden.
In ´Facing Atlas´ entfaltet sich die Musik weiter wie ein sich öffnendes Panorama. Treibende Percussion, pulsierende Orgelflächen und Anna von Hausswolffs klare, hoch liegende Stimme ringen um Selbstbestimmung. ´The Iconoclast´ steigert sich anschließend zu einem monumentalen, elfminütigen Werk aus tribal anmutenden Drums, schwebenden Synth-Patterns und orchestralen Streichern. Anna von Hausswolffs Gesang erreicht helle Höhen, bevor die Musik in eine Explosion aus Energie und Wucht übergeht.
Mit ´The Whole Woman´ tritt Iggy Pop an ihre Seite. Die Ballade verbindet folkige Intimität mit dunkler Gravitas. Iggy Pop ergänzt die ätherischen Melodien von Anna von Hausswolff durch seine raue, erfahrene Stimme und erzeugt eine Spannung, die Verletzlichkeit und Lebenserfahrung gleichermaßen spürbar macht. ´The Mouth´ kehrt zu unheimlichen Klangräumen zurück, in denen geisterhafte Vocals, dissonante Saxophon- und Orgelmotive eine dichte, intensive Atmosphäre schaffen, die Dunkelheit und innere Unruhe hörbar macht.
Mit ´Stardust´ belebt Anna von Hausswolff das Album durch treibende Drums, runden Bass und schwebende Synths, bevor das Saxophon von Otis Sandsjö das Stück in elegante, jazzhafte Höhen trägt. Die Musik pulsiert, entfaltet Bögen von Energie und Leichtigkeit, ohne die emotionale Tiefe zu verlieren, und demonstriert, wie Anna von Hausswolff unterschiedliche Stile zu einem stimmigen, eigenen Klangbild vereint.
´Aging Young Women´, das Duett mit Ethel Cain, entfaltet eine fast sakrale Intimität. Orgel, dezente Percussion und subtile Synth-Flächen schaffen einen Raum, in dem die Angst vor Vergänglichkeit und unerfüllten Träumen greifbar wird. Die Stimmen verschmelzen zu einem Southern-Gothic-Klang, der die Zeit in eine fühlbare Dimension verwandelt, in der jede Nuance zählt.
´Struggle With The Beast´ wirkt wie ein orchestraler Exorzismus. Jazz-Rock-Elemente, Krautrock inspirierte Grooves, Orgel, Saxophon, Gitarren und Streicher kollidieren in einem überwältigenden Geflecht, das das Ringen mit inneren und äußeren Monstern hörbar macht. ´An Ocean Of Time´ beruhigt sich hingegen zu einer dunklen, ambient-artigen Klanglandschaft. Anna von Hausswolffs Stimme gleitet über Orgel und minimalistische Streicher, als würde sie durch einen sakralen Raum schweben.
´Unconditional Love´ öffnet noch einmal die emotionale Dimension. Maria von Hausswolff tritt stimmlich an Anna von Hausswolffs Seite, während Saxophon, Streicher und dezente Percussion ein warmes, intimes Gewebe erzeugen. Das Stück vermittelt Nähe, Verletzlichkeit und familiäre Bindung, ohne je in Kitsch oder Sentimentalität abzurutschen. Am Ende wirkt ´Rising Legends´ wie ein leiser Nachhall, der nach der dichten, überwältigenden Klangreise Hoffnung und Ruhe vermittelt, als wäre der Hörer nach einer stürmischen Nacht, ohne allzu viele Gewitter, in einen sonnendurchfluteten Raum getreten.
´Iconoclasts´ vereint experimentelle Kühnheit und melodische Klarheit, macht die Musik zugänglich und zugleich komplex, zeigt Anna von Hausswolff als Erzählerin epischer Geschichten, als Architektin emotional dichter, orchestraler Räume, in denen Avantgarde, Pop und sakrale Dramatik zu einem eigenständigen Universum verschmelzen.
(9 Punkte)



