
Man hört das Gras wachsen, das Holz unter den Füßen knacken und den Fluss in der Ferne murmeln. Mit ihrem Debütalbum ´Okertones´ nehmen die Musikerinnen und Musiker der Braunschweiger Formation OKERTONES ihr Publikum mit auf eine Reise durch vertraute Landschaften und innere Erinnerungsräume.
Im Mittelpunkt steht der warme, schimmernde Klang der Dobro von Bandleader Tom Bennecke, der durch die Songs gleitet wie das Wasser der Oker durch seine Heimatstadt. Die Musik verbindet Americana, Folk und Blues mit der Offenheit des Jazz und der rhythmischen Erdigkeit des Bluegrass. Es ist ein Klangbild, das lebt, lacht und nachklingt, handgemacht und ehrlich.
Der Weg beginnt mit ´Börßum´, gesungen von Andy Bermig, einer Rückkehr in die eigene Vergangenheit. Der Song erinnert an den Geruch feuchter Erde, an Jugendtage und die Sehnsucht nach Zugehörigkeit. Die Dobro zieht lange Linien, während das Saxofon von Catrin Groth den Horizont öffnet und ein Chor in klarer Harmonie den Raum füllt. Gleich darauf taucht in ´Going Back In Time´ die Stimme von Markus Schultze auf, getragen von einem federnden Groove. Er erzählt von goldenen Herbsttagen, von Skateboards und Highschool-Momenten, vom jugendlichen Gefühl grenzenloser Möglichkeiten. Die Musik klingt wie Licht, das durch Blätter fällt, leicht, nostalgisch und unbeschwert.
Mit ´Bring Ihn Nach Hause´ wechselt das Album auf die offene Straße. Cappuccino singt mit rauer Kraft von Rastlosigkeit und dem Wunsch, endlich anzukommen. Die Dobro eröffnet den Song mit einem ausgedehnten, vibrierenden Intro, bevor Bass und Percussion das Tempo aufnehmen. Die Fahrt geht weiter, staubig, frei, voller Bewegung. In ´Too Much´ schlägt Catrin Groth einen helleren Ton an. Ihre Stimme spielt mit Ironie und Leichtigkeit, während Peter Jung auf der Mandoline tänzelt und Tom Bennecke auf seiner Dobro eine zweite Stimme spinnt. Die Zeilen über überreizte Gespräche und zu lange Sprachnachrichten wirken wie ein Augenzwinkern inmitten eines luftigen Bluegrass-Grooves, dem am Ende ein fröhliches Pfeifen den letzten Schliff verleiht.
Danach legt sich mit ´Locked´ eine sanfte Melancholie über das Album. Britta Dekker singt mit leiser Intensität von Abschied, Erinnerung und der stillen Gewissheit, dass Trost aus Ruhe entstehen kann. Zwischen Geige, Kontrabass und gezupften Saiten entsteht eine warme Tiefe, die den Hörer innehalten lässt. ´Better Man´ bringt einen Bruch. Maike Jacobs erhebt ihre Stimme zu einem klaren Statement. Der Song ist ein stolzes, selbstbewusstes Americana-Stück, das Gleichberechtigung feiert, ohne Pathos, aber mit Haltung. Ihre Stimme trägt, der Rhythmus drängt, und die Band antwortet mit Energie und Zusammenhalt.
Mit ´Hillbilly Trash´ zeigen die OKERTONES ihre instrumentale Freude am Zusammenspiel. Es ist ein Stück voller Spiellust, bei dem Geige, Mandoline, Dobro und Kontrabass einander die Hand reichen und sich gegenseitig in Bewegung halten. Besonders André Neygenfinds gestrichenes Bass-Solo verleiht dem Song eine überraschende Tiefe, die zwischen Virtuosität und Humor balanciert. Anschließend führt ´House Of Eternal Change´, gesungen von Beate Zacher, in einen ruhigen, fast meditativen Raum. Markus Schultze setzt auf der Mundharmonika zarte Akzente, während Benneckes Dobro wie eine Stimme aus weiter Ferne klingt. Der Song beschreibt das Leben als ständige Bewegung, als ein Haus, in dem nichts bleibt, wie es war, und gerade darin seine Schönheit findet.
Der Abschluss gehört ´A Bunch Of´ mit Carsten Fritz am Mikrofon. Seine Stimme trägt die Spuren gelebter Jahre, und seine Worte sind ein Rückblick auf Jugend, Musik und das Erwachsenwerden. Namen und Klänge vergangener Jahrzehnte ziehen vorbei wie Straßenschilder auf einer Landstraße – Soft Machine, Grateful Dead, Canterbury, Punk und Jazz. Der Song ist eine Hommage an das Entdecken, an den Moment, in dem Musik zum Lebensgefühl wird. Wenn der letzte Ton verklingt, bleibt eine leise Wärme, als wäre man selbst gerade heimgekehrt.
´Okertones´ ist kein glattes Studioalbum, sondern eine lebendige Aufnahme. Man spürt die Spontaneität des Zusammenspiels, die Verbundenheit zwischen den Musikerinnen und Musikern und die Freude, gemeinsam Klangräume zu schaffen. Und ihr Debüt hinterlässt einen leisen Nachklang voller Versprechen. Es erzählt von Heimat, Bewegung und der Suche nach dem richtigen Ton im richtigen Moment. Die OKERTONES haben ein Album geschaffen, das wie ein Fluss fließt – ruhig, klar und unaufhaltsam.
(8 Punkte)
https://www.instagram.com/okertones/
Pics: Marc Stantien