
Unter dem Slogan “Thrash Of The Titans” walzt gerade ein Vierer-Bandpackage durch Europa, das dem Fan viel Energie und Standhaftigkeit abverlangt. Über vier Stunden Livepower wird im gesetzten Alter zu einer Herausforderung. Aber was macht man nicht alles, um seine „Helden“ live zu sehen?
Denn das Package hat es in sich. Mit TESTAMENT, die ihr aktuelles Album ´Para Bellum´ promoten, steht eines der Thrash Metal-Schwergewichte als Headliner auf der Bühne. Mit OBITUARY, die man auf so einer Tour eher selten sieht, hat man einen guten Griff getan. Dazu die deutsche Abriss-Fraktion von DESTRUCTION und für eine angemessene Frauenqoute stehen NERVOSA als Anheizer auf der Bühne. Vielseitigkeit ist also Trumpf auf der Tour. Mit dem Gig in Wiesbaden hat man knapp die Hälfte der Tour hinter sich und ist somit gut eingespielt.
Nicht gut eingespielt ist dagegen wohl die Location und ihre Planung bezüglich der Türöffnung. Zehn Minuten vor Beginn der Show steht am Eingang immer noch eine 2-300 Meter lange Schlange an Fans, die auf den Eintritt warten. Nicht cool. Zum einen für die Fans, die teure Tickets gekauft haben, und zum anderen für NERVOSA, die vor einer ausgedünnten Fan-Kulisse auftreten müssen.
Die vier Damen von NERVOSA liefern in ihren 25 Minuten Auftrittszeit ganz ok ab. Allerdings ist der Sound nicht wirklich optimal. Ich habe die Damen schon überzeugender gesehen und es fällt einmal mehr auf, dass die Band zwar ordentlich einen runterbügelt, aber die Songs nicht wirklich hängen bleiben. Einzig ´Jailbreak´ vom gleichnamigen Album hinterlässt Eindruck.
Prika Amarals Gesang ist live eindimensional, zudem fehlt einfach Biss, um einen mitzureißen. Der Truppe fehlen einfach zwei bis drei „Hits“, die man eindeutig zuordnen kann und die den Höhepunkt eines NERVOSA-Gigs darstellen. Nett, aber nicht zwingend. Leider.
Ganz anders dagegen DESTRUCTION, die auf 45 Minuten Auftrittszeit kommen und diese mit acht Songs ausfüllen. Hier wird nicht gekleckert, sondern geklotzt, was man schon an der Songauswahl sehen kann.
Der Sound ist nun deutlich aggressiver und dementsprechend wird der Begriff „Thrash Metal“ anders gelebt wie bei NERVOSA. Schon der Einstieg mit ´Curse The Gods´, gleich gefolgt von ´Nailed To The Cross´ lässt die Ohren bluten.
DESTRUCTION als Quartett zu führen war die richtige Entscheidung von Schmier, der die Center Stage dominiert, während die Gitarrenfraktion auffällig ackert bzw. bewegungsreich die relativ große Bühne nutzt. Da werden Augen und Ohren großartig bedient und bei Nummern wie ´Mad Butcher´, oder dem großartigen ´Scumbag Human Race´ gehen die Fans massiv mit. Mit dem Bandklassiker ´Bestial Invasion´ sowie ´Destruction´ beendet man das 45 Minuten Massaker und hinterlässt mehr als zufriedene Fans. Das war ein berauschender Thrash Metal-Quickie der deutschen Thrash-Legende.
OBITUARY ist nicht gerade eine dieser Bands, die man oft in solchen Tourpaketen sieht, vor allem wenn es sich eher um reine Thrash Metal-Packages handelt. So war die Endscheindung äußerst clever, die Florida-Legende mit auf diese Tour zu nehmen und sie sogar als Co-Headliner zu setzen. Ich muss gestehen, ich habe die Herren das letzte Mal vor 13/14 Jahren gesehen und war dementsprechend nicht wirklich vorbereitet auf das was da kommen sollte.
Wie ein wilder Bulldozer marschiert der Fünfer gnadenlos nach vorne. Die Riffs sind brutal, John Tardy schreit sich mit mächtig rotem Kopf durch Klassiker wie ´Sentence Day´, ´Body Bag´, ´Cause Of Death´ etc. Der Mann der tödlichen Riffs, Trevor Peres, wirkt irgendwie emotionslos, lässt keinerlei Regung im Gesicht erkennen, aber er liefert mit einer Präzision, die den Sound der Amis unverkennbar macht. Tardy wirkt dagegen wie ein Tiger der aus dem Käfig ausbrechen möchte und den man besser nicht reizt. OBITUARY liefern den totalen Abriss und werden dafür lautstark gefeiert. Das waren 60 Minuten reine Machtdemonstration der Florida-Legende.
Die Umbaupause für TESTAMENT zieht sich in die Länge und der Wunsch nach Sitzgelegenheiten wächst. Also rumlaufen und noch einmal beim Merch-Stand vorbei, das in Teilen für Schnappatmung sorgt. Man kennt das Thema, die Bands müssen über Merch ihr Einkommen generieren, aber sorry, 50 Tacken für das neue TESTAMENT Album mit Unterschriften finde ich schon sehr grenzwertig. Die Shirts liegen mit 35 Euro im aktuellen Trend. Aber was man den Fans beim Vinyl abverlangt, ist schon krass. Da sind OBITUARY nicht anders, die für ihr Vinyl 40 Tacken aufrufen.
Der TESTAMENT-Sound ist von Beginn an eher „warm“ zu nennen. Wirkt nicht wirklich aggressiv oder „böse“. Man hört jedes Instrument fein raus und Chuck Billys Gesang wirkt recht geschmeidig. Überraschend, ich hatte ein mörderisches Soundbrett erwartet. Das bleibt nicht die einzige Überraschung.
Auch die Setlist ist recht ausgewogen und nicht ganz so brutal. Sicher liefert man mit ´First Strike Is Deadly´, ´Practice What You Preach´ und dem Rausschmeisser ´Into The Pit´ seine Old School-Hits. Dazwischen finden sich dann doch weniger überzeugendes wie ´Low´ oder ´Return To Serenity´. Nach einem kurzen Drumsolo von Chris Dovas legt man den Fokus auf sein neustes Werk ´Para Bellum´. ´Shadow People´ oder ´Infanticide A.I.´ können nicht wirklich überzeugen. Dafür gibt es Feuer, viel Feuer.
Die Kommunikation mit dem Publikum ist spärlich. Nur einmal lässt sich Chuck zu einem Statement in Sachen „Krebs“ hinreißen und fordert die Leute auf ein „Fuck Cancer“ zu brüllen.
Mit dem Gitarrenduo Skolnick/Peterson spielt die Band in der Oberliga. Peterson finde ich an diesem Abend den deutlich überzeugenderen Gitarristen, während Skolnick, trotz starker Soli, irgendwie trollig rüberkommt. Gefühlt wie, ich habe einen Job zu liefern, bitte schön.
TESTAMENT sind nicht schlecht an diesem Abend, aber der wahre Gewinner heißt OBITUARY, die alles plattgewalzt haben, direkt gefolgt von DESTRUCTION, die mit Mittelfinger-Attitüde und rasiermesserscharfen Riffs einen Mittelscheitel gezogen haben. Etwas abgeschlagen die Damenfraktion, mit einem wenig nachhaltigen Kurzauftritt.
Fotos: Jürgen Tschamler