
IVO PERELMAN / NATE WOOLEY / MATT MORAN / MARK HELIAS / TOM RAINEY – A Modicum Of Blues
2025 (Fundacja Sluchaj) - Stil: Jazz
Ivo Perelman, der brasilianisch geborene Tenorsaxophonist, ist ein Veteran der freien Improvisation, der sein Leben lang der Unvorhersehbarkeit der Musik verschrieben hat. In New York fand er früh seine künstlerische Heimat, zwischen verrauchten Clubs und Studios, in denen jeder Ton zugleich Chance und Abenteuer war. Nate Wooley, Meister der Trompete, bringt seine grenzenlose Experimentierfreude und technische Brillanz in jedes Zusammenspiel ein, stets bereit, auf Ivo Perelmans Impulse zu reagieren und neue Wege zu eröffnen. Matt Moran auf den Vibraphonen fügt dem Quintett eine luftige, lyrische Textur hinzu, die wie ein sanfter Windhauch durch die dichten Klanglandschaften zieht. Mark Helias am Bass sorgt für Tiefe und Stabilität, sein Spiel ist kraftvoll, aber nie aufdringlich, während Tom Rainey am Schlagzeug das Ensemble mit verspielter Raffinesse ergänzt, mal federnd, mal eruptiv, immer voller Ideen.
´A Modicum Of The Blues´ ist kein Blues im klassischen Sinn, sondern eine Erforschung seiner Essenz, gefiltert durch die Ohren und Hände dieser außergewöhnlichen Musiker. Der Auftakt, ´A Modicum Of Blues Part 1´, gleitet langsam aus dem Nebel in einen intensiven Dialog zwischen Ivo Perelmans Tenorsaxophon und Nate Wooleys Trompete, getragen von Mark Helias’ Basslinien und Tom Raineys rhythmischer Substanz. Die Musiker sondieren das Terrain vorsichtig, bevor sie in ein lebendiges Zusammenspiel übergehen, das Spannung und spielerische Leichtigkeit vereint.
In ´Part 2´ tanzen die Stimmen der Instrumente verspielt umeinander. Nate Wooley schlägt ein Thema vor, Matt Moran ergänzt mit vibrierender Sanftheit – ein kurzes, poetisches Intermezzo, das wie ein Lächeln zwischen zwei tiefgründigen Momenten wirkt. Hier zeigt sich das feine Gespür der Musiker füreinander. Jeder Ton reagiert, jeder Impuls wird aufgenommen und zu neuen musikalischen Fragen weitergesponnen.
´Part 3´ entfaltet eine melancholische, fast greifbare Atmosphäre. Ivo Perelman und Nate Wooley verweben ihre Hörner zu einem dichten Klangteppich, während Tom Rainey mit verschachtelten Rhythmen das narrative Gerüst erweitert. Mark Helias hält das Fundament, auf dem die anderen frei fliegen können. Die Spannung zwischen dichter Textur und plötzlicher Freiheit erzeugt eine faszinierende Dynamik, die den Hörer aufmerksam hält.
´Part 4´ öffnet sich mit Mark Helias’ berührendem Bass-Solo, dem Ivo Perelman und Nate Wooley mit lyrischen Hornlinien folgen, als würde der Blues selbst aus ihrer Innenwelt emporsteigen. Matt Moran ergänzt behutsam, lässt aber Raum für die Intimität der Passage – eine stille Magie entsteht zwischen den Klängen, die Aufmerksamkeit und Geduld belohnt.
Der Abschluss, ´Part 5´, beginnt mit einem lebendigen Wettstreit der Instrumente, entwickelt sich zu einem vielschichtigen Gespräch zwischen Ivo Perelmans Saxophon und Mark Helias’ Bass, begleitet von Matt Morans vibrierender Wärme. Tom Rainey setzt sparsame, pointierte Akzente, die das Spiel beleben, ohne es zu dominieren. Die Musiker folgen ihren Impulsen, hören einander zu, reagieren und fügen hinzu, ein lebendiges Miteinander, das organisch wächst und den Quintett-Charakter in voller Blüte zeigt.
´A Modicum Of The Blues´ ist technisch meisterlich im Sinne freier Improvisation, verbindet reflektierte Momente mit ausgelassener Spielfreude zu einem überzeugenden Ganzen. Ivo Perelman, Nate Wooley, Matt Moran, Mark Helias und Tom Rainey erkunden das Unsichtbare, formen spürbare Klangräume und lassen den Hörer in die Höhen und Tiefen spontaner Musik eintauchen. Im Vergleich zu vielen früheren Werken von Ivo Perelman wirkt das Album besonders zugänglich, ohne dabei die Tiefe und Intensität der Improvisation zu verlieren. Es streift den Blues nur in feinen Nuancen und feiert dabei vor allem die Leichtigkeit des Spiels – unbeschwert, überraschend und lebendig, ein Statement, das sowohl erfahrene Free-Jazz-Hörer als auch neugierige Einsteiger zu fesseln vermag.
(8 Punkte)